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EstG 1988: § 3 Abs 1 Z 16b
Abstract
Das BFG hatte zu entscheiden, ob eine rückwirkend genehmigte Betriebsvereinbarung steuerlich anzuerkennen ist. Nach der stRsp des VwGH werden rückwirkende Rechtsgeschäfte im Steuerrecht nur unter speziellen Voraussetzungen anerkannt. Im vorliegenden Fall argumentierte die Beschwerdeführerin, dass die Vereinbarung schwebend unwirksam und später durch die Betriebsvereinbarung rückwirkend genehmigt wurde. Das BFG folgte dieser Argumentation nicht und stellt unter Verweis auf die stRsp des VwGH fest, dass auch in einem solchen F eine rückwirkende Anerkennung für den Bereich des Steuerrechts ausgeschlossen ist.
BFG 1. 10. 2024, RV/5100706/2023
Sachverhalt
Die Bf, ein Bauunternehmen im Bereich des Innen- und Trockenbaus, schloss im Juni 2017 eine als „Betriebsvereinbarung“ bezeichnete Vereinbarung mit einem Vertreter der Gewerkschaft Bauhilfsgewerbe ab, in der sie den Mitarbeitern ein steuerfreies Taggeld von EUR 2,20 pro Stunde ab der dritten Arbeitsstunde zusicherte. Zum Zeitpunkt dieser Vereinbarung verfügte die Bf – obwohl die erforderliche Anzahl der Arbeitnehmer gegeben war – über keinen Betriebsrat, der laut ArbVG für den Abschluss einer Betriebsvereinbarung zuständig gewesen wäre. Im Rahmen einer Außenprüfung stellte das Fa fest, dass die Vereinbarung nicht als gültige Betriebsvereinbarung iSd § 29 ArbVG anerkannt werden könne, weil sie mit einem unzuständigen Organ abgeschlossen worden war. Daraufhin erließ das Finanzamt im April 2022 Bescheide für die Jahre 2017 bis 2020 betreffend die Haftung für die Lohnsteuer, die Festsetzung des Dienstgeberbeitrags und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag.
Im September 2022 wies die Bf in einem Schreiben daraufhin, dass nun ein Betriebsrat konstituiert wurde, der die ursprüngliche Vereinbarung von 2017 nachträglich genehmigte. Die Bf erhob daher gegen die Bescheide des Fa Beschwerde, in der sie die Ansicht vertrat, dass die Taggelder nach der rückwirkenden Genehmigung durch den Betriebsrat steuerfrei bleiben müssten. Im Oktober 2023 legte das Fa die Beschwerde dem BFG vor.
Entscheidung des BFG
Eingangs setzt sich das BFG mit der Gültigkeit von Betriebsvereinbarungen auseinander. Eine Betriebsvereinbarung ist eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem Betriebsinhaber und dem Betriebsrat, die bestimmte lohngestaltende Vorschriften, wie die Auszahlung von Taggeldern, regeln kann. Solche Betriebsvereinbarungen sind eine Voraussetzung, um steuerliche Begünstigungen, wie die Steuerfreiheit von Taggeldern nach § 3 Abs 1 Z 16b EstG, zu erhalten. Hat ein Unternehmen jedoch Betriebsrat, ist der Abschluss einer Betriebsvereinigung nicht möglich. Ohne eine gültige Betriebsvereinbarung können gezahlte Taggelder nicht steuerfrei behandelt werden, was zur Folge hat, dass die betroffenen Zahlungen nachversteuert werden müssen.
Gem § 1016 ABGB können zivilrechtlich schwebend unwirksame Rechtsgeschäfte rückwirkend genehmigt werden, wenn das zuständige Organ, das im Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung nicht eingerichtet war, die Vereinbarung später bestätigt. Nach Ansicht der Bf handelt es sich bei der im Jahr 2017 geschlossenen Vereinbarung um ein solch schwebend unwirksames Rechtsgeschäft, das durch die Genehmigung im Jahr 2022 rückwirkend wirksam wurde. Das BFG führt jedoch aus, dass diese Argumentation im Steuerrecht nicht greift. Es verweist darauf, dass rückwirkende Rechtsgeschäfte im Steuerrecht grundsätzlich nicht anerkannt werden, außer es gibt eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, die dies ermöglicht. Das Steuerrecht knüpft an tatsächliche wirtschaftliche Gegebenheiten zum Zeitpunkt der Entstehung des Steuertatbestandes an. Die Steuerschuld entsteht mit Verwirklichung des Steuertatbestandes unmittelbar auf Grund des Gesetzes und kann idR auch nicht durch (rückwirkende) nachträgliche privatrechtliche Vereinbarungen beseitigt werden (mit Verweis auf VwGH 26. 2. 1981, Zl 439/80 und Zl 1307/80; 7. 2. 1990, Zl 88/13/0241, Slg 6479 F; 15. 7. 1998, 96/13/0039; 25. 3. 1999, 96/15/0079; 25. 5. 2000, 2000/16/0066; 16. 9. 2003, 99/14/0324; 27. 9. 2000, 97/14/0047 und 26. 1. 2011, 2007/13/0084). Diese Systematik ist gleichermaßen auf den umgekehrten Sachverhalt anzuwenden, weil durch eine Rückbeziehung eines Ereignisses auf frühere Zeiträume auch kein (rückwirkendes) Steuerschuldverhältnis begründet werden kann. Da es sich bei der ursprünglichen Vereinbarung um keine Betriebsvereinbarung im Sinne des ArbVG handelte, bewirkt die nachträgliche Genehmigung durch den Betriebsrat im Jahr 2022 keine steuerliche Rückwirkung und führt nicht zum Wegfall des Abgabenanspruchs. Abschließend hält das BFG fest, dass rückwirkende Rechtsgeschäfte ungeachtet ihrer zivilrechtlichen Zulässigkeit für den Bereich des Steuerrechts nicht anzuerkennen sind.
Conclusio
Die vorliegende Entscheidung des BFG steht in Einklang mit der stRsp des VwGH und der Lehre (Ritz/Koran, BAO7 § 4 BAO Rz 11 ff; Tanzer/Unger in Rzeszut/Tanzer/Unger, BAO: Stoll Kommentar § 4 BAO Rz 34 f), wonach rückwirkende Rechtsgeschäfte im Steuerrecht nur in Ausnahmefällen anerkannt werden. Das BFG stellt in seiner Begründung klar, dass dieser Grundsatz auch uneingeschränkt auf zivilrechtlich schwebend unwirksame Rechtsgeschäfte anwendbar ist. Die nachträgliche Genehmigung durch den Betriebsrat bleibt im steuerrechtlichen Kontext Bedeutung. Der steuerliche Tatbestand wird mit der tatsächlichen Verwirklichung des Sachverhaltes ausgelöst und spätere privatrechtliche Korrekturen können diesen nicht rückwirkend beeinflussen. Damit bestätigt das BFG, dass die strengen Anforderungen des Steuerrechts an die Wirksamkeit von Rechtsgeschäften auch durch zivilrechtliche Mechanismen, wie die schwebende Unwirksamkeit und die nachträgliche Heilung dieser, nicht durchbrochen werden.