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BFG: Keine Anwendung von DBA mangels Kollision von unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht

Bearbeiter: Juliane Beverungen

EStG 1988: § 1 Abs 13, § 29 Abs 2, § 98 Abs 1 Z 4

BAO: § 26

DBA Österreich-Schweiz (DBA Ö-CH): Art 1, Art 4 Abs 1 und Abs 2

Abstract

Das BFG hatte im vorliegenden Erk zu entscheiden, ob ausländische Einkünfte im Rahmen einer Entsendung für Zwecke des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen sind. Hierfür erörterte das BFG, ob die Beschwerdeführerin in Österreich (Ö) unbeschränkt steuerpflichtig war, wobei fraglich war, ob der Wohnsitz in Ö für die Dauer der Entsendung aufgegeben wurde. Das BFG erkannte, dass der inländische Wohnsitz unterjährig aufgegeben wurde und daher zwei getrennte Steuerabschnitte vorliegen, die getrennt zu veranlagen sind.

BFG 2. 10. 2024, RV/7101474/2021

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin (Bf) war für einen österr Arbeitgeber tätig und wurde von diesem im Zeitraum vom 1. 7. 2016 bis zum 31. 10. 2017 in die Schweiz (CH) entsandt. Ab dem 1. 11. 2017 war die Bf wiederum nur in Österreich (Ö) tätig. Das Finanzamt (FA) erließ einen Einkommensteuerbescheid 2017, in dem die gesamten, inländischen und ausländischen, Einkünfte der Bf im Jahr 2017 besteuert wurden. Hiergegen brachte die Bf Beschwerde beim FA ein mit der Begründung, dass für die Berechnung der Einkommensteuer nur die inländischen Bezüge zu erfassen seien.

Laut FA hatte die Bf für die Dauer ihrer Entsendung ihren Wohnsitz in Ö aufrechterhalten sowie bis zum Ende ihrer Entsendung auch einen Wohnsitz in der CH begründet. Nach Beendigung ihrer Entsendung sei sie dann wiederum nur in Ö ansässig gewesen. Somit habe Ö gem Art 4 DBA Ö-CH als Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht auf das gesamte Welteinkommen.

Mit Beschwerdevorentscheidung kam es zu einer Änderung des Einkommensteuerbescheids, wobei nunmehr nur die inländischen Einkünfte als Bemessungsgrundlage berücksichtigt wurden. Allerdings wurden die ausländischen Bezüge weiterhin im Rahmen des Progressionsvorbehalts herangezogen. Hiergegen brachte die Bf einen Vorlageantrag ein und beantragte die Schweizer Einkünfte nicht zur Berechnung des Progressionsvorbehalts heranzuziehen. Hierzu legte sie eine Schweizer Ansässigkeitsbescheinigung (für den Zeitraum vom 1. 7. 2016 bis zum 31. 10. 2017) offen und gab an, dass sie ihren inländischen Wohnsitz während der Entsendung untervermietet habe. Aufgrund der geringen Größe ihrer Wohnung sei eine Mitbenutzung während der Untervermietung dabei ausgeschlossen. Während ihrer unregelmäßigen, kurzen Aufenthalte in Ö habe sie entweder bei ihrer Familie oder bei der Familie ihres Lebensgefährten gewohnt. Somit habe sie ihren inländischen Wohnsitz im Entsendungszeitraum aufgegeben und sei gem Art 4 Abs 2 lit a DBA Ö-CH bis Oktober 2017 nur in der CH steuerlich ansässig.

Die Behörde brachte dagegen ein, dass weiterhin ein Wohnsitz iSd § 26 BAO in Ö vorliege. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung sei es Privatmietern idR nicht erlaubt ihre Wohnungen unterzuvermieten. Auch eine Abmeldung des Wohnsitzes in Ö sei nicht erfolgt. Aufgrund der kurzen Dauer der Entsendung sei ihr Mittelpunkt der Lebensinteressen weiterhin in Ö. Der eingebrachten Ansässigkeitsbescheinigung aus der CH kommt lediglich Indizcharakter zu.

Entscheidung

Unstrittig ist, dass die Bf ihren Hauptwohnsitz für die Dauer ihrer Entsendung dauerhaft in Ö gemeldet hatte. Auch wurde von der Behörde zu Recht auf den Umstand verwiesen, dass die Untervermietung ihrer Wohnung vermutlich unzulässig war. Trotzdem tritt das BFG der Annahme des FA entgegen, wonach der Bf ihr Hauptwohnsitz jederzeit tatsächlich zur Verfügung stand. Aufgrund der kleinen Größe ihrer Wohnung und der allgemeinen Lebenserfahrung ist nicht davon auszugehen, dass die Wohnung von zwei Fremden, der Bf und einer Untermieterin, geteilt wird. Auch die kurzen Besuche in Ö, bei denen die Bf im Haus ihrer Familie oder der Familie ihres Lebensgefährten gewohnt hat, begründen keinen Wohnsitz (s VwGH 23. 5. 1990, 89/13/0015; 24. 1. 1996, 95/13/0150; 19. 12. 2006, 2005/15/0127; 4. 9. 2014, 2011/15/0133).

Das BFG stellt daher fest, dass die Bf für den Zeitraum vom 1. 1. 2017 bis zum 31. 10. 2017 weder über einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt in Ö verfügte. Erst nach dem Ende ihrer Entsendung begründete sie wiederum einen Wohnsitz im Inland. Somit unterlag sie für die Dauer ihrer Entsendung der beschränkten Steuerpflicht in Ö gem § 1 Abs 3 EStG. Mit ihrer Rückkehr wechselte sie in die unbeschränkte Steuerpflicht gem § 1 Abs 2 EStG.

Eine Doppelbesteuerung im Bereich der Einkommensteuer kann aufgrund von einer Kollision von einer unbeschränkten Steuerpflicht im Wohnsitzstaat mit einer beschränkten Steuerpflicht im Quellenstaat entstehen (s Doralt in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn [Hrsg], EStG [24. Lfg, 2024] § 1 Tz 45). Da die Bf aus ihrer Tätigkeit in der CH keine Einkünfte erzielte, die in Ö als Quellenstaat zu erfassen wären, unterlag sie in Ö während ihrer Entsendung nicht der beschränkten Steuerpflicht. Somit kommt es zu keiner Kollision und der Anwendungsbereich des DBA Ö-CH ist nicht eröffnet.

Beim Wechsel von der beschränkten zur unbeschränkten Steuerpflicht entstehen zwei getrennte Steuerabschnitte, die getrennt zu veranlagen sind (s Doralt in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn [Hrsg], EStG [24. Lfg, 2024] § 1 Tz 8). Demnach ist die Bf im Streitjahr nur mit ihren inländischen Einkünften aus November und Dezember ohne Berücksichtigung der ausländischen Einkünfte aus Jänner bis Oktober zu veranlagen. Die ausländischen Einkünfte werden auch nicht im Rahmen des Progressionsvorbehalts erfasst.

Der Beschwerde wird Folge gegeben. Eine ordentliche Revision an den VwGH ist nicht zulässig.

Conclusio

Im vorliegenden Erk kommt das BFG zu dem Schluss, dass aufgrund einer fehlenden Kollision von unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht keine Doppelbesteuerung entsteht. Daher liegt lt BFG auch kein Anwendungsbereich des DBA Ö-CH vor. Grundsätzlich ist aber anzumerken, dass der persönliche Anwendungsbereich gem Art 1 DBA Ö-CH bei Ansässigkeit einer Person in einem oder beiden Vertragsstaaten eröffnet ist. Dies ist gem Art 4 Abs 1 DBA Ö-CH dann der Fall, wenn die Person in einem Staat der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt. Diese Voraussetzung war vorliegend von der Bf erfüllt. Somit ist fraglich, warum der Anwendungsbereich des DBA nicht eröffnet sein sollte.

Allerdings muss beachtet werden, dass bei Anwendung des DBA ein Ansässigkeitsstaat zu bestimmen ist. Würde der Besteuerungszeitraum nach dem DBA – wie vorliegend – aufgeteilt werden, dürfte bis Ende Oktober 2017 die CH als Ansässigkeitsstaat die Schweizer Einkünfte besteuern und erst danach Ö als Ansässigkeitsstaat wieder besteuern. Somit wird dasselbe Ergebnis erreicht und es macht keinen Unterschied, ob das DBA Ö-CH als anwendbar erachtet wird oder nicht. Fraglich ist allerdings, ob auch das DBA-Recht getrennte Besteuerungsabschnitte anerkennt. In dieser Hinsicht argumentieren Wassermeyer/Kaeser, dass grds eine Verlagerung der Ansässigkeit im Laufe eines Veranlagungszeitraums möglich ist (s Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer [Hrsg], DBA [165. Lfg, 2024] Art 4 Rn 68). Somit kann auch im DBA-Recht ein Besteuerungszeitraum aufgeteilt werden. Dafür spricht auch die Ansicht des OECD-Musterkommentars, der besagt, dass für die Lösung einer Doppelansässigkeit die tatsächlichen Umstände eines Zeitraums maßgeblich sind, wobei dieser Zeitraum auch kürzer als ein ganzer Besteuerungszeitraum sein kann (s Art 4 Rn 10 OECD-MK).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36321 vom 24.01.2025