Dieser Inhalt ist frei verfügbar. Mit einem Abonnement der ÖStZ erhalten Sie die Zeitschrift in Print und vollen digitalen Zugriff im Web, am Smartphone und Tablet. Mehr erfahren…
Testen Sie
ALLE 13 Zeitschriftenportale
30 Tage lang kostenlos.
Der Zugriff endet nach 30 Tagen automatisch.
Abstract
Zu den abgabenrechtlichen Pflichten eines Geschäftsführers nach § 9 Abs 1 BAO gehören bestimmte Offenlegungs- und Wahrheitspflichten. Es besteht aber keine gesetzliche Verpflichtung, dass ein Abgabepflichtiger dem Finanzamt unaufgefordert Umstände mitteilen muss, die dieses gem § 45 Abs 4 EStG iVm § 24 Abs 3 Z 1 KStG zu einer Anhebung der Körperschaftsteuervorauszahlungen berechtigen würden. Ein Geschäftsführer einer GmbH begeht daher keine haftungsbegründende Pflichtverletzung iSd § 9 Abs 1 BAO, wenn er dem Finanzamt derartige Umstände nicht mitteilt.
BFG 24.3.2024, RV/7101025/2022
Sachverhalt
Der Beschwerdeführer war vom 5.9.2014 bis 26.3.2018 handelsrechtlicher Geschäftsführer der mit Erklärung vom 29.7.2014 errichteten A GmbH. Über das Vermögen der A GmbH wurde mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 15.1.2019 ein Konkursverfahren eröffnet und mit weiterem Beschluss vom 4.7.2019 mangels Kostendeckung aufgehoben. Im Jahr 2016 hatte die A GmbH lediglich die Mindestkörperschaftsteuer gem § 24 Abs 4 Z 3 KStG (€ 125,00 pro Kalendervierteljahr) zu entrichten. Mit Kaufvertrag vom 15.9.2016 veräußerte die A GmbH eine Liegenschaft um € 2.600.000,00 an die B GmbH. Der Kaufpreis war vereinbarungsgemäß binnen 14 Tagen nach Unterfertigung des Kaufvertrages durch alle Vertragsteile und Verbücherung einer Ranganmerkung der beabsichtigten Veräußerung, sowie Herausgabe der Rangordnung für ein auf der Liegenschaft einverleibtes Pfandrecht auf ein Treuhandkonto eines Rechtsanwaltes zu bezahlen. Diese Zahlung langte am 19.10.2016 auf dem Treuhandkonto und am 15.11.2016 auf dem Konto der A GmbH ein. Die aus diesem Liegenschaftsverkauf resultierenden Einkünfte der A GmbH führten zur nun gegenständlichen Nachforderung an Körperschaftsteuer iHv € 228.300,00, welche der A GmbH mit Bescheid des Finanzamtes vom 10.1.2018 vorgeschrieben wurde und im Zeitpunkt der Erlassung des beschwerdegegenständlichen Haftungsbescheides noch mit einem Betrag von € 227.785,00 aushaftete.
Entscheidung des BFG
Gemäß § 9 Abs 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Gemäß § 80 Abs 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen (darunter fallen etwa die Geschäftsführer von GmbH gem § 18 Abs 1 GmbHG) alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob der Vertreter seiner Verpflichtung zur Entrichtung der Abgabenverbindlichkeiten des Vertretenen nachkam, bestimmt sich danach, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären (VwGH 23.11.2004, 2001/15/0108; 25.11.2009, 2007/15/0277). Bei bescheidmäßig festzusetzenden Abgaben, wie zB der Körperschaftsteuer, ist deren erstmalige Festsetzung maßgeblich (VwGH 16.12.1986, 86/14/0077). Gem § 210 Abs 1 BAO wird die Körperschaftsteuer also mit Ablauf eines Monates nach Bekanntgabe des Abgabenbescheides fällig. Die mit Bescheid vom 1.10.2018 festgesetzte Körperschaftsteuer 2016 wurde daher mit Ablauf eines Monates nach Zustellung dieses Bescheides (wohl im November 2018) und damit zu einem Zeitpunkt fällig, zu dem der Beschwerdeführer nicht mehr Geschäftsführer der A GmbH war. Die Frage, ob die Körperschaftsteuer 2016 im November 2018 ganz oder teilweise zu begleichen gewesen wäre, stellt sich daher in Bezug auf den Beschwerdeführer nicht, sodass allfällige im Fälligkeitszeitpunkt begangene Pflichtverletzungen jedenfalls nicht dem Beschwerdeführer angelastet werden können.
In der Beschwerdevorentscheidung vom 15.7.2021 erkannte die belangte Behörde eine schuldhafte Verletzung der dem Beschwerdeführer auferlegten Pflichten darin, dass er es verabsäumt hätte, die Körperschaftsteuervorauszahlungen im Hinblick auf die absehbare hohe Nachzahlung noch im Laufe des Geschäftsjahres 2016 entsprechend anzupassen. Hierzu ist festzuhalten, dass gem § 24 Abs 3 Z 1 KStG für die Veranlagung und Entrichtung der Körperschaftsteuer die Vorschriften des EStG sinngemäß anzuwenden sind. Für die Körperschaftsteuervorauszahlungen ist daher § 45 EStG maßgeblich. Demnach handelt es sich bei den Vorauszahlungen um keine Selbstbemessungsabgaben, sondern diese sind bescheidmäßig festzusetzen (Brugger in Kofler/Lang/Rust/Schuch/Spies/Staringer, WU-KStG3 [2022] § 24 Rz 30, mwN). Eine Verpflichtung des Beschwerdeführers, von sich aus und ohne bescheidmäßige Festsetzung höhere Vorauszahlungsbeträge zu leisten, bestand daher nicht. Gem § 45 Abs 4 EStG 1988 kann das Finanzamt die Vorauszahlung der Steuer anpassen, die sich für das laufende Kalenderjahr voraussichtlich ergeben wird. Eine derartige Anpassung ist angebracht, wenn dem Finanzamt Umstände bekannt werden, die mit ausreichender Wahrscheinlichkeit eine relevant höhere oder niedrigere Abschlusszahlung erwarten lassen (VwGH 29.7.1997, 95/14/0117). Die Veräußerung einer Liegenschaft wäre im Hinblick auf die daraus resultierenden Einnahmen wohl ein solcher Umstand gewesen, der die belangte Behörde berechtigt hätte, höhere Körperschaftsteuervorauszahlungen festzusetzen. Allerdings normiert weder § 45 Abs 4 EStG noch eine sonstige Bestimmung eine Verpflichtung, dem Finanzamt ohne Aufforderung Umstände mitzuteilen, deren Kenntnis die Behörde zu einer Anpassung der Vorauszahlungen berechtigen würde (Peyerl in Jakom, EStG16 [2023] § 45 Rz 13, mwN). Werden daher derartige Umstände nicht unaufgefordert dem zuständigen Finanzamt mitgeteilt, verletzt dies keine abgabenrechtliche Anzeige- oder Wahrheitspflicht, sodass eine solche Unterlassung einer derartigen Mitteilung auch keine Geschäftsführerhaftung nach § 9 BAO zur Folge haben kann (UFS 8.3.2010, RV/2811-W/09). Eine Haftung des Beschwerdeführers für Abgabenverbindlichkeiten der A GmbH kann daher nicht darauf gestützt werden, dass er nicht die Erhöhung der Körperschaftsteuervorauszahlungen veranlasst habe.
Da der Beschwerdeführer somit nicht für die Körperschaftsteuer 2016 haftet, war der angefochtene Bescheid ersatzlos aufzuheben. Soweit ersichtlich, liegt zur Frage, ob ein Abgabenpflichtiger verpflichtet ist, dem Finanzamt unaufgefordert Umstände mitzuteilen, deren Kenntnis die Behörde gem § 45 Abs 4 EStG zu einer Anpassung der Vorauszahlungen berechtigen würde, keine Rsp des VwGH vor. Die Revision war daher zuzulassen.
Conclusio
Zu den abgabenrechtlichen Pflichten eines Geschäftsführers nach § 9 Abs 1 BAO gehören die Abgabenentrichtung, die zeitgerechte Einreichung von Abgabenerklärungen sowie Offenlegungs- und Wahrheitspflichten (Ritz/Koran, BAO7 [2021] § 9 Rz 12). Im konkreten Fall kann dem Geschäftsführer aber eine unterbliebene Körperschaftsteuerentrichtung nicht vorgehalten werden, da die Körperschaftsteuervorauszahlungen nicht durch das Finanzamt angepasst worden sind. Ebenso hat der Geschäftsführer nicht die zeitgerechte Einreichung von Abgabenerklärungen unterlassen, da es im konkreten Fall um die unterjährige Anpassung der Körperschaftsteuervorauszahlungen gegangen ist. Auch eine Wahrheitspflicht kann der Geschäftsführer nicht verletzt haben, da er gegenüber dem Finanzamt keine falsche Auskunft getätigt hat. Übrig bleibt daher nur die Frage, ob der Geschäftsführer gegen eine Offenlegungspflicht verstoßen hat. Es besteht aber gerade keine Verpflichtung dazu, dem Finanzamt Umstände mitzuteilen, die der Behörde die Möglichkeit eröffnen würde, die Körperschaftsteuervorauszahlungen anzupassen (Peyerl in Jakom, EStG16 [2023] § 45 Rz 13, mwN). Insofern ist der Entscheidung des BFG im konkreten Fall zuzustimmen. Es wurde auch, soweit ersichtlich, keine Revision eingebracht.