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DBA-Entlastungsverordnung: § 5 Abs 3
Abstract
Für Arbeitskräfteüberlassungen ins Inland sah § 5 Abs 3 DBA-Entlastungsverordnung eine Entlastung für das Gestellungsentgelt an der Quelle vor, wenn sichergestellt ist, dass das ausländische Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen oder der inländische Gestellungsnehmer für die überlassenen Arbeitskräfte die Pflichten des Arbeitgebers im Sinne des EStG wahrnimmt. Die DBA-Entlastungsverordnung steht aber nur im Rang einer Durchführungsverordnung und kann das innerstaatliche EStG nicht abändern. Besteht im Inland keine Betriebsstätte iSd § 81 EStG, ist eine Haftung gem § 82 EStG nach der DBA-Entlastungsverordnung daher nicht zulässig. Die DBA-Entlastungsverordnung ist deshalb so auszulegen, dass sie auf die Überwachung des freiwilligen Lohnsteuerabzugs durch ein Finanzamt abstellt, ohne den Arbeitskräfteüberlasser zur Haftungsübernahme zu verpflichten.
BFG 14. 1. 2025, RV/3100842/2018
Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin (Bf) ist eine britische Reiseveranstalterin in der Rechtsform einer Limited mit Sitz in London und hat im verfahrensgegenständlichen Zeitraum Pauschalreisen nach Österreich (Ö) überwiegend an britische Touristen verkauft. Die Bf hatte im verfahrensgegenständlichen Zeitraum weder eine Betriebsstätte iSd § 81 EStG noch ihre Geschäftsleitung im Inland. Die Tochtergesellschaft der Bf, die X GmbH mit Sitz im Inland, betrieb im verfahrensgegenständlichen Zeitraum ein Hotel sowie Chalets im Inland. Das in den Beherbergungsbetrieben der X GmbH eingesetzte Personal wurde von der Bf nach Ö entsandt und der X GmbH überlassen. Das Personal, das in Großbritannien ansässig war, war nur saisonal im Inland tätig, idR von Anfang Dezember bis Ende April (unter 183 Tage) und war nur beschränkt steuerpflichtig. Es kam zudem vor, dass die Arbeitnehmer nur wenige Wochen im Inland waren.
Strittig war, ob die Bf zur Haftung für die Lohnsteuer nach § 82 EStG herangezogen werden kann. Die Bf hatte die Lohnverrechnung für die nach Ö entsandten Arbeitnehmer nach Rz 927 LStR in der damals geltenden Fassung auf „freiwilliger Basis“ übernommen. Dieser Umstand wurde dem Finanzamt (FA) mit Schreiben der Bf vom 13. 1. 2015 mitgeteilt. Am 18. 12. 2014 und am 11. 1. 2016 beantragte die Bf beim FA gem § 5 Abs 3 DBA-Entlastungsverordnung eine Entlastung an der Quelle betreffend die Arbeitsgestellungsvergütungen. Am 12. 1. 2015 und am 13. 4. 2016 wurden Befreiungsbescheide iSd § 5 Abs 3 DBA-Entlastungsverordnung erlassen, verbunden mit der Auflage, für die überlassenen Arbeitskräfte die lohnsteuerlichen Pflichten des Arbeitgebers gegenüber dem FA wahrzunehmen. Ein expliziter Hinweis, dass mit den Befreiungsbescheiden eine Haftung nach § 82 EStG verbunden war, findet sich in den Bescheiden nicht. Das FA ging dennoch davon aus, dass sich eine Haftung unmittelbar aus § 82 EStG iVm § 5 Abs 3 DBA-Entlastungsverordnung ergäbe.
Entscheidung des BFG
Die Bf verfügte im verfahrensgegenständlichen Zeitraum über keine Betriebsstätte im Inland. Liegt keine Betriebsstätte vor, ist ein Lohnsteuerabzug nicht zulässig. Ein „freiwilliger Lohnsteuerabzug“ war nach der Verwaltungspraxis durchaus üblich (Rz 927 LStR), eine gesetzliche Rechtsgrundlage dafür gab es jedoch nicht. Eine solche wurde erst durch die Neufassung des § 47 Abs 1 EStG mit BGBl I 2019/91 und BGBl I 2021/3 gesetzlich geregelt. Ist ein Lohnsteuerabzug aufgrund des Fehlens einer inländischen Betriebsstätte nicht zulässig, kann auch keine Pflicht für den Arbeitgeber zur Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer sowie in weiterer Folge auch keine Haftung nach § 82 EStG bestehen.
Diese Erwägungen legen nahe, dass die DBA-Entlastungsverordnung Pflichten begründet, die über das gesetzlich festgelegte Maß hinausgehen. Dies könnte den Anschein erwecken, dass die Verordnung gesetzeswidrig ist. Bei genauer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass die Verordnung im Lichte einer verfassungsrechtlichen Auslegung nur als eine freiwillige Übernahme von Pflichten zu verstehen ist. Sie schafft keine zusätzlichen Pflichten, sondern bietet lediglich eine Option zur freiwilligen Anwendung, ohne in die gesetzlichen Bestimmungen einzugreifen. Aus dem Wortlaut der Verordnung lässt sich nicht ableiten, dass der Bf gesetzlich gar nicht bestehende Pflichten wahrzunehmen hat. Dies wird auch durch den Erlass des BMF vom 10. 3. 2006, BMF-010221/0101-IV/4/2006 deutlich, der ausführt, dass das ausländische Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen vorweg ein FA auszuwählen hat, das bereit ist, die lohnsteuerliche Überwachung zu übernehmen. Die Formulierung der Verordnung legt den Schwerpunkt auf die Überwachung durch ein FA, ohne dass der Arbeitskräfteüberlasser ausdrücklich dazu verpflichtet wird, die Pflichten direkt aufgrund des Wortlauts der Verordnung zu übernehmen.
Auch dem Argument des FA, dass aufgrund der rechtskräftigen Befreiungsbescheide die Bf verpflichtet gewesen sei, die lohnsteuerlichen Pflichten einschließlich der Haftung für die Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer wahrzunehmen, kann nicht überzeugen. Einerseits wird in den Bescheiden nicht ausdrücklich auf die Haftung nach § 82 EStG hingewiesen und andererseits bestand keine Pflicht, die Lohnsteuer einzubehalten und abzuführen. Ein Bescheid kann der Bf keine Pflichten auferlegen, die gesetzlich gar nicht bestehen. Außerdem wurde in den Bescheiden nur ausgeführt, dass die lohnsteuerlichen Pflichten gegenüber dem FA wahrzunehmen seien. Eine Haftung kann nicht als Pflicht verstanden werden, sondern vielmehr als die Konsequenz einer Pflichtverletzung. Die Bf kann also nicht zur Haftung für die Lohnsteuer herangezogen werden.
Da keine Rsp des VwGH zu der Frage besteht, ob eine Haftung nach § 82 EStG iVm § 5 Abs 3 DBA-Entlastungsverordnung idF BGBl II 2006/44 auch mangels Vorliegens einer inländischen Betriebsstätte iSd § 81 EStG zulässig ist, wurde die ordentliche Revision für zulässig erklärt. Es wurde auch Amtsrevision eingebracht.
Conclusio
Die DBA-Entlastungsverordnung kann als Durchführungsverordnung das innerstaatliche Einkommensteuerrecht nicht abändern. Insb kann sie keine Haftung nach § 82 EStG begründen, wenn keine Betriebsstätte im Inland besteht. Eine Betriebsstätte war gem § 47 Abs 1 EStG in der Rechtslage bis zum 22. 10. 2019 (Änderung durch BGBl I 2019/91 und BGBl I 2021/3) Voraussetzung für die Verpflichtung zum Lohnsteuerabzug. Auch nach der Lit kann für den Arbeitgeber ohne Verpflichtung zur Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer – etwa, weil dieser über keine Betriebsstätte im Inland verfügt – keine Haftung gem § 82 EStG bestehen (Kirchmayr/Schaunig in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn [Hrsg], Kommentar zum EStG [22. Lfg 2021] § 82 EStG Rz 1 f; Ebner in Kanduth-Kristen/Marschner/Peyerl/Ebner/Ehgartner [Hrsg], Jakom EStG17 [2024] § 82 EStG Rz 1).
In der derzeitigen Fassung von § 47 EStG wird die Möglichkeit des freiwilligen Lohnsteuerabzuges in § 47 Abs 1 lit b EStG explizit genannt, sodass der „freiwillige Lohnsteuerabzug“ inzwischen gesetzlich geregelt ist. § 47 Abs 1 lit b EStG nennt auch Pflichten, die der Arbeitgeber in diesem Fall wahrzunehmen hat. § 82 EStG (Haftung für die einzubehaltende Lohnsteuer) findet sich aber nicht in dem Verweis der Bestimmung.