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Abstract
Der Beschwerdeführer (Bf) war Geschäftsführer der nunmehr insolventen Primärschuldnerin und wurde von der Abgabenbehörde für zwei ausständige Umsatzsteuerzahlungen für November und Dezember 2012 im Zuge der Vertreterhaftung in Anspruch genommen. Die Schuld für November 2012 wurde zwar ursprünglich entrichtet, lebte jedoch wieder auf, nachdem sie durch den Masseverwalter erfolgreich nach § 31 IO angefochten wurde. Die Schuld für Dezember 2012 wurde hingegen nie entrichtet. Das BFG hatte das Vorliegen der Haftungsvoraussetzungen nach § 9 BAO zu prüfen. Für die Umsatzsteuerschuld für Dezember 2012 wurde die Vertreterhaftung bejaht. Für den ausständigen Betrag aus November 2012 kam das BFG wegen der erfolgreichen Anfechtung hingegen zum Ergebnis, dass aufgrund mangelnder Kausalität der Pflichtverletzung für den Abgabeausfall des Bf keine Haftung bestand.
BFG 21. 10. 2024, RV/7103666/2018
Sachverhalt
Der Beschwerdeführer (Bf) war vom 10. 6. 1999 bis zum 1. 5. 2014 Geschäftsführer (GF) der Primärschuldnerin. Die Primärschuldnerin befand sich seit Mai 2013 in Insolvenz. Die Umsatzsteuer (USt) für November und Dezember 2012 wurde am Fälligkeitstag (15. 1. 2013 und 15. 2. 2013; § 21 Abs 1 UStG) nicht entrichtet. Im Fälligkeitszeitpunkt hatte die Primärschuldnerin jedoch genügend liquide Mittel zur Schuldendeckung. Die Steuerschuld für November 2012 wurde zwar zu einem späteren Zeitpunkt noch vor Insolvenzeröffnung beglichen, jedoch wurde dieser Betrag durch eine Anfechtung im Insolvenzverfahren wieder an die Primärschuldnerin zurückbezahlt (§ 31 IO). Die USt-Last für Dezember 2012 wurde hingegen nie getilgt. Die Abgabenbehörde stellte dem Bf am 22. 8. 2014 einen Haftungsbescheid zu, in dem die beiden USt-Beträge im Wege der Vertreterhaftung gefordert wurden. Der Bf erhob gegen den Bescheid Beschwerde. Er führte aus, dass die USt vollständig beglichen worden sei, er als GF alle Pflichten eingehalten habe und ihn kein Verschulden treffe. Die Abgabenbehörde minderte im Zuge der Beschwerdevorentscheidung die aushaftende USt-Schuld für Dezember 2012, da die Quote der Schlussverteilung bereits ausbezahlt wurde. Daraufhin stellte der Bf einen Vorlageantrag. Mit 14. 10. 2017 wurde die Löschung der Primärschuldnerin im Firmenbuch eingetragen. Am 13. 8. 2018 wurde die Beschwerde dem BFG zur Entscheidung vorgelegt. Im Zuge der Beweiswürdigung kam das BFG zu dem Ergebnis, dass die gemäßigte USt-Schuld für Dezember 2012 nicht geleistet wurde und die Zahlungen für November 2012 durch Anfechtung rückerstattet wurden.
Entscheidung des BFG
Das BFG hat zu beurteilen, ob alle Haftungsvoraussetzungen für die Inanspruchnahme des Bf nach §§ 9, 80 ff BAO gegeben sind. Hierbei wird zunächst die Vertreterstellung bejaht, weil der Bf als GF der Primärschuldnerin als Vertreter nach § 80 Abs 1 BAO in Betracht kommt. Die Uneinbringlichkeit der Forderungen ergibt sich aus dem Umstand, dass das Konkursverfahren über die Primärschuldnerin im August 2017 nach Schlussverteilung aufgehoben und die Löschung der Gesellschaft am 14. 10. 2017 im Firmenbuch eingetragen wurde. Da die rechtliche Existenz der Primärschuldnerin mit der Löschung endete, sind die beiden ausständigen Forderungen uneinbringlich. Das BFG bejaht auch das Vorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung für beide USt-Beträge. Der GF hat demnach darzulegen, wieso es ohne sein Verschulden nicht möglich ist, den Abgabeforderungen zu entsprechen. Ein Verschulden würde zwar aufgrund mangelnder liquider Mittel bei der Primärschuldnerin im Fälligkeitszeitpunkt ausgeschlossen, dies ist lt Sachverhalt hier jedoch nicht zutreffend, weil genügend liquide Mittel vorhanden waren. Es gibt auch keine entgegenstehenden Überlegungen zur Gläubigergleichbehandlung, die ein Verschulden ausschließen würden. Aus diesen Erwägungen ergibt sich in beiden Fällen das Vorliegen eines schuldhaften Pflichtverstoßes. Im letzten Prüfschritt untersucht das BFG, ob der schuldhafte Pflichtverstoß des Bf für den Schadenseintritt auch kausal war und kommt hierbei für die beiden Forderungen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Für die USt-Schuld Dezember 2012 verweist das BFG auf eine Vermutung, wonach das Vorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung auch die Ursächlichkeit im Bezug auf die Uneinbringlichkeit indiziert. Mangels abweichender Anhaltspunkte, die diese Vermutung widerlegen, besteht der Anspruch somit zu Recht und die Beschwerde ist in diesem Punkt abzuweisen. Zur USt für November 2012 entscheidet das BFG anders: Selbst wenn die Zahlung im Fälligkeitszeitpunkt erfolgt wäre, wäre sie lt BFG dennoch einer Anfechtung nach § 31 IO unterlegen, da die Frist des Abs 2 leg cit von sechs Monaten vor Insolvenzeröffnung dennoch gewahrt wäre. Der Pflichtverstoß des Bf ist daher nicht für die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung kausal, da die Anfechtung und somit die Uneinbringlichkeit auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre. Mangels Kausalität besteht daher keine Vertreterhaftung für die USt von November 2012.
Conclusio
Die Anfechtung der Umsatzsteuerzahlung für November 2012 ist auf Basis des § 31 IO erfolgt. Welche Anfechtungsalternative tatsächlich einschlägig war, lässt sich aus der Entscheidung nicht entnehmen. Allen Anfechtungstatbeständen des § 31 IO ist jedoch gemein, dass der Anfechtungsgegner Kenntnis oder schuldhafte Unkenntnis der materiellen Insolvenz des Schuldners hatte (Rebernig in Konecny (Hrsg), Insolvenzgesetze § 31 IO Rz 9 [Stand 31. 7. 2021, www.rdb.at]). Das BFG geht anscheinend davon aus, dass die Uneinbringlichkeit nach § 9 Abs 1 BAO auch dann gegeben wäre, wenn die Zahlung im Fälligkeitszeitpunkt erfolgt wäre, da die Anfechtungsfrist nach § 31 Abs 2 IO auch in diesem früheren Zeitpunkt gewahrt wäre. Mit dieser Aussage geht das BFG daher davon aus, dass die Kenntnis oder schuldhafte Unkenntnis, die im Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung bestanden hat, auch schon im Zeitpunkt der Fälligkeit vorhanden war. Hatte die Abgabenbehörde nämlich im Fälligkeitszeitpunkt nicht zumindest schuldhafte Unkenntnis der materiellen Insolvenz, würde eine Anfechtung nach § 31 IO ausscheiden. In weiterer Folge wäre die Pflichtverletzung der verspäteten Abgabenzahlung des Bf daher kausal für die Uneinbringlichkeit, was zu seiner Haftung auch für die USt aus November 2012 führen würde. Der Entscheidung liegt daher eine nicht ausdrücklich behandelte Frage der Beweiswürdigung zugrunde, die den Bf von der Haftung befreit.