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BFG: Keine KESt bei Gewinnausschüttungen an einen Nichtgesellschafter

Bearbeiter: Dominic Krenn

EStG: § 27 Abs 2 Z 1 lit a, § 95 Abs 1 und Abs 4

Abstract

Das BFG hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob dem faktischen „Machthaber“ einer GmbH, dem womöglich verdeckte Gewinnausschüttungen zugeflossen sind, die KESt gem § 95 Abs 4 EStG vorgeschrieben werden kann. Die belangte Behörde schrieb dem Bf für mehrere Perioden KESt vor, weil die Gesellschaft als Abzugsverpflichtete vermögenslos gewesen sei, weshalb die Einbringlichkeit im Haftungswege nicht gegeben war. Das BFG kommt zum Schluss, dass eine der KESt unterliegende (verdeckte) Ausschüttung eine Vorteilszuwendung an eine Person mit Gesellschafterstellung voraussetzt. Mangels Gesellschafterstellung des Bf waren die beschwerdegegenständlichen Bescheide, in denen dem Bf die KESt vorgeschrieben wurde, aufzuheben. Eine ao Amtsrevision wurde bereits erhoben.

BFG 15. 2. 2024, RV/7102421/2020

Sachverhalt

Der Bf war mit Unterbrechungen als geringfügig beschäftigter Arbeiter bei der X-GmbH gemeldet. Im Rahmen einer Betriebsprüfung bei der X-GmbH wurde festgestellt, dass zahlreiche Eingangsrechnungen als Deckungsrechnungen für Schwarzarbeit zu qualifizieren seien. Die Beträge dieser Eingangsrechnungen wurden zu 50 % als fiktiver Lohneinsatz anerkannt. Die restlichen 50 % seien nach Ansicht der belangten Behörde als Mehrgewinn, der nicht im Betriebsvermögen Deckung findet, als verdeckte Ausschüttung zu qualifizieren. Da der im Firmenbuch eingetragene Geschäftsführer und Gesellschafter aussagte, dass die Geschäfte der X-GmbH tatsächlich vom Bf und dessen Bruder geführt wurden und er selbst lediglich Unterschriften leistete oder Bargeld von einem Geschäftskonto abgehoben und dem Bf ausgehändigt hatte, qualifizierte die belangte Behörde den Bf und seinen Bruder als faktische Gesellschafter. Vor diesem Hintergrund ging die belangte Behörde davon aus, dass die verdeckten Ausschüttungen dem Bf und seinem Bruder zugeflossen sind. Nachdem die X-GmbH vermögenslos und daher die KESt im Haftungswege bei dieser nicht einbringlich sei, wurde dem Bf als Empfänger für seinen Teil der verdeckten Ausschüttungen gem § 95 Abs 4 EStG für die Jahre 2009, 2010 und 2011 in Summe rund EUR 777.000 KESt vorgeschrieben. Dagegen erhob der Bf Beschwerde, in der die vorgeschriebene KESt der Höhe und dem Grunde nach bekämpft wurde. Gegen die abweisende Beschwerdevorentscheidung beantragte der Bf die Vorlage an das BFG.

Entscheidung des BFG

Im beschwerdegegenständlichen Fall ist strittig, ob dem Bf als womöglich faktischen Gesellschafter die aus verdeckten Ausschüttungen resultierende KESt vorgeschrieben werden kann. Das BFG stellte eingangs fest, dass die auf Einkünfte aus Kapitalvermögen anfallende KESt grundsätzlich gem § 93 Abs 1 EStG durch Steuerabzug durch den Schuldner der Kapitalerträge, also die X-GmbH (Abzugsverpflichtete) abzuziehen und an das Finanzamt abzuführen gewesen wäre. Gem § 95 Abs 1 EStG haftet die Abzugsverpflichtete dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der KESt. Ausnahmsweise ist jedoch dem Empfänger der Kapitalerträge die KESt nach § 95 Abs 4 EStG vorzuschreiben, wenn die Abzugsverpflichtete die KESt nicht vorschriftsmäßig gekürzt hat und die Haftung der Abzugsverpflichteten nicht oder nur erschwert durchsetzbar wäre oder der Empfänger weiß, dass die Abzugsverpflichtete die einbehaltene KESt nicht vorschriftsmäßig abgeführt hat und dies dem Finanzamt nicht unverzüglich mitteilt. Diese Systematik gilt sowohl bei offenen als auch verdeckten Gewinnausschüttungen (vgl VwGH 25. 1. 2006, 2002/13/0027).

Liegen Mehrgewinne einer Kapitalgesellschaft gegenüber den im Rechnungswesen ausgewiesenen Gewinnen vor, die im Betriebsvermögen der Gesellschaft keinen Niederschlag gefunden haben, ist idR davon auszugehen, dass diese Mehrgewinne den Gesellschaftern als verdeckte Gewinnausschüttungen zugeflossen sind (vgl VwGH 24. 3. 1998, 97/14/0118, VwGH 19. 9. 2007, 2003/13/0115). Einkünfte aus Kapitalvermögen, die der KESt unterliegen, liegen jedoch nur vor, wenn Zuwendungen der Gesellschaft einem Gesellschafter zufließen. Ein (rechtlicher oder tatsächlicher) „Machthaber“ kann hingegen nicht Empfänger von Einkünften aus Kapitalvermögen sein (vgl VwGH 28. 5. 1998, 96/15/0114, VwGH 14. 12. 2005, 2002/13/0022). Vielmehr ist beim bereicherten Nichtgesellschafter zu prüfen, ob und in welchem Rahmen eine Besteuerung auf Basis einer anderen Einkunftsart in Betracht kommt. Einkünfte aus Kapitalvermögen wären dann denkbar, wenn es sich beim Begünstigten um eine dem Gesellschafter nahestehende Person handelt. Allerdings werden derartige Einkünfte sodann dem Gesellschafter zugerechnet.

Damit kann dahingestellt bleiben, ob der Bf tatsächlich als „Machthaber“ der X-GmbH zu qualifizieren sei und tatsächlich laufende Bargeldbeträge aus dem Gesellschaftsvermögen erhalten hat. Mangels Gesellschafterstellung kann es auf Ebene des Bf nicht zum Entstehen von KESt kommen. Daher war der Beschwerde Folge zu geben und die angefochtenen Bescheide ersatzlos aufzuheben. Die Fragen, ob die verdeckten Ausschüttungen – sollten sie stattgefunden haben – dem Bf aufgrund seines geringfügigen Dienstverhältnisses zugeflossen sind oder ein Naheverhältnis zu dem im Firmenbuch eingetragenen Gesellschafter besteht, wären zwar denkbar, waren aber im gegenständlichen Fall nicht vom Beschwerdegegenstand erfasst. Eine ao Amtsrevision wurde bereits erhoben.

Conclusio

Mit dem gegenständlichen Erk folgt das BFG der Rsp des VwGH, wonach ein bloßer „Machthaber“ nicht Empfänger von (verdeckten) Ausschüttungen sein kann (vgl ua VwGH 28. 5. 1998, 96/15/0114; VwGH 7. 4. 2004, 99/13/0215,). Auch das Schrifttum folgt dieser Ansicht, wonach eine (offene oder verdeckte) Ausschüttung eine Vorteilszuwendung an eine Person mit Gesellschafterstellung voraussetzt (Marschner, Jakom EStG16 [2023] § 27 Rz 46). Da der Bf im beschwerdegegenständlichen Fall womöglich, sofern er die Geschäfte der Gesellschaft tatsächlich zusammen mit seinem Bruder geführt hat, als bloß faktischer „Machthaber“ zu qualifizieren wäre, käme eine Besteuerung nur auf Grundlage einer anderen Einkunftsart in Frage. Denkbar sind hier etwa Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, wenn ein Dienstverhältnis zur Gesellschaft besteht, aus selbständiger Arbeit oder aus Gewerbebetrieb. Für den Fall, dass ein Naheverhältnis zum eingetragenen Gesellschafter besteht, würden Einkünfte aus Kapitalvermögen vorliegen, wobei diese sodann nicht dem Bf, sondern dem Gesellschafter zuzurechnen wären (vgl zu all dem: VwGH 28. 5. 1998, 96/15/0114; VwGH 14. 12. 2005, 2002/13/0022).

Da sich das BFG im vorliegenden Fall nur mit den angefochtenen Bescheiden, in denen dem Bf gem § 95 Abs 4 EStG KESt vorgeschrieben wurde, zu befassen hatte, erscheint die Aufhebung der betreffenden Bescheide sachgerecht und im Einklang mit der höchstgerichtlichen Judikatur. Insbesondere weil die Änderungsbefugnis des BFG gem § 279 BAO durch die „Beschwerdesache“, also den Inhalt des Spruches der ersten Instanz begrenzt ist, hätte das BFG weder eine andere Abgabe als jene der angefochtenen Bescheide vorschreiben noch den Besteuerungsgegenstand auswechseln (zB Lohnsteuer anstatt KESt) auswechseln können. In Bezug auf die bereits erhobene ao Amtsrevision bleibt abzuwarten, wie der VwGH entscheidet und ob er die Revision überhaupt zulässt. Nachdem bereits höchstgerichtlich entschieden wurde, dass ein bloßer „Machthaber“ nicht Empfänger von (verdeckten) Gewinnausschüttungen sein kann und daher keine KESt entstehen kann, könnte wohl durchaus argumentiert werden, dass im gegenständlichen Fall keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35420 vom 13.05.2024