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BFG: Keine Verfahrenshilfe bei mangelnder Rechtsfrage

Bearbeiter: Stefanie Gombotz

BAO: § 292 Abs 1

Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG): § 8

Abstract

Das BFG widmete sich der Frage der Zuerkennung von Verfahrenshilfe für eine Bescheidbeschwerde betreffend erhöhte Familienbeihilfe. Nur insofern, als es sich bei den zu entscheidenden Rechtsfragen um Fragen mit besonderer Schwierigkeit rechtlicher Art handelt, ist die Zuerkennung von Verfahrenshilfe möglich. Bloße sachverhaltsbezogene Fragen erfüllen die Voraussetzungen nicht.

BFG 24. 4. 2023, VH/3100001/2023

Sachverhalt

Im August 2022 beantragte die Beschwerdeführerin für ihren Enkelsohn die Zuerkennung der erhöhten Familienbeihilfe ab seiner erreichten Volljährigkeit wegen dessen erheblicher Behinderung. Der Enkelsohn leidet unter „Autismus-Asperger-Syndrom“ und erfüllt daher gem § 2 Abs 1 lit c iVm § 8 Abs 4 und 5 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 die Voraussetzungen für die erhöhte Familienbeihilfe. Dazu zählen eine bis spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretene körperliche oder geistige Behinderung zu mindestens 50 %, die voraussichtlich dauernd zu einer Erwerbsunfähigkeit führt und die Person daher außerstande setzt, sich selbst Unterhalt zu verschaffen. Von Dauerhaftigkeit ist dann auszugehen, wenn die körperliche, geistige oder psychische Funktionsbeeinträchtigung voraussichtlich mehr als drei Jahre anhält. Gem § 8 Abs 6 FLAG ist der Grad der Behinderung sowie die dauernde Funktionsbeeinträchtigung durch eine Bescheinigung des Sozialministeriumservice auf Basis eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

Entscheidung des BFG

Gegen den von der Abgabenbehörde erlassenen Einkommensteuerbescheid, der die erhöhte Familienbeihilfe nicht zuerkannte, erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde beim BFG und beantragte zeitgleich mit dem gestellten Vorlageantrag auch Verfahrenshilfe für das Beschwerdeverfahren.

Im vorliegenden Fall führte das BFG einleitend aus, dass Verfahrenshilfe gem § 292 Abs 1 BAO auf Antrag einer Partei zuzuerkennen ist, „wenn zu entscheidende Rechtsfragen besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art aufweisen“. Damit soll sichergestellt werden, dass Verfahrenshilfe nur für überdurchschnittlich schwierige Rechtsfragen zugesprochen wird. Überdurchschnittlich schwierig ist eine Rechtsfrage insbesondere durch mangelnde ständige oder uneinheitliche Judikatur oder bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung (vgl BFG 12. 4. 2017, VH/7100002/2017). Außerdem ergibt sich eine besondere Schwierigkeit uU bei Unionsrechtsbezug (zB bei einem Umsatzsteuersachverhalt) oder im Falle grenzüberschreitender Sachverhalte (zB Warenverkehrsfreiheit etc). Die Entscheidung, ob erhöhte Familienbeihilfe für den Enkelsohn zusteht, richtet sich nach § 8 FLAG. Es kommt dabei insbesondere auf die in § 8 Abs 5 FLAG angeführten Voraussetzungen der erheblichen Behinderung und der dauernden Funktionsbeeinträchtigung an. Die Erfüllung dieser Voraussetzungen ist ausschließlich durch eine vom Sozialministeriumservice auszustellende Bescheinigung auf Basis eines Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Die Abgabenbehörde und das BFG sind an diese Gutachten gebunden (vgl VwGH 18. 11. 2008, 2007/15/0019). Daher handelt es sich im vorliegenden Fall um keine zu entscheidenden, allenfalls überdurchschnittlich schwierigen Rechtsfragen, sondern um Sachverhaltsdarstellungen. Es liegen keine strittigen Rechtsfragen vor. Wird dies – wie im vorliegenden Fall – verneint, so ist es ohne Belang, ob die weiteren Voraussetzungen des § 292 Abs 1 Z 1 und Z 2 BAO, also die Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts durch die Kosten des Verfahrens (Z 1) und die nicht offenbar mutwillige oder aussichtlose Rechtsverfolgung (Z 2), vorliegen. Das BFG wies folglich den Antrag mit Beschluss ab.

Conclusio

Bei einem Antrag auf Verfahrenshilfe nach § 292 Abs 1 BAO ist neben den von der Beschwerdepartei zu erfüllenden Voraussetzungen (kostenmäßige Unterhaltsbeeinträchtigung und nicht offenbar mutwillige oder aussichtlose Rechtsverfolgung) die Frage zu klären, ob es sich überhaupt um eine überdurchschnittlich schwierige Rechtsfrage handelt. Wird dies bereits verneint, ist die Erfüllung der Voraussetzungen des § 292 Abs 1 Z 1 und 2 BAO nicht mehr ausschlaggebend. Ob die wie vom BFG angeführte Einschränkung vor allem auf schwierige Rechtsfragen mit Unionsrechtsbezug bzw auf Rechtsfragen mit grenzüberschreitendem Sachverhalt angemessen ist, ist fraglich, da bereits die grundsätzliche Einschränkung auf besonders schwierige Rechtsfragen in der Literatur umstritten ist (zB Ritz/Koran, BAO7 [2021] mwN). Insbesondere bei Beachtung des Normzwecks der Verfahrenshilfe, sprich der Sicherstellung des Rechtsschutzes wirtschaftlich schwächerer Personen (VfGH 26. 6. 2020, G 302/2019), scheint eine sehr enge Auslegung des § 292 Abs 1 BAO bedenklich. Lt VfGH ist bei der Auslegung des § 292 Abs 1 BAO jedenfalls auf die subjektive Einschätzung des Rechtschutzsuchenden abzustellen und von einer objektiven Betrachtung der Rechtsfrage abzusehen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 34141 vom 13.06.2023