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Abstract
Das BFG hatte über eine Beschwerde gegen ein Erkenntnis des Spruchsenates beim Amt für Betrugsbekämpfung zu entscheiden. Fraglich war, ob der Prüfungsauftrag iSd § 99 Abs 2 FinStrG ausreichend präzisiert war, um vom Vorliegen einer Verfolgungshandlung iSd § 14 Abs 3 FinStrG und damit von noch nicht eingetretener Strafbarkeitsverjährung auszugehen. Nach Ansicht des BFG war der Prüfungsauftrag im vorliegenden Fall nur unzureichend präzisiert, weshalb der Beschwerde stattgegeben und das Verfahren wegen eingetretener Verjährung eingestellt wurde.
BFG 11. 9. 2023, RV/2300005/2023
Sachverhalt
Der Bf handelte mit Grundstücken. Weder im Jahr 2013 noch im Jahr 2014 wurde der Grundstückshandel in (jeweils verspätet eingereichten) ESt-Erklärung berücksichtigt. Das FA ordnete in der Folge eine Prüfung nach § 99 Abs 2 FinStrG an. Im Prüfungsauftrag vom 21. 10. 2020 wurden die Steuerarten sowie die von der Prüfung betroffenen Jahre angeführt. Zur bestehenden Verdachtslage wurde festgehalten: „Aufgrund [des] der Abgabenbehörde vorliegenden Kontrollmaterials über Grundstückankäufe und -verkäufe ab dem Jahr 2011 und des Umstandes, dass diese Immobiliengeschäfte in den Steuererklärungen des Verdächtigen nicht aufscheinen, besteht der Verdacht, dass der o.a. Steuerpflichtige die Entrichtung von Immobilienertragsteuer bzw. Einkommensteuer vermeiden wollte und somit die Verkürzung der Abgaben billigend in Kauf genommen hat.“ Die Verständigung über die Einleitung des Finanzstrafverfahrens gegen den Bf erging am 2. 3. 2022.
Mit Erkenntnis des Spruchsenates des Amtes für Betrugsbekämpfung wurde der Bf schuldig erkannt, für die Jahre 2013 und 2014 das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG begangen zu haben und eine Geldstrafe verhängt. In der dagegen erhobenen Beschwerde machte der Bf ua die bereits eingetretene Verjährung geltend.
Entscheidung des BFG
Das BFG gab der Beschwerde Folge und stellte das Verfahren wegen eingetretener Verfolgungsverjährung mit folgender Begründung ein:
Nach § 31 Abs 1 FinStrG erlischt die Strafbarkeit eines Finanzvergehens durch Verjährung. Die Verjährungsfrist beginnt, sobald die mit Strafe bedrohte Tätigkeit abgeschlossen ist oder das mit Strafe bedrohte Verhalten aufgehört hat. Gehört zum Tatbestand der Eintritt eines Erfolges, beginnt die Verjährungsfrist erst mit Erfolgseintritt zu laufen. Im vorliegenden Fall beträgt die Verfolgungsverjährungsfrist nach § 31 Abs 2 FinStrG fünf Jahre. Nach § 31 Abs 3 FinStrG kommt es jedoch nicht zum Eintritt der Verjährung, wenn der Täter während der Verjährungsfrist ein (weiteres) vorsätzliches Finanzvergehen begeht.
Nach § 33 Abs 3 lit a FinStrG ist eine Abgabenverkürzung bewirkt, wenn der Bescheid bekanntgegeben wird, mit dem die bescheidmäßig festzusetzende Abgabe zu niedrig festgesetzt wird (erste Fallvariante) oder mit Ablauf der gesetzlichen Erklärungsfrist, wenn keine Steuererklärung eingereicht wird und die Behörde die Abgabe daher nicht festsetzt (zweite Fallvariante).
Da die Behörde im vorliegenden Fall mit Ablauf der gesetzlichen Erklärungsfristen am 30. 6. 2014 und 30. 6. 2015 keine Kenntnis von der Entstehung der Abgabenansprüche hatte und zu diesem Zeitpunkt keine Erklärungen vorlagen, liegt die zweite Fallvariante des § 33 Abs 3 lit a FinStrG vor (Hinweis auf OGH 9. 5. 2018, 13 OS 40/18h, 13Os56/18m). Die Abgabenverkürzung ist daher bereits mit Ablauf der gesetzlichen Erklärungsfrist bewirkt.
Fraglich ist, ob der Prüfungsauftrag vom 21. 10. 2020 nach § 99 Abs 2 FinStrG eine Verfolgungshandlung iSd § 14 Abs 3 FinStrG darstellt. Ist diese Frage zu bejahen, so wäre ab diesem Zeitpunkt das Strafverfahren anhängig. Im Ergebnis wäre der Eintritt der Verjährung nach Maßgabe des § 31 Abs 4 lit b FinStrG gehemmt, da nach dieser Vorschrift die Zeit, während der wegen der Tat gegen den Täter ein Strafverfahren ua bei der Finanzstrafbehörde geführt wird, in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet wird.
Nach § 14 Abs 3 FinStrG gilt als Verfolgungshandlung jede nach außen erkennbare Amtshandlung eines Gerichtes, einer Staatsanwaltschaft, einer Finanzstrafbehörde, des BFG oder eines im § 89 Abs 2 FinStrG genannten Organs, die sich gegen eine bestimmte Person als eines Finanzvergehens Verdächtigen, Beschuldigten oder Angeklagten richtet. Dies gilt auch dann, wenn keine Zuständigkeit bestand, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder die Person, gegen die sie gerichtet war, davon keine Kenntnis erlangt hat. Nach der ständigen Rsp des VwGH gelten als derartige Verfolgungshandlungen solche Maßnahmen, die nach ihrer Art und Bedeutung die Absicht der Finanzstrafbehörde erkennen lassen, gegen eine bestimmte Person den wegen einer bestimmten Tat bestehenden konkreten Verdacht zu prüfen. Der Handlung muss zu entnehmen sein, welche Tat der betroffenen Person zur Last gelegt wird (Hinweis insb auf VwGH 28. 11. 2007, 2007/15/0165). Damit gehen, so das BFG, die Anforderungen der Judikatur weit über den Wortlaut des Gesetzes hinaus.
Im vorliegenden Fall ist der Prüfungsanordnung nach § 99 Abs 2 FinStrG nicht zu entnehmen, dass eine Verdachtslage gegen den Bf hinsichtlich konkret genannter Taten besteht. Es wäre für eine Verfolgungshandlung iSd § 14 Abs 3 FinStrG erforderlich gewesen, dass der Bf im Prüfungsauftrag genannt und ihm die Verkürzung der ESt 2013 und 2014 angelastet wird. Der Prüfungsauftrag nach § 99 Abs 2 FinStrG stellt sohin im vorliegenden Fall keine Verlängerungshandlung nach § 14 Abs 3 FinStrG dar. Das Strafverfahren war zu diesem Zeitpunkt daher noch nicht anhängig. Vielmehr wurde das Verfahren erst mit der Verständigung des Bf von der Einleitung des Finanzstrafverfahrens am 21. 3. 2022 anhängig gemacht. Da zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits Verjährung eingetreten war, war das Verfahren einzustellen. Die Revision erklärte das BFG für unzulässig und wies darauf hin, dass keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.
Conclusio
Wesentlich für die Entscheidung war die Frage, ob der Prüfungsauftrag iSd § 99 Abs 2 FinStrG als Verfolgungshandlung iSd § 14 Abs 3 FinStrG in Frage kommt. Dem Grunde nach können Prüfungen nach § 99 Abs 2 FinStrG Verfolgungshandlungen sein (siehe zB Leitner/Brandl/Kert, Handbuch Finanzstrafrecht4 [2017], Rz 979 [FN 1555]). Jedoch ist für das Vorliegen einer Verfolgungshandlung nach der Rsp erforderlich, dass sich die Verfolgungshandlung „auf alle einer Bestrafung zu Grunde zu legenden Sachverhaltselemente“ bezieht (siehe zB OGH 23. 2. 2006, 12 Os 91/05g). Nach Leitner/Brandl/Kert bedeutet das, dass das handelnde Organ sowohl Informationen über die hinterzogene Abgabenart, den Abgabenzeitraum und die konkret beschriebene Tathandlung besitzen muss (Leitner/Brandl/Kert, Handbuch Finanzstrafrecht4 [2017], Rz 979 mit Hinweis auf Schrottmeyer, Selbstanzeige nach § 29 FinStrG3 [2016] Rz 979).
Konkret verneinte das BFG das Vorliegen einer Verfolgungshandlung mit dem Hinweis, dass der Beschuldigte im Prüfungsauftrag zu nennen gewesen wäre und ihm die Verkürzung der Einkommensteuer 2013 und 2014 anzulasten gewesen wäre. Die im Prüfungsauftrag erwähnten An- und Verkäufe von Grundstücken und der damit zusammenhängend geäußerte Verdacht, der „o.a. Steuerpflichtige“ habe die Entrichtung von Immo-ESt oder ESt vermeiden wollen und so die Verkürzung der Abgaben billigend in Kauf genommen, erfüllte diese Voraussetzungen nach Ansicht des BFG demnach nicht.