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Abstract
Das BFG hatte zu entscheiden, ob Amtshandlungen im Rahmen einer Betriebsprüfung, die sich nicht unmittelbar auf die Prüfungsjahre beziehen, taugliche Verlängerungshandlungen gem § 209 BAO darstellen. Das BFG kam zum Ergebnis, dass die Amtshandlungen im konkreten Fall nicht auf die Geltendmachung des Abgabenanspruchs gerichtet waren und somit keine Verlängerung der Verjährungsfrist gem § 209 BAO bewirken können. Ferner belegt auch die Untätigkeit der Abgabenbehörde – die ausreichend Zeit für eine Prüfung des Abgabenanspruchs hatte – dass die Amtshandlung nicht auf die Geltendmachung des Abgabenanspruchs gerichtet war.
BFG 12. 9. 2024, RV/3100598/2021
Sachverhalt
Am 12. 6. 2015 wurde die Beschwerdeführerin (Bf) erstmalig zur Körperschaftsteuer (KöSt) 2013 bescheidmäßig veranlagt. Der KöSt 2013 lag ua die Veräußerung eines Kommanditanteils im Jahr 2012 zugrunde. Ab März 2019 wurde bei der Bf eine Betriebsprüfung (BP) betreffend KöSt 2015–2017 abgehalten. Im Zuge der BP stellte sich heraus, dass in die Prüfungsjahre fallende Betriebsausgaben iZm der Anteilsveräußerung im Jahr 2012 stehen. Diese (nachträglichen) Betriebsausgaben würden zu einer anderen Berechnung der KöSt 2013 und der Folgejahre führen. Zwischen Prüfer und Bf gab es daher mehrmals Korrespondenz über die Veräußerung im Jahr 2012. So wurde die Bf am 19. 8. 2020 schriftlich aufgefordert für die Berechnung der KöSt 2015 die „nachträglichen Betriebsausgaben aus der Veräußerung“ zu erläutern. Nach Abschluss der BP wurde am 24. 8. 2020 der gem § 295 BAO geänderte und beschwerdegegenständliche Bescheid zur KöSt 2013 erlassen. Hiergegen wendete die Bf in ihrer Beschwerde Verjährung ein. Unstrittig war, dass die erstmalige Festsetzung am 12. 6. 2015 eine taugliche Verlängerungshandlung iSd § 209 BAO darstellt und die fünfjährige Festsetzungsverjährung (§ 208 BAO) bis zum 31. 12. 2019 verlängerte. Strittig hingegen war, ob die Korrespondenz im Jahr 2019 die Frist (nochmals) auf den 31. 12. 2019 verlängerte und die Festsetzung am 24. 8. 2020 somit rechtzeitig erfolgte. Das FA hat die Beschwerde abgewiesen und führte das Argument ins Treffen, dass es während der BP mehrere Amtshandlungen gegeben habe, die geeignet waren, die strittige Verjährungsfrist „zu unterbrechen“. Die Veräußerung des Anteils im Jahr 2012 sei mehrmals ausdrücklich zur Diskussion gestanden und es wurde auch über die Auswirkungen auf die Mehr-Weniger-Rechnung der Folgejahre gesprochen. Dagegen wurde die Vorlage an das BFG beantragt.
Entscheidung des BFG
Das Recht eine Abgabe festzusetzen, unterliegt gem § 207 Abs 2 BAO grundsätzlich einer fünfjährigen Festsetzungsfrist. Werden innerhalb dieser Verjährungsfrist nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruchs unternommen, so verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr (§ 209 Abs 1 Satz 1 BAO). Die Verjährungsfrist verlängert sich um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist (§ 209 Abs 1 Satz 2 BAO). Insofern stellt der erstmalige KöSt-Bescheid 2013 die „erste“ Verlängerungshandlung iSd § 209 Abs 1 Satz 1 BAO dar. Es liegen aber keine weiteren Verlängerungshandlungen nach § 209 Abs 1 Satz 2 BAO vor, weil die schriftliche Korrespondenz während der Prüfung i) nicht auf die Geltendmachung der KöSt 2013 gerichtet war und ii) für eine taugliche Verlängerungshandlung ausreichend Zeit zur Verfügung gestanden wäre.
Zunächst umfasste der Prüfungsauftrag nur die Jahre 2015–2017. Die Aufforderung vom 19. 8. 2019 für das Jahr 2015 „nachträgliche Betriebsausgaben aus der Veräußerung“ der KG darzustellen ist keine auf die Geltendmachung des KöSt-Anspruchs 2013 gerichtete Amtshandlung. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Betriebsausgaben iZm der Veräußerung stehen. Vielmehr zeigt der Schriftverkehr, dass die Überprüfung der Betriebsausgaben auf die Jahre 2015–2017 ausgerichtet war. Konkrete Schritte zur Geltendmachung der KöSt 2013 liegen somit nicht vor.
Weiters würde einer Prüfungshandlung für ein bestimmtes Jahr auch ein Aktenstudium vorausgehen. Hätte der Prüfer den Abgabenanspruch für das Jahr 2013 konkret geprüft, wären ihm allenfalls vorhandene Unrichtigkeiten (früher) aufgefallen. Zur Umsetzung dieser Änderung wäre bis zum 31. 12. 2019 jedenfalls genug Zeit gewesen. Insb ist ausreichend Zeit zur Verfügung gestanden, den Prüfungsauftrag auf das Jahr 2013 zu erweitern und so der drohenden Verjährung entgegenzuwirken. Die Untätigkeit des Prüfers belegt, dass seine Prüfungsmaßnahme nicht auf die Geltendmachung des Abgabenanspruchs gerichtet war. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Verjährung aufzuheben. Die Revision wurde nicht zugelassen und – soweit ersichtlich – auch nicht erhoben.
Conclusio
Die Entscheidung steht grundsätzlich in Einklang mit dem derzeitigen Verständnis von § 209 BAO. Betont wird einmal mehr, dass eine Verlängerungshandlung (nur) dann vorliegt, wenn die Abgabenbehörde in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise eine Amtshandlung zur Geltendmachung des Abgabenanspruchs unternimmt (VwGH 8. 9. 2005, 2003/17/0235; 16. 5. 2011, 2010/17/0068; 4. 8. 2020, Ra 2020/16/0021). Die Korrespondenz im vorliegenden Fall zwischen Prüfer und Bf erfüllt dieses Kriterium jedenfalls nicht.
Angemerkt werden sollte aber, dass die Entscheidung – obwohl im Ergebnis richtig – in ihrer Begründung tw im Widerspruch zur Rsp des VwGH steht. Nach dem VwGH kommt es für eine wirksame Verlängerungshandlung nach § 209 BAO nämlich nicht darauf an, ob diese früher oder auf eine andere Weise vorgenommen hätte werden können (VwGH 20. 10. 2022, Ra 2022/16/0045; 7. 7. 2004, 2004/13/0080; 12. 8. 1994, 94/14/0055). Gerade darauf stützt sich aber tw die Begründung des BFG: Demnach „belegt die Untätigkeit des Prüfers, dass seine Prüfungsmaßnahmen nicht auf die Geltendmachung des Abgabenanspruchs“ gerichtet waren und wäre „bis zum Ablauf der Verjährungsfrist […] ausreichend Zeit zur Verfügung gestanden“. Mangels (außerordentlicher) Revisionserhebung ist eine Klärung durch den VwGH jedoch nicht zu erwarten (zur unterschiedlichen Auslegung des § 209 BAO von VwGH und BFG siehe auch Turpin/Jakeš, § 209 BAO – Verlängerungshandlungen im Lichte der aktuellen Rechtsprechung, VWT 2023, 212).