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*Ergebnis einer Umfrage unter 225 Steuerberater:innen und Rechtsanwält:innen (Mai 2024) durchgeführt von IPSOS im Auftrag von LexisNexis Österreich.
Abstract
Der Beschwerdeführerin (Bf) wurde ein Haftungsbescheid für nicht abgeführte Lohnsteuer zugestellt. Nachdem die Bf eine Beschwerde eingereicht hatte, die nicht dem Inhalt des § 250 BAO entsprach, trug ihr die Abgabenbehörde eine Mängelbehebung auf. Der Mängelbehebungsauftrag wurde an die Rechtsvertretung der Bf gerichtet und dieser zugestellt. Nach verstrichener Behebungsfrist wandte die Bf ein, dass der Auftrag nicht rechtskonform zugestellt wurde, da sie die Vertretungsvollmacht rechtzeitig widerrufen hätte. Der Mängelbehebungsauftrag hätte daher stattdessen der Bf selbst zugestellt werden müssen. Das BFG hatte zu entscheiden, ob der Mängelbehebungsauftrag rechtskonform zugestellt wurde. Es kam zu dem Ergebnis, dass die Kündigung der Vollmacht um knappe 22 Minuten zu spät erfolgte, weswegen die Erledigung rechtzeitig an die Rechtsvertretung zugestellt wurde.
BFG 28. 2. 2025, RV/7104266/2024
Sachverhalt
Die Bf war Arbeitgeberin und wurde am 28. 11. 2023 für ausständige Lohnsteuerschulden mittels Haftungsbescheids in Anspruch genommen. Hiergegen legte die Bf Beschwerde ein, begründete diese jedoch unschlüssig und zu kurz. Da in der Beschwerde wesentliche Bestandteile nach § 250 BAO fehlten, trug die Abgabenbehörde mit Auftrag vom 2. 2. 2024 eine Mängelbehebung nach § 85 Abs 2 BAO auf. Der Mängelbehebungsauftrag wurde der damaligen steuerlichen Vertretung der Bf am 8. 2. 2024 zugestellt. Mit Ende des 13. 3. 2024 verstrich die Behebungsfrist ungenutzt. Daraufhin erklärte die Abgabenbehörde mittels Beschwerdevorentscheidung am 31. 7. 2024, dass die Beschwerde nach § 85 Abs 2 BAO als zurückgezogen gelte. Laut Bf sei diese Rechtsfolge jedoch nicht eingetreten, da der Auftrag nicht korrekt zugestellt wurde. Die Vollmacht der steuerlichen Vertretung wurde am 28. 12. 2023 gekündigt. Dies wurde der Abgabenbehörde auch am 8. 2. 2024 mitgeteilt. Nach Vorlage an das BFG wurden daraufhin weitere Beweise eingeholt. Es konnte festgestellt werden, dass der Mängelbehebungsauftrag am 8. 2. 2024 um 10 Uhr 23 Minuten und 18 Sekunden zugestellt wurde. Die Zustellbevollmächtigung endete hingegen am 8. 2. 2024 um 10 Uhr 45 Minuten.
Entscheidung des BFG
Das BFG stellt zunächst fest, ob die Erteilung eines Mängelbehebungsauftrages zulässig war. Es erläutert, dass die Formerfordernisse in § 250 Abs 1 lit a–d BAO dazu dienen, der Abgabenbehörde Klarheit über die Beschwerde zu verschaffen. Die Abgabenbehörde soll erkennen können, gegen welche Punkte des Bescheides Rechtsmittel erhoben wird, aus welchen Gründen die behauptete Rechtswidrigkeit vorliegt und welche Änderungen begehrt werden. Die von der Bf eingebrachte Begründung „es fehlen im Bescheid Beweismittel und werden wir [sic] diese bis Ende März 2024 vorlegen“, erfüllt die Anforderungen des § 250 Abs 1 BAO hingegen nicht. Das BFG bejahte nach dieser Ausführung das Erfordernis eines Mängelbehebungsauftrags nach § 85 Abs 2 BAO.
Sodann behandelt das BFG die zustellrechtlichen Aspekte des Falls. Nach § 9 Abs 3 ZustG hat die Behörde den Zustellbevollmächtigten als Empfänger zu bezeichnen, wenn ein solcher bestellt wurde. Eine Zustellbevollmächtigung ist dann erneut unbeachtlich, sobald der Widerruf, die Kündigung oder die einvernehmliche Aufhebung der Behörde bekannt wird. Unstrittig ist, dass die Bf bis zum 8. 2. 2024 einen Zustellbevollmächtigten bekannt gegeben hatte. Die Abgabenbehörde musste daher an diesen zustellen (§ 9 Abs 3 ZustG). Da die Zustellung des Mängelbehebungsauftrags knappe 22 min vor der Mitteilung über den Widerruf der Zustellvollmacht erging, war die Zustellung an die steuerliche Vertretung der Bf zwar knapp, aber dennoch rechtskonform. Hierdurch wurde die Mängelbehebungsfrist in Kraft gesetzt, welche mit Ende des 13. 3. 2024 fruchtlos verstrich. Die Beschwerde gilt hiermit als ex lege zurückgezogen (§ 85 Abs 2 BAO). Da sich die Rechtsfolge des Erkenntnisses direkt aus § 85 Abs 2 BAO ergibt, lag laut Ausführungen des BFG keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vor.
Conclusio
Bemerkenswert ist, dass die Zustellung des Auftrags und die Mitteilung über den Widerruf zeitlich kurz nacheinander erfolgten. Das BFG hat trotz der knappen Abläufe im Sachverhalt jedoch richtig entschieden. Die Bestimmungen über die Zustellbevollmächtigung normieren eine prozessuale Risikotragung, die von der Behörde als auch der Partei beachtet werden muss. Ist ein Zustellbevollmächtigter bestellt und bekannt gegeben, sind Zustellungen nur an diesen zu richten. Das Risiko einer fehlerhaften Zustellung an die Partei selbst trägt die Behörde. Ebenso sind Fälle zu beurteilen, in denen die Behörde an einen ehemaligen Zustellbevollmächtigten zustellt, auch hier trägt die Behörde das Risiko der Nichtzustellung. Gleiches gilt jedoch auch in die andere Richtung. Zustellungen, die rechtskonform an den Zustellbevollmächtigten adressiert werden, im Innenverhältnis jedoch nicht der Partei selbst zugehen, bleiben dennoch wirksam. Das Risiko hierfür trägt die Partei, die sich ihren Zustellbevollmächtigten selbst ausgesucht hat. Diese Bestimmungen, die das Risiko verteilen, sind gerade dafür konzipiert, einen Trennstrich zu ziehen, ab dem das Risiko für zufälligen prozessualen Misserfolg übergeht. Dem BFG ist daher zuzustimmen, wenn es den Mängelbehebungsauftrag für rechtmäßig zugestellt erachtet, selbst wenn die Zustellung nur wenige Augenblicke vor Ende der Zustellbevollmächtigung erging. Das Risiko für die unterbliebene Weiterleitung im Innenverhältnis trägt die Bf. Eine gesonderte Frage ist hingegen, ob die Bf aufgrund der außergewöhnlich knappen Gegebenheiten und des Fehlers der steuerlichen Vertretung evtl einen Antrag auf Wiedereinsetzung geltend machen kann, da ein unvorhergesehenes Ereignis eingetreten ist (§ 308 Abs 1 BAO).