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BFG: Laufhausbetreiber kann umsatzsteuerlich Erbringer sexueller Dienstleistungen sein

Bearbeiter: Kilian Posch

UStG 1994: § 1 Abs 1 Z 1, § 4 Abs 1

Abstract

Im vorliegenden Fall war fraglich, ob einem Laufhausbetreiber die in seinem Etablissement erzielten Prostitutionsumsätze für Zwecke der Umsatzsteuer zurechenbar sind. Das BFG bejahte dies, sofern die Prostituierten in den Betrieb des Laufhausbetreibers eingebunden sind und dieser auch gegenüber Freiern als Anbieter in Erscheinung tritt. Das Judikat stellt – soweit erkenntlich – eine Abweichung von der bisherigen umsatzsteuerlichen Handhabung von Laufhäusern dar: Das BFG glich damit die Rsp zu Laufhäusern der hgRsp zu Bordellen (auch: Nachtclubs) an, die im Gegensatz zu Laufhäusern neben Stundenzimmern auch einen angeschlossenen Animierbereich (etwa eine Bar) betreiben. Die Revision wird zugelassen.

BFG 2. 7. 2024, RV/7100324/2015

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin (Bf) ist eine Personengesellschaft und Betreiberin eines Laufhauses, in dem wöchentlich wechselnde Damen Freiern sexuelle Dienstleistungen anbieten. Die Bf stellt den Prostituierten nicht nur Zimmer mit freier Einteilung zu Verfügung, sondern auch weitere Hilfsmittel für die Dienstverrichtung bereit, erledigt administrative und behördliche Aufgaben, beschäftigt eine Rezeption, trifft Sicherheitsvorkehrungen und schreibt den Prostituierten eine Kleidungsordnung sowie ein „gepflegtes“ Erscheinungsbild vor. Einen für Bordelle konstitutiven Animierbereich gibt es hingegen nicht. Zusätzlich betreibt die Bf eine Webseite, auf der sie mit der Qualität der Damen, Sicherheit und Diskretion für ihren Betrieb wirbt. Termine waren nur über die Bf zu vereinbaren. Das Entgelt wurde von den Freiern an die unmittelbare Leistungserbringerin gezahlt, die wiederum einen vereinbarten Anteil an die Bf weiterleitete. Die Bf sah diesen Anteil als Entgelt von den Prostituierten für die Zimmerüberlassung und die erbrachten Nebenleistungen an – das Entgelt der Freier für die sexuellen Dienstleistungen versteuerte sie hingegen nicht. Das Finanzamt erkannte jedoch einen einheitlichen Gewerbebetrieb der Bf, welche die sonstige Leistung an die Freier im eigenen Namen erbringe. Deshalb sei das Entgelt der Freier vollständig der Bf zuzurechnen. Gegen den daraufhin erlassenen Bescheid reichte die Bf Beschwerde ein.

Entscheidung des BFG

Das BFG hält fest, dass der Leistungsaustauch für Zwecke der Umsatzsteuer zwischen jenen Personen zu besteuern ist, die die Leistungen nach dem „do ut des“-Prinzip erbringen. Zu beurteilen ist dabei in einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise und nach den Gesamtumständen, wem der Leistungsempfänger aus seiner Perspektive das Entgelt erbringt, um die Leistung zu erhalten. Die zu versteuernde Leistung ist somit der Person zuzurechnen, die die Leistung nach außen erkennbar im eigenen Namen für die Gegenleistung erbringt.

Im nächsten Schritt schließt das BFG aus, dass die Bf den Prostituierten bloß Zimmer gegen Entgelt überlassen hat. Nach stRsp des EuGH liegt eine Vermietung von Grundstücken dann vor, wenn dem Mieter auf bestimmte Zeit gegen eine Vergütung durch ein im Wesentlichen passives Verhalten des Vermieters das Recht eingeräumt wird, ein Grundstück so in Besitz zu nehmen, als ob er dessen Eigentümer wäre, und jede andere Person von diesem Recht auszuschließen (vgl etwa EuGH 12. 6. 2003, Sinclair Collis Ltd., C-275/01, Rn 25). Da den Prostituierten das Zimmer nur bei Benützung verrechnet wurde, kann der von der Bf erhaltene Anteil allein deshalb schon kein Entgelt für eine auf bestimmte Dauer ausgerichtete Zimmerüberlassung sein. Zudem war den einzelnen Dienstleisterinnen kein Zimmer zugewiesen, das sie exklusiv nutzen konnten.

Damit bleibt die zentrale Frage zu klären, ob die Bf als Leistungserbringerin der Dienstleistungen den Freiern gegenüber aufgetreten ist, oder ob lediglich eine steuerpflichtige Leistung sui generis von der Bf an die Prostituierten vorliegt. In Bezug auf Bordelle hat der VwGH bereits mehrfach erkannt, dass nach der Kundenerwartung sämtliche im Bar- und Bordellbetrieb erbrachten Leistungen wirtschaftlich als Gesamtpaket dem Betreiber zuzurechnen sind. Dabei kommt es auch nicht darauf an, dass die Prostituierten das Inkasso im Auftrag des Leistenden übernehmen (vgl VwGH 20. 5. 2010, 2006/15/0290 mwN). In Bezug auf Laufhäuser ohne Bar oder Nachtklub kann die rechtliche Beurteilung laut VwGH jedoch anders ausfallen. Diese Aussage bezieht der VwGH auf eine Sachverhaltsdarstellung des UFS, der zufolge im Wesentlichen Umsätze aus der Nutzungsüberlassung von Wohnungen plus Nebenleistungen an Prostituierte vorlagen (vgl VwGH 31. 3. 2011, 2009/15/0199). Dies schließt laut BFG aber nicht aus, dass bei einer anderen Organisation des Laufhauses eine Dienstleistungserbringung vom Betreiber an die Freier anzunehmen ist. Eine solche einheitliche Leistung ist jedenfalls dann gegeben, wenn die Prostituierten in den Gewerbebetrieb derart eingegliedert sind, dass davon auszugehen ist, dass der Gewerbebetrieb der Hausbetreiber die Leistung erbracht hat, und der Hausbetreiber auch nach außen für die Freier erkennbar als Leistungserbringer aufgetreten ist. Aufgrund des oben geschilderten Sachverhalts – der aktiven Unterstützungsleistungen des Betreibers und der direkten Kontaktaufnahme mit den Freiern – ist hier nach dem Gesamtbild der Verhältnisse ein einheitlicher Gewerbebetrieb des Hausbetreibers zu erkennen, der die Leistungen gegenüber den Freiern mithilfe der in seinem Betrieb eingegliederten Prostituierten im eigenen Namen erbringt. Somit ist gem § 4 Abs 1 UStG das gesamte vom Freier erbrachte Entgelt bei der Bf umsatzsteuerpflichtig. Da eine VwGH-Rsp zur Zurechnung der Entgelte für sexuelle Dienstleistungen an die Betreiber eines Laufhauses ohne zusätzlichen Animierbereich bislang noch nicht existiert, wurde die Revision zugelassen.

Conclusio

Die Zurechnung der Entgelte für sexuelle Dienstleistungen an den Betreiber eines Laufhauses stellt in Ö einen Bruch mit der bisherigen Verwaltungspraxis dar, der wohlgemerkt durch die Finanzverwaltung selbst angestoßen wurde. In bisherigen Fällen war lediglich strittig, ob der Laufhausbetreiber eine grundsätzlich befreite Nutzungsüberlassung von Geschäftsräumen leistet, oder eine steuerpflichtige Leistung sui generis erbringt (vgl VwGH 27. 4. 2020, Ra 2020/15/0009). Nicht hinterfragt wurde die Annahme, dass der Betreiber an die Prostituierten leistet, welche wiederum mit den Freiern in einen entgeltlichen Leistungsaustausch treten (vgl auch Unterberger, Zurechnung der Prostitutionsumsätze bei einem Laufhaus an dessen Betreiber, BFGjournal 2024, 332 [332]). Das BFG hat nun jedoch erkannt, dass die differenzierte Behandlung von Bordellen und Laufhäusern ohne Animierbereich nicht kategorisch zu verstehen ist. Vielmehr ist nun die VwGH-Rsp zu Bordellen auch sinngemäß auf Laufhäuser anzuwenden, sofern die Einbindung der Prostituierten in den Betrieb, die aktive Tätigkeit des Betreibers und das Auftreten nach außen vergleichbar sind.

Diese Änderung der Rsp ist zu begrüßen, weil für das Vorliegen eines einheitlichen Betriebes die Existenz einer Bar oder eines barähnlichen Animierbereichs wohl nicht alleinige Bedeutung zukommen kann. Auf das Verständnis von sexuellen Diensten als höchstpersönliche Leistung kommt es dem VwGH offensichtlich auch nicht an – ansonsten könnte die Zurechnung an den Betreiber auch bei Bordellen nicht stattfinden. Die Ansicht des BFG findet auch schon seit Längerem in der Lit Zustimmung. So sei jeder nach außen gegenüber den Kunden auftretende Betrieb unabhängig von dessen Bezeichnung, Preisniveau, Inkassoabwicklung usw als rechtlicher Leistungserbringer anzusehen. Auch bei Etablissements ohne Barbetrieb sei daher die Kundenerwartung für die Bestimmung des Leistungserbringers maßgeblich, sofern keine bloße Zimmervermietung vorliegt (vgl Gassner, Sind Prostituierte Unternehmer oder Dienstnehmer? SWK 2014, 1016 [1020]; vgl auch Laudacher/Thallinger, Die Prostitution als entgeltliche Dienstleistung nach Verwaltungspraxis und Rechtsprechung, BFGjournal 2024, 126). Nach Rsp des BFH ist die Zurechnung der Umsätze ebenso davon abhängig, ob der Unternehmer nach den nach außen erkennbaren Gesamtumständen aufgrund von Organisationsleistungen selbst derjenige ist, der durch die Anwerbung von Prostituierten und deren Unterbringung das Haus betreibt. Unbeachtlich ist, dass die Prostitutionsleistung als höchstpersönliche Leistung angesehen wird (vgl BFH 27. 9. 2018, V R 9/17).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36199 vom 16.12.2024