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BFG: Nachversteuerung gem § 10 Abs 5 EStG bei Veräußerung eines Mitunternehmeranteils

Bearbeiter: Thomas Frenkenberger

EStG: § 10

Abstract

Das BFG hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Veräußerung eines Mitunternehmeranteils zu einer Nachversteuerung gem § 10 Abs 5 EStG führt, wenn das für den investitionsbedingten Gewinnfreibetrag relevante Sonderbetriebsvermögen zurückbehalten wird. Der Steuerpflichtige hatte mit Verweis auf eine in der Literatur vertretene Meinung kein Ausscheiden aus dem Betriebsvermögen angenommen, sodass auch die Behaltefrist von vier Jahren nicht verletzt worden sei. Das BFG ist dieser Ansicht entgegengetreten.

BFG 14. 9. 2023, RV/5100056/2023

Sachverhalt

Beschwerdeführerin (Bf) ist eine KG, deren ehemaliger Kommanditist (K1) in den Jahren 2017 bis 2020 Wohnbauanleihen erworben und im Sonderbetriebsvermögen gehalten hatte. Durch den Erwerb dieser Anleihen konnte der Kommanditist einen investitionsbedingten Gewinnfreibetrag iHv knapp 80.000 € geltend machen. Im Jahr 2021 veräußerte K1 seinen gesamten Anteil an der Bf, wobei die im Sonderbetriebsvermögen gehaltenen Wertpapiere im Vermögen von K1 verblieben. In der Einkünftefeststellungserklärung der Bf wurde angeführt, dass keine Nachversteuerung des Gewinnfreibetrags gem § 10 Abs 5 erfolgt, weil die Wertpapiere nach wie vor von derselben Person gehalten würden. Die Abgabenbehörde war anderer Ansicht und erhöhte den Veräußerungsgewinn im Einkünftefeststellungsbescheid der Bf um die Nachversteuerung des Gewinnfreibetrags. Nach dagegen erhobener Beschwerde und abweisender Beschwerdevorentscheidung wurde der Fall dem BFG zur Entscheidung vorgelegt.

Entscheidung des BFG

Das BFG hält zunächst fest, dass der Gewinnfreibetrag bei Mitunternehmerschaften nur von den Gesellschaftern in Anspruch genommen werden kann. Gem § 10 Abs 5 EStG ist der investitionsbedingte Gewinnfreibetrag gewinnerhöhend anzusetzen, wenn die Wirtschaftsgüter vor Ablauf der Frist von vier Jahren aus dem Betriebsvermögen ausscheiden. Wird – wie im vorliegenden Fall – der gesamte Mitunternehmeranteil entgeltlich übertragen und das Sonderbetriebsvermögen zurückbehalten, liegt hinsichtlich des Sonderbetriebsvermögens eine Entnahme ins Privatvermögen vor (Kauba in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21 [2020] § 23 EStG Rz 265/2; Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch [1993] § 23 EStG, Rz 37.6). Da die Wertpapiere aus dem Betriebsvermögen ausscheiden, muss nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 10 Abs 5 EStG eine Nachversteuerung erfolgen (Jakom/Kanduth-Kristen EStG16 [2023] § 10 Rz 29, Heinrich in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG23 [2022] § 10 EStG Rz 62/1 und 76; BFG 13. 1. 2020, RV/5100617/2018; BFG 14. 4. 2021, RV/2100178/2021).

In der Folge setzt sich das BFG noch mit der durch die Bf ins Spiel gebrachten abweichenden Literaturmeinung von Beiser auseinander (Beiser, Der Gewinnfreibetrag im Fall einer Betriebsveräußerung oder -aufgabe, SWK 2017, 498; Beiser, Betriebsvermögen ohne Betrieb – eine Veranlassung durch die Einkunftserzielung nach einer Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe, RdW 2020, 471). Der Behauptung, dass die Wertpapiere nach Veräußerung des Mitunternehmeranteils im „notwendigen nachträglichen Betriebsvermögen“ (Beiser, SWK 2017, 498 [499]) seien, fehlt es an einer gesetzlichen Deckung. Das Ziel des Gewinnfreibetrags liegt auch nicht darin, einen allgemeinen Ausgleich für die Tarifbegünstigung des § 67 EStG zu schaffen. Ein allgemeiner Ausgleich soll nur im Bereich des Grundfreibetrags erfolgen (Atzmüller, Nochmals: Der Gewinnfreibetrag im Fall einer Betriebsveräußerung oder -aufgabe, SWK 2017, 655; ErlRV 54 BlgNR 24. GP 12). Es ist auch nicht relevant, dass die Wertpapiere im wirtschaftlichen Eigentum derselben Person bleiben. Aus den Regelungen zur Ersatzbeschaffung in § 10 Abs 5 Z 2 und 3 EStG ergibt sich, dass es beim investitionsbedingten Gewinnfreibetrag um die Stärkung des Betriebskapitals geht, was aber bei einer Trennung von Anteilen und Wirtschaftsgütern durch die Veräußerung gerade nicht mehr vorliegt (Atzmüller, SWK 2017, 655 [656]). Auch die von Beiser (RdW 2020, 471) vorgebrachten Überlegungen zu § 32 Z 2 EStG (richtig wohl: § 32 Abs 1 Z 2 EStG) führten nicht zum Erfolg, weil nach hA bei einer Betriebsaufgabe nur jene Wirtschaftsgüter im Betriebsvermögen verbleiben, die einen engen Zusammenhang zum Betrieb aufweisen und nicht mehr eigenständig privat nutzbar sind. Da Wertpapiere privat nutzbar sind, ist keine Verknüpfung mit dem Betrieb mehr gegeben.

Das BFG weist daher die Beschwerde als unbegründet ab. Mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung war die ordentliche Revision zuzulassen, die in der Folge auch erhoben wurde.

Conclusio

Der investitionsbedingte Gewinnfreibetrag steht bei der Anschaffung von Wohnbauanleihen gem § 10 Abs 3 Z 2 EStG nur dann zu, wenn diese eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von mindestens vier Jahren haben. Scheiden die Anleihen vor Ablauf einer Behaltefrist von vier Jahren aus dem Betriebsvermögen aus, ist der investitionsbedingte Gewinnfreibetrag gem § 10 Abs 5 EStG nachzuversteuern. Dass ein solches Ausscheiden auch dann erfolgen kann, wenn die Anleihen bei derselben Person verbleiben, widerspricht – entgegen der Ansicht von Beiser (SWK 2017, 498 und RdW 2020, 471) – gerade nicht dem Telos der Norm. Beim Gewinnfreibetrag handelt es sich nicht (nur) um ein Äquivalent zur Jahressechstelbegünstigung gem § 67 EStG, sondern vielmehr um ein „hybrides Begünstigungsinstrument“ mit Elementen eines Investitionsfreibetrags (Atzmüller, SWK 2017, 655 [655 f]). Die Entscheidung des BFG war daher erwartbar, zumal sie der bisherigen Rsp des BFG entspricht (zur Veräußerung: BFG 14. 4. 2021, RV/2100178/2021; zur Betriebsaufgabe: BFG, 1. 2. 2021, RV/5100968/2018, BFG 13. 1. 2020, RV/5100617/2018). Da eine ordentliche Revision eingebracht wurde, bleibt aber eine Entscheidung des VwGH abzuwarten.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35093 vom 20.02.2024