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BFG: Nicht vorgenommener Regress stellt eine verdeckte Ausschüttung dar

Bearbeiter: Michael Gleiss

KStG: § 8 Abs 1

Abstract

Das BFG hatte über eine Beschwerde gegen einen KESt-Haftungsbescheid zu entscheiden. Fraglich war, ob die Nichtvornahme eines Regresses gegenüber dem Gesellschafter der Bf eine verdeckte Ausschüttung darstellt. Das BFG bejahte dies und lies die Revision zu.

BFG 8. 8. 2023, RV/1100419/2022

Sachverhalt

A ist Gesellschafter der 1 GmbH, die wiederum Gesellschafterin der 2A GmbH ist. A fungiert in beiden Gesellschaften als Geschäftsführer. Die Schwestergesellschaften der 2A GmbH sind die mittlerweile insolventen 2B GmbH und 2C GmbH. Die 2B GmbH und die 2C GmbH wurden von einem Kreditinstitut fremdfinanziert. Als Sicherheit für die Kredite übernahmen die 2A GmbH und die 1 GmbH sowie vice versa die 2B GmbH und die 2C GmbH Haftungen als Bürge und Zahler gegenüber dem Kreditinstitut.

Als der Kredit gegenüber der 2C GmbH zum dritten Mal aufgestockt werden sollte, wurden dem Kreditinstitut zusätzlich zu den bestehenden Sicherheiten verbücherte Sachhaftungen durch Liegenschaften eingeräumt, die sich im Eigentum des A befanden. Eine später im Beschwerdeverfahren vorgebrachte Subsidiarität der Sachhaftung konnte nicht nachgewiesen werden. Im Anschluss trat die Insolvenz der 2B GmbH und 2C GmbH ein, weshalb das Kreditinstitut die Haftung gegenüber der 2A GmbH geltend machte. Die 2A GmbH leistete in der Folge Zahlungen an das Kreditinstitut. Parallel dazu wurde ein Rechtsstreit mit dem Kreditinstitut geführt, der mit einem Vergleich endete. Darin wurde unter anderem die Umschuldung auf eine andere Bank vereinbart.

Nach erfolgter Umschuldung auf ein anderes Kreditinstitut kam es zur Tilgung der Schuld, wodurch unter anderem verbücherte Sachhaftung des A gelöscht wurde. A hat hinsichtlich des sich daraus ergebenden Regressanspruches gegenüber der 2A GmbH einen Verjährungsverzicht abgegeben. Zur Ausweisung einer Regressforderung in der Unternehmensbilanz ist es im Streitjahr jedoch nicht gekommen. Das Finanzamt wertete die Löschung der Sachhaftung als verdeckte Ausschüttung (vA) zugunsten des A und schrieb daher der 1 GmbH die KESt im Haftungswege vor. Über die von der 1 GmbH dagegen erhobene Beschwerde hatte infolge einer abweisenden Beschwerdevorentscheidung das BFG zu entscheiden.

Entscheidung des BFG

Das BFG gab der Beschwerde teilweise Folge und änderte den Bescheid mit folgender Begründung ab:

Anm: Der Spruch des Erkenntnisses enthält ua folgende Aussage: „Die Beschwerde [sic!] wird abgeändert“. Unter Punkt „3., Rechtliche Beurteilung“ findet sich sodann die Überschrift „3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung) [sic!]“. Aufgrund des Inhalts der Begründung ist mE jedoch davon auszugehen, dass der Beschwerde teilweise Folge gegeben und der Bescheid durch eine Neuberechnung abgeändert wurde.

Für die Ermittlung des Einkommens ist es ohne Bedeutung, ob das Einkommen im Wege einer offenen oder vA verteilt, entnommen oder in anderer Weise verwendet wird (§ 8 Abs 2 KStG). Das Gesetz enthält selbst keine Definition des Begriffs der vA. Anhand der Rsp lassen sich folgende objektive Tatbestandsmerkmale einer vA ableiten: 1) Außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung wird 2) einem Anteilseigner oder einer einem Anteilseigner nahestehenden Person 3) ein Vorteil gewährt, der 4) das Vermögen der Körperschaft mindert oder eine Vermögensmehrung verhindert und 5) dies durch die Anteilseignerschaft veranlasst ist (Hinweis ua auf Ressler/Rohm, in WU-KStG3 (2022), § 8 Rz 100 ff). Zudem muss eine auf Vorteilsgewährung gerichtete Willensentscheidung der Körperschaft zugrunde liegen (subjektives Tatbild).

Eine vA ist weiters auch dann anzunehmen, wenn eine Tochtergesellschaft dem Anteilseigner der Muttergesellschaft Vermögensvorteile zuwendet und die Veranlassung in der Gesellschafterstellung begründet ist. In derartigen Fällen liegen zwei vA vor: Von der Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft und von der Muttergesellschaft an den Gesellschafter (sog „durchgeleitete vA“).

Wurden für eine Forderung von mehreren Sicherungsgebern Sicherheiten bestellt, gilt – sofern keine andere Abrede getroffen wurde – das Prinzip der Gleichwertigkeit. Demnach hat jeder Sicherungsgeber einen Teil der Schuld zu tragen. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um eine persönliche Haftung oder eine solche mit dinglicher Wirkung handelt. Wird nun ein Sicherungsgeber in Anspruch genommen, kann er sich bei anderen Sicherungsgebern regressieren.

Im vorliegenden Fall wurde die 2A GmbH als Bürge und Zahler in Anspruch genommen und die Verbindlichkeiten in der Folge zur Gänze getilgt. Durch die Tilgung fiel die Sachhaftung der Liegenschaften des A aufgrund der Akzessorietät weg. Die 2A GmbH hat in Bezug auf die von ihr bezahlten Schulden als Bürge und Zahler jedenfalls einen Regressanspruch gegenüber dem A. Fremde Dritte hätten untereinander auf eine Regressierung nicht verzichtet. Da ein (aliquoter) Regress nicht stattgefunden hat, ist sowohl das objektive als auch das subjektive Tatbild im Sinne einer vA nach § 8 KStG erfüllt. Da im Zeitpunkt des Zufließens die KESt nicht abzogen wurde, war sie am Haftungswege vorzuschreiben.

In der Folge nahm das BFG eine Neuberechnung der KESt vor. Die Revision ließ das BFG zu, da „die oben entschiedene Rechtsfrage seitens des Verwaltungsgerichtshofes noch nicht geklärt wurde“.

Conclusio

Auf den ersten Blick ist nicht klar, welche Rechtsfrage das BFG vom VwGH als noch nicht geklärt erachtete. Das BFG verweist diesbezüglich nur auf „die oben entschiedene Rechtsfrage“. Die Beantwortung dieser Frage wird durch die teils recht knappen Subsumtionsvorgänge weiter gehindert. Dadurch ist die Nachvollziehbarkeit der vorliegenden Entscheidung und damit auch der Rechtsschutz freilich erschwert.

Abhilfe bei der Suche nach der ungeklärten Rechtsfrage scheint der Stammrechtssatz der Entscheidung zu bieten, dem ua zu entnehmen ist, dass der Verzicht auf einen Regress eine vA gem § 8 KStG darstellt (RV/1100419/2022-RS1). Im vorliegenden Fall hat die Umschuldung und Tilgung durch die 2A GmbH dazu geführt, dass die Liegenschaften des A nicht mehr der Sachhaftung unterlagen. Demnach wurde dem Anteilseigner A außerhalb einer gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung ein Vorteil gewährt, der zu einer Vermögensminderung der Körperschaft geführt hat. Da davon auszugehen ist, dass eine fremde dritte Gesellschaft eine derartige Tilgung ohne Regress bei anderen Haftenden nicht vorgenommen hätte, liegt auch das Kriterium der sozietären Veranlassung und somit alle objektiven Tatbestandsmerkmale einer vA vor (zur Diskussion, inwiefern im Rahmen des subjektiven Tatbilds überhaupt die Vorteilsgewährungsabsicht zu prüfen ist s etwa Ressler/Rohm, WU-KStG3 [2022] § 8 Rz 135).

Weiters ist anzumerken, dass die Rückgängigmachung einer vA durch Bilanzierung einer Rückzahlungsforderung lediglich bis zum Bilanzstichtag des Wirtschaftsjahres möglich ist, in dem die vA erfolgt ist (Ressler/Rohm, WU-KStG3 [2022] § 8 Rz 146 mit Hinweis auf VwGH 24. 3. 1998, 97/14/0118 und weiteren Nachweisen). Geht man somit davon aus, dass die Umschuldung und Tilgung durch die Körperschaft eine vA gegenüber dem Gesellschafter darstellen kann, so wird mit Ablauf des Wirtschaftsjahres, in dem ein Rückgängigmachen der vA durch Bilanzierung einer Rückzahlungsforderung nicht erfolgt, eine vA mit Gewissheit vorliegen. Demnach wäre die Rechtsfrage wohl auch anhand der bisherigen Rsp des VwGH zu lösen. Sollte die für zulässig erklärte Revision erhoben werden, darf die Entscheidung des VwGH mit Spannung erwartet werden!

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 34649 vom 20.10.2023