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Abstract
Im vorliegenden Erkenntnis hatte sich das BFG mit der Frage zu beschäftigen, ob Operationskosten in einer Privatklinik während der Corona-Pandemie als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig sind. Das BFG kam zu dem Ergebnis, dass keine triftigen medizinischen Gründe vorliegen würden, die die Zwangsläufigkeit einer OP in einer Privatklinik anstatt in einem öffentlichen Krankenhaus begründen würden.
BFG 30. 9. 2024, RV/7103207/2021
Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin (Bf) leidet an einer absoluten Spinalkanalstenose und machte in ihrer Arbeitnehmerveranlagung 2020 Krankheitskosten für eine Wirbelsäulen-OP als außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt geltend. Das Finanzamt (FA) forderte sie auf, die triftigen medizinischen Gründe für die OP anhand eines ärztlichen Attests zu bestätigen.
Im Rahmen der Beantwortung des Ergänzungsersuchens des FA durch die Bf legte sie zum einen eine Bestätigung eines Neurochirurgen vor, in der er die Wartezeit für die OP in einem öffentlichen Krankenhaus auf mind sechs Monate einordnete. Zum anderen legte sie eine Bestätigung eines Orthopäden vor, welcher die Dringlichkeit der OP bestätigte.
Das FA setzte im Einkommensteuerbescheid 2020 fest, dass die Kosten nicht berücksichtigt werden können, da keine Zwangsläufigkeit gem § 34 EStG vorliege. Dagegen erhob die Bf Beschwerde und brachte vor, dass die OP notwendig gewesen sei, da sie bei einem weiteren Zuwarten gehunfähig geworden wäre. Auch Aufwendungen, die nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden, können dem Stpfl zwangsläufig erwachsen, wenn sie aus medizinischen Gründen geboten seien.
Mit Beschwerdevorentscheidung wies das FA die Beschwerde als unbegründet ab. Hierfür wurde ausgeführt, dass triftige medizinische Gründe iSd § 34 EStG nur dann vorliegen würden, wenn ohne die mit den höheren Kosten verbundene medizinische Betreuung konkrete, ernsthafte gesundheitliche Schäden drohen. Bei einem solchen medizinischen Bedarf erfolgt die OP auch in einem öffentlichen Krankenhaus ohne Aufschub. Eine OP in einer Privatklinik habe die Bf aber nur wahrgenommen, um längere Wartezeiten zu verhindern.
Daraufhin legte die Bf fristgerecht einen Vorlageantrag vor.
Entscheidung des BFG
§ 34 Abs 1 EStG sieht vor, dass bei der Einkommensermittlung außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig sind, wenn diese außergewöhnlich sind, zwangsläufig erwachsen und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Stpfl wesentlich beeinträchtigen. Außergewöhnlich ist eine Belastung gem § 34 Abs 2 EStG dann, wenn sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Stpfl gleicher Verhältnisse erwächst.
Zwangsläufig sind Belastungen gem § 34 Abs 3 EStG dann, wenn sich der Stpfl diesen aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Hierbei sind immer die Umstände des Einzelfalls zu prüfen (s VwGH 21. 11. 2013, 2010/15/0130). Gründe für eine Zwangsläufigkeit können Krankheit, Pflege- oder Betreuungsbedürftigkeit des Stpfl selbst oder naher Angehöriger sein (s VwGH 1. 9. 2015, 2012/15/0117). Auch Kosten, die die gesetzliche Krankenversicherung nicht trägt, können zwangsläufig sein, wenn sie aus triftigen medizinischen Gründen geboten sind (VwGH 11. 2. 2016, 2013/13/0064; 27. 9. 2021, Ra 2020/15/0066). Nicht ausreichend sind allerdings Wünsche oder Befürchtungen des Stpfl, insb hinsichtlich einer Behandlung in Privatkrankenhäusern etc.
Im gegenständlichen Fall liegen Gründe vor, die eine medizinische Behandlung erforderlich machen. Die höheren Kosten durch die Behandlung in einer Privatklinik wären aber nur dann zwangsläufig, wenn die Behandlung in einem öffentlichen Krankenhaus zu gesundheitlichen Nachteilen, welche ohne die mit höheren Kosten verbundene medizinische Betreuung eintreten würden, geführt hätte. Da nicht festgestellt werden konnte, zu welchem Zeitpunkt die Bf einen OP-Termin im öffentlichen Krankenhaus erhalten hätte, kann auch nicht festgestellt werden, dass eine OP im öffentlichen Krankenhaus nicht hätte erfolgen können. Somit sind die geltend gemachten Kosten nicht als außergewöhnliche Belastungen iSd § 34 EStG zu qualifizieren.
Die Beschwerde wird daher als unbegründet abgewiesen. Eine ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Conclusio
Im vorliegenden Erk verneinte das BFG das Vorliegen der Zwangsläufigkeit einer OP in einer Privatklinik, da diese trotz längerer Wartezeiten auch in einem öffentlichen Krankenhaus möglich gewesen wäre. Somit liegen keine tatsächlichen Gründe vor, die die Abzugsfähigkeit der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen zulassen würden (s Peyerl in Kanduth-Kristen/Marschner/Peyerl/Ebner/Ehgartner (Hrsg), Jakom EStG17 [2024] § 34 Rz 41 ff).
Interessant ist diese Entscheidung vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie, welche besonders im „Anfangsjahr“ 2020 zu hohen Unsicherheiten und einer Art Ausnahmezustand im Gesundheitswesen geführt hat. In dieser Zeit wurden überwiegend planbare Operationen ohne unmittelbare Lebensbedrohung abgesagt (s Bialas/Schleppers/Auhuber, COVID-19: Auswirkungen des Lockdowns auf die operative Patientenversorgung in Deutschland im April 2020, Anästhesiologie & Intensivmedizin 2021, 62) und andere OPs, die weniger dringend waren, für teils lange Zeit verschoben. Trotz dieser Umstände bestätigte das BFG nun, dass eine Zwangsläufigkeit der Belastung trotzdem nicht gegeben war.