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*Ergebnis einer Umfrage unter 225 Steuerberater:innen und Rechtsanwält:innen (Mai 2024) durchgeführt von IPSOS im Auftrag von LexisNexis Österreich.
Abstract
Das BFG hatte über die Vermeidung einer doppelten steuerlichen Begünstigung von Sanierungsaufwendungen zu entscheiden, die sowohl beim Bf als auch bei dessen GmbH1 steuerwirksam waren. Trotz fehlender formeller Parteienidentität bejahte das BFG eine „faktische Identität“, da die steuerlichen Auswirkungen denselben Personenkreis betrafen, und bestätigte daher die Bescheidänderung gem § 295 Abs 3 BAO.
BFG 28. 3. 2025, RV/7104344/2017
Sachverhalt
Der Beschwerdeführer (Bf) war im Streitzeitraum 2011–2014 Alleingesellschafter und Alleingeschäftsführer der GmbH1. Ein im Eigentum des Bf stehendes Gebäude vermietete er an die GmbH1. Im Zuge einer Außenprüfung wurde festgestellt, dass umfangreiche Sanierungsarbeiten am Gebäude durchgeführt wurden. Der Gesamtwert belief sich dabei auf 243.176,61 €. Zunächst wurden die Arbeiten zur Gänze bei der GmbH1 als Instandhaltungsaufwand abgesetzt. Eine weitere Folge der Außenprüfung war, dass nun das behauptete Mietverhältnis zwischen der GmbH1 und dem Bf nicht als fremdüblich anzusehen war. Es gab auch keine schriftliche Vereinbarung, sondern nur ein nicht unterzeichnetes Gedächtnisprotokoll. Die von der GmbH1 getragenen Sanierungsaufwendungen wurden daraufhin bei ihr nicht zum Betriebsausgabenabzug zugelassen.
Bei der Einkommensteuerveranlagung des Bf für die Jahre 2010–2014 wurde hingegen der Sanierungsaufwand in Form von Zehntelabsetzungen bei seinen Vermietungseinkünften überschussmindernd angesetzt. Die GmbH1 erhob erfolgreich Rechtsmittel gegen die Feststellungen der Außenprüfung, und daraufhin wurde der Sanierungsaufwand bei der GmbH1 voll anerkannt; allerdings nicht als sofort abzugsfähiger Aufwand, sondern als Mieterinvestition, die über 17 Jahre verteilt werden muss.
Das erfolgreiche Rechtsmittel der GmbH1 hatte zur Folge, dass das Finanzamt (FA) die bereits abgeschlossenen Einkommensteuerbescheide des Bf für die Jahre 2011–2014 gem § 295 Abs 3 BAO abänderte. Ziel war die Neutralisierung der beim Bf berücksichtigten Zehntelabsetzungen, um eine „Doppelbegünstigung“ desselben Aufwands bei der GmbH1 und beim Bf zu vermeiden.
Gegen diese gem § 295 Abs 3 BAO abgeänderten Einkommensteuerbescheide des FA richteten sich die Beschwerden.
Entscheidung des BFG
§ 295 Abs 3 BAO erlaubt es, einen Bescheid zu ändern oder aufzuheben, unabhängig von dessen Rechtskraft, wenn der Spruch anders hätte lauten müssen oder der Bescheid nicht ergangen wäre, hätte zum Zeitpunkt seiner Erlassung ein anderer Bescheid bereits abgeändert, aufgehoben oder erlassen werden müssen. Im vorliegenden Fall wurde dies angewendet, um eine doppelte steuerliche Begünstigung der Sanierungsaufwendungen zu vermeiden, da diese sowohl beim Bf als auch später bei der GmbH1 steuerlich geltend gemacht wurden.
Das BFG stellte fest, dass formal keine Parteienidentität zwischen der GmbH1 und dem Bf besteht, allerdings bejahte es eine „faktische Identität“ oder „Interessenidentität“. Im gesamten Streitzeitraum war der Bf der Alleingesellschafter und Alleingeschäftsführer der GmbH1. Das BFG hob hervor, dass der Geschäftsführer/Gesellschafter als handelnde Person der GmbH1 und als natürliche Person im Einkommensteuerverfahren identisch ist. Daher hatte er faktisch in beiden Abgabenverfahren (Körperschaftsteuer und Einkommensteuer) eine Parteistellung.
Das BFG folgte dem Erk des VwGH vom 14. 5. 1991, 90/14/0149, das besagt, dass es für die Anwendung des § 295 Abs 3 BAO rechtserheblich ist, wenn die steuerlichen Auswirkungen „denselben Personenkreis“ treffen. Der VwGH hatte in diesem Fall die Anwendung des § 295 Abs 3 BAO aufgrund einer „besonderen Konstellation der Verwaltungsverfahren“ bejaht, obwohl es sich um zwei Personengesellschaften mit identischer Gesellschafterstruktur handelte. Das BFG erkannte diese „besondere Konstellation“ im vorliegenden Fall an, da der Bf der alleinige Machthaber, Eigentümer und gesetzliche Vertreter der GmbH1 war.
Zudem betonte es, dass die Rechtsgeschäfte zwischen dem Eigentümer der Liegenschaft (Bf) und der Mieterin (GmbH1) aufgrund identischer Personalsituation den Charakter von „In-Sich-Geschäften“ hatten und kein fremdüblicher Interessenausgleich bestand. Außerdem existierte nur ein undatiertes, nicht unterschriebenes „Gedächtnisprotokoll“ und keine schriftlichen Mietvereinbarungen.
Das BFG räumte ein, dass die herrschende Lit (mVa Lang/Gleiss, Die Korrektur abgeleiteter Bescheide im Abgabenverfahren, in Holoubek [Hrsg], Bindungswirkung zwischen Verfahren [2023] 341 ff; BMF 14. 10. 2011, BMF-010103/0146-VI/2011, Salzburger Steuerdialog 2011 – BAO) die Notwendigkeit einer Parteienidentität für § 295 Abs 3 BAO hervorhebt und die VwGH-Rsp kritisiert. Es stellte jedoch fest, dass das spätere Erk des VwGH vom 20. 10. 1992, 92/14/0026 kein konkretes oder vollständiges Abweichen vom Judikat des VwGH vom 14. 5. 1991, 90/14/0149 rechtfertigt und dass die Erwägungen des früheren VwGH-Erk auf den vorliegenden Fall anwendbar sind.
Das BFG wies die Beschwerden des Bf gegen die gem § 295 Abs 3 BAO abgeänderten Einkommensteuerbescheide ab.
Die Zulassung der ordentlichen Revision wurde damit gerechtfertigt, dass es sich bei der Rechtsfrage um eine von grundsätzlicher Bedeutung handelt. Besonders wurde betont, dass das zugrunde liegende VwGH-Erk 14. 5. 1991, 90/14/0149 zwei Personengesellschaften (OHG und KG) betraf, während es im aktuellen Fall um eine Kapitalgesellschaft und eine natürliche Person geht. Diese unterschiedliche Konstellation mache die Rechtsfrage klärungsbedürftig, insb ob die BFG-Entscheidung von der Rsp des VwGH abweicht oder letztere uneinheitlich ist.
Conclusio
Das BFG stützte seine Entscheidung auf eine weite Auslegung der „faktischen Parteienidentität“, um eine doppelte steuerliche Begünstigung von Sanierungsaufwendungen zu korrigieren. Diese wurden beim Bf als Instandsetzungen und bei seiner GmbH als Mieterinvestitionen steuerlich berücksichtigt. Trotz fehlender formeller Parteienidentität nahm das BFG wegen der Alleinstellung des Bf als Gesellschafter und Geschäftsführer eine Interessenidentität an. Es stützte sich dabei auf VwGH 14. 5. 1991, 90/14/0149, wonach entscheidend ist, ob „die steuerlichen Auswirkungen denselben Personenkreis treffen“. Diese Auslegung der „faktischen Parteienidentität“ ist kritisch zu hinterfragen, da die herrschende Lit und Praxis grds eine formelle Parteienidentität für die Anwendung des § 295 Abs 3 BAO voraussetzen. So betonen Ritz/Koran, § 295 Abs 3 BAO verlange, dass der grundlagenbescheidähnliche Bescheid an denselben Bescheidadressaten ergangen sein müsse wie der auf § 295 Abs 3 BAO gestützte Bescheid. Diese Ansicht wird durch Verweise auf VwGH-Entscheidungen (zB VwGH 20. 10. 1992, 92/14/0026), einschlägige Lit (vgl Tanzer/Unger in Rzeszut/Tanzer/Unger [Hrsg], BAO: Stoll Kommentar [2023] § 295 Rz 10; Nowotny, Verfahrensrechtliche Fragen der Zwischenbesteuerung von Privatstiftungen, SWI 2001, 434 [437]) sowie die Entscheidung des UFS 26. 9. 2007, RV/0172-L/06 gestützt. Auch Reiner (Reiner, Brauchen wir die Grundlagenbescheidähnlichkeit? RdW 1993, 90 [92]) kritisiert die „weite Auslegung“ des VwGH-Erk 14. 5. 1991, 90/14/0149.
Zusätzliche Relevanz gewinnt die Diskussion durch den BMF-Erl vom 14. 10. 2011, BMF-010103/0146-VI/2011, insb Beispielsfall 26, im Rahmen des Salzburger Steuerdialogs 2011. Dieser bezieht sich auf eine vergleichbare Fallkonstellation, bei der zwei verbundene Personengesellschaften (BD GmbH & Co KG und V GmbH & Co KG) jeweils aufgrund identischer Gesellschafterstruktur eine Investitionszuwachsprämie (IZP) geltend machten. Nachdem der UFS die IZP bei einer der Gesellschaften anerkannte, versuchte das FA sie bei der anderen zu widerrufen. Der BMF-Erl stellt jedoch ausdrücklich fest: „Die Parteienidentität für § 295 Abs 3 BAO ist eine unabdingbare Voraussetzung.“ Weiter heißt es dort: „Zusammenfassend ist festzuhalten, dass im gegenständlichen Beispielfall keine verfahrensrechtliche Handhabe zur Erzielung einer rechtsrichtigen Besteuerung mehr besteht.“ Diese Feststellung steht in klarem Widerspruch zur Entscheidung des BFG im vorliegenden Fall, das eine „faktische Identität“ als verfahrensrechtliche Grundlage anerkannt hat.
Zudem ist zu beachten, dass die vom BFG zitierte Entscheidung des VwGH 14. 5. 1991, 90/14/0149 zwei Personengesellschaften (OHG und KG) mit identischer Gesellschafterstruktur betraf, bei denen die steuerlichen Auswirkungen auf derselben Einkunftsebene eintraten. Im vorliegenden Fall besteht jedoch ein grundsätzlicher Unterschied: Es handelt sich um eine Kapitalgesellschaft (GmbH1), die als eigenständiges Steuersubjekt dem KStG unterliegt, und um eine natürliche Person (den Bf). Dieser Unterschied wird durch das Trennungsprinzip im Steuerrecht gestützt, wonach Kapitalgesellschaften als juristische Personen rechtlich und steuerlich von ihren Anteilseignern zu trennen und als eigenständige Rechtssubjekte zu behandeln sind. Auch in der Konstellation einer „Einmann-GmbH“, in der der Bf zugleich Alleingesellschafter und Alleingeschäftsführer ist, bleibt diese Trennung aufrecht. Zwar kann eine juristische Person nicht ohne eine natürliche Person handeln, dennoch sieht das Steuerrecht – in bewusster Entscheidung des Gesetzgebers – eine strikte Trennung der Rechtssubjekte vor. Infolgedessen können Körperschaftsteuerbescheide der GmbH1 keine grundlagenbescheidähnliche Wirkung für die Einkommensteuerbescheide des Bf entfalten.