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Abstract
Das BFG hatte über eine Beschwerde gegen einen Haftungsbescheid nach § 9 Abs 1 BAO iZm einem insolvenzrechtlichen Zahlungsplan zu entscheiden. Das BFG sprach aus, dass die Quote laut Zahlungsplan auch im Zuge einer Haftungsinanspruchnahme nach § 9 Abs 1 BAO zu berücksichtigen sei. Da der nach Anwendung der Quote verbleibende Haftungsbetrag so gering war und die Kosten für die Einhebung nicht decken würde, sei die Haftungsinanspruchnahme nicht zweckmäßig, weshalb der Haftungsbescheid aufgehoben wurde.
BFG 31. 10. 2022, RV/2100650/2022
Sachverhalt
Der Bf war Geschäftsführer der X-GmbH. Nachdem Abgaben bei der X-GmbH nicht eingebracht werden konnten, wurde der Bf mit Haftungsbescheid nach § 9 Abs 1 BAO zur Haftung von EUR 1.795,40 herangezogen. Die Zustellung des Haftungsbescheids erfolgte am 26. 9. 2019. Im Haftungsbescheid hatte das FA einen vom Bf abgeschlossenen insolvenzrechtlichen Zahlungsplan, der am 24. 9. 2019 in Rechtskraft erwachsen ist und eine Quote von 8 % für die Gläubiger vorsah, nicht berücksichtigt. Der Bf erhob Bescheidbeschwerde, die nach abweisender Beschwerdevorentscheidung dem BFG vorgelegt wurde.
Entscheidung des BFG
Das BFG gab der Beschwerde Folge und hob den Haftungsbescheid auf:
Die Haftung gem § 9 Abs 1 BAO ermöglicht eine Haftungsinanspruchnahme des Vertreters gem §§ 80 ff BAO, wenn die den vertretenen Abgabepflichtigen treffenden Abgaben nicht eingebracht werden können und dies auf eine schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten des Vertreters zurückzuführen ist. Die Inanspruchnahme zur Haftung ist eine Ermessensentscheidung (Hinweis auf VwGH 16. 10. 2014, Ro 2014/16/0066). Das BFG hat bei Ermessensentscheidungen volle Kognitionsbefugnis (Hinweis auf VwGH 2. 12. 2020, Ra 2020/13/0095). Ermessensentscheidungen sind nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.
Im vorliegenden Fall muss der insolvenzrechtliche Zahlungsplan des Bf, der mit 24. 9. 2019 rechtskräftig wurde, in Betracht genommen werden. Somit liegt eine Haftungsinanspruchnahme nach der insolvenzgerichtlichen Entschuldung des Bf vor, weshalb sich der Haftungsbetrag nach der höchstgerichtlichen Judikatur (Hinweis auf VwGH 23. 1. 1997, 95/15/0173; 29. 3. 2007, 2005/15/0116) nach der Insolvenzquote richten muss. Im vorliegenden Fall beträgt die Quote 8 %, weshalb das FA von den ursprünglichen EUR 1.795,40 lediglich EUR 143,63 erhalten würde. Wie das FA selbst vorbringt, wären noch weitere Ermittlungen notwendig, um hinsichtlich des Verschuldens des Bf zu überprüfen, ob noch Geldmittel vorhanden waren und aus welcher Vermögenssphäre die gegenständlichen Zahlungen stammten. Der so entstehende Kostenaufwand würde den Haftungsbetrag übersteigen, weshalb von einer möglichen Inanspruchnahme abzusehen ist.
Der Bescheid war sohin aufzuheben. Da die gegenständliche Rechtsfrage mit Hinweis auf höchstgerichtliche Rsp geklärt werden konnte, war die Revision nicht zuzulassen.
Conclusio
Das BFG konnte sich zur Lösung der Rechtsfrage, ob bei einer Haftungsinanspruchnahme nach § 9 BAO die Quote des insolvenzrechtlichen Zahlungsplans zu berücksichtigen ist, auf die Judikatur des VwGH stützen (VwGH 23. 1. 1997, 95/15/0173; 29. 3. 2007, 2005/15/0116). Die im Rahmen der Vertreterhaftung wesentliche „Gleichbehandlung“ aller Gläubiger ist somit nicht nur dann zu bedenken, wenn es um eine potentielle Pflichtverletzung des Vertreters geht, da andere Gläubiger besser als das FA behandelt wurden. Vielmehr spielt eine Gleichbehandlung aller Gläubiger auch dann eine Rolle und kann für den Vertreter gar vorteilhaft sein, wenn dieser mit einem Haftungsbescheid nach § 9 BAO konfrontiert ist, der Vertreter jedoch, so wie allen anderen Gläubigern gegenüber, nur verpflichtet ist, die Quote seiner insolvenzrechtlichen Entschuldung zu leisten.
Im vorliegenden Fall war die Einhebung der verbleibenden EUR 143,63 nicht zweckmäßig, da der dadurch entstehende Kostenaufwand unverhältnismäßig gewesen wäre. Wesentlich für die Frage der Zweckmäßigkeit einer Haftungsinanspruchnahme des Kostenaufwands ist somit der Ermittlungsaufwand, der noch notwendig wäre, um die Haftung geltend zu machen. Im Gegensatz zur Orientierung des Haftungsbetrags an der Insolvenzquote ist die Frage der Zweckmäßigkeit einer Haftungsinanspruchnahme nur im Einzelfall bedeutsam.