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Abstract
Dem BFG wurde ein von der Abgabenbehörde als Vorlageantrag gewertetes Schreiben zur Entscheidung vorgelegt. Inhaltlich beantragte der Abgabenpflichtige die Berücksichtigung des Alleinverdienerabsetzbetrages. Das als Vorlageantrag gedeutete Schreiben wurde mit der Überschrift „Wiederaufnahme des Verfahrens“ eingereicht. Im Schreiben begehrte der Rechtsmittelwerber das „Rechtsmittel der Beschwerde“, weiters erging eine „Bitte um erneute Bearbeitung“. Da in dem Schreiben kein Wunsch auf Vorlage geäußert wurde und ein Vorlageantrag wegen Verfristung aussichtslos gewesen wäre, kam das BFG zur Auffassung, dass kein Vorlageantrag gestellt wurde. Das BFG verfuhr daher nach § 281a BAO, leitete den Antrag an die Abgabenbehörde zurück und setzte die Parteien formlos darüber in Kenntnis.
BFG 4. 10. 2024, RV/5100657/2024
Sachverhalt
Die Abgabenbehörde erließ am 9. 2. 2024 den Einkommensteuerbescheid des Rechtsmittelwerbers (Rw) für das Jahr 2023. Am 16. 2. 2024 erhob dieser dagegen Beschwerde. Am 28. 3. 2024 erließ die Abgabenbehörde eine Beschwerdevorentscheidung, welche auch am gleichen Tag zuging. Der Rw brachte daraufhin am 17. 5. 2024 ein Schreiben ein, welches den unterstrichenen und fettgedruckten Titel „Wiederaufnahme des Verfahrens“ trug. Im Schreiben fand sich ua das Begehren: „Mit diesem Schreiben erhebe ich das Rechtsmittel der Beschwerde betreffend meinen Einkommenssteuerbescheid“. Weiters fand sich eine „Bitte um erneute Bearbeitung“. Die Abgabenbehörde wertete dieses Schreiben als Vorlageantrag und legte die Beschwerde mit 30. 9. 2024 dem BFG vor.
Entscheidung des BFG
Das BFG führt aus, dass seine inhaltliche Zuständigkeit nur dann gegeben ist, wenn die Abgabenbehörde zuvor mit Beschwerdevorentscheidung entschieden hat und dagegen ein Vorlageantrag erhoben wurde (vgl § 265 Abs 1 2. Fall BAO). Da eine Beschwerdevorentscheidung unstrittig vorliegt, gilt es zu beurteilen, ob das Schreiben des Rw als Vorlageantrag zu deuten ist. Hierzu führt das BFG aus, dass Parteierklärungen im Verwaltungsverfahren zunächst nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen sind. Es kommt demnach darauf an, wie eine Erklärung unter Berücksichtigung der Gesetzeslage, des Verfahrenszwecks und der vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss. Ist der Inhalt einer Erklärung nach dieser Auslegung undeutlich, ist für die weitere Auslegung auf die Absicht der erklärenden Partei abzustellen. Dies wird durch stRsp des VwGH ergänzt, wonach Anbringen einer Partei, die der Wahrung ihrer Rechte dienen, im Zweifel kein solcher Inhalt unterstellt werden soll, der die Rechtsverteidigung unmöglich macht. Hieraus ist auch abzuleiten, dass bei mehreren möglichen Verfahrensschritten nicht jener angenommen werden soll, der aufgrund von Fristversäumnis erfolglos wäre. In diesem Sinne legte das BFG die Erklärung des Rw aus. Zunächst stellte es hierbei fest, dass die Erklärung ihrem objektiven Erklärungswert nach undeutlich ist. Diese Undeutlichkeit ergibt sich aus den widersprechenden Begehren nach Wiederaufnahme, Bescheidbeschwerde und erneuter Bearbeitung. Das BFG stellte außerdem fest, dass dem Schreiben kein Wunsch auf Vorlage und keine Bezugnahme auf die Beschwerdevorentscheidung zu entnehmen ist. Weiters ist die Frist für einen Vorlageantrag bereits mit 29. 4. 2024 abgelaufen, was einen Vorlageantrag am 17. 5. 2024 in Folge der Fristversäumnis von vornherein aussichtslos machen würde. Unter diesen Gesichtspunkten kam das BFG zu der Entscheidung, dass die Erklärung nicht als Vorlageantrag ausgelegt werden kann, sondern ein Antrag auf inhaltliche Behandlung durch die Abgabenbehörde vorliegt. Mangels Vorlageantrages ist das BFG nicht zuständig und hat nach § 53 iVm § 2a und § 281a BAO zu verfahren, indem es die Beschwerde an die Abgabenbehörde zurückleitet und die Parteien formlos verständigt. Die Entscheidung des BFG ergeht damit als verfahrensleitender Beschluss, gegen den ein gesondertes Rechtsmittel nicht zulässig ist. Eine Revision ist daher ausgeschlossen. Die Entscheidung enthält jedoch einen Rechtsmittelhinweis, wonach den Parteien ein Fristsetzungsantrag offensteht, sollte das BFG fälschlicherweise davon ausgegangen sein, dass das Schreiben keinen Vorlageantrag darstellt.
Conclusio
Die Entscheidung lässt sich in zwei Themenkomplexe teilen: Zum einen werden Fragen der Auslegung von Parteierklärungen im Verwaltungsverfahren behandelt. Zum anderen kann man Rechtsschutzüberlegungen anstellen, die in der Entscheidungsform des verfahrensleitenden Beschlusses begründet sind. Die vom BFG genannten Auslegungsmethoden sind in der Rsp allgemein anerkannt (vgl VwGH 24. 6. 2009, 2007/15/0041; 24. 9. 2014, 2011/13/0082; BFG 29. 7. 2016, RV/7103010/2015; VwGH 28. 5. 2019, Ra 2018/15/0036; 18. 12. 2019, Ra 2019/15/0005; 9. 4. 2020). Es ist jedoch fraglich, ob die Erklärung korrekt ausgelegt wurde. Zwar ist bei mehreren verfahrensrechtlichen Maßnahmen jene anzunehmen, die keine Fristversäumnis zur Folge hat, jedoch ist im vorliegenden Fall unklar, ob überhaupt mehrere Maßnahmen zur Bekämpfung des Bescheides zur Verfügung stehen. Die Abgabenbehörde hat unstrittig eine Beschwerdevorentscheidung erlassen. Diese Entscheidungsform kann nur mittels Vorlageantrages bekämpft werden. Geht das BFG nun davon aus, dass kein Vorlageantrag, sondern ein zusätzlicher Antrag an die Abgabenbehörde gestellt wurde, unterstellt es selbst eine zum Scheitern verurteilte Maßnahme, da hierdurch kein Rechtsmittel gegen die Beschwerdevorentscheidung der Abgabenbehörde ergriffen wird.
Weiters entspricht es hg Rsp, dass verfahrensleitende Beschlüsse nicht gesondert bekämpft werden können (vgl VwGH 19. 6. 2018, Ko 2018/03/0002). Hieraus lässt sich auch ableiten, dass aufgrund der Entscheidungsform eine Revision ausgeschlossen ist. Die fehlende Möglichkeit der Revision wird jedoch dadurch relativiert, dass das BFG einen Hinweis auf die Möglichkeit eines Fristsetzungsantrages anführt (vgl VwGH 22. 11. 2017, Ra 2017/13/0010). Die Möglichkeit eines Fristsetzungsantrages unterscheidet sich jedoch auf inhaltlicher Ebene dadurch von einer Revision, dass bei letzterer die Entscheidung des BFG direkt untersucht wird, während in einem Fristsetzungsantrag lediglich über die Entscheidungspflicht des BFG abgesprochen wird. Die Entscheidung durch einen verfahrensleitenden Beschluss hat daher auch Folgen für den Prüfungsumfang in einem Verfahren vor dem VwGH.