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GebG: § 17 Abs 2, § 33 TP 5 Abs 1 Z 1, § 35 Abs 8
Abstract
Gem § 35 Abs 8 GebG waren Rechtsgeschäfte iZm der COVID-19-Krisensituation von den Rechtsgeschäftsgebühren befreit. Das BFG hatte sich in einer kürzlich ergangenen Entscheidung damit auseinanderzusetzen, ob ein Nachtrag zu einem Pachtvertrag, der eine COVID-19 bedingte Pachtzinsminderung sowie eine Vertragsverlängerung beinhaltet, unter diese Befreiungsbestimmung zu subsumieren ist.
BFG 1. 3. 2023, RV/6100335/2021
Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin (Bf) ist Pächterin von Ladenflächen eines Einkaufszentrums. Der Pachtvertrag wurde 2006 das erste Mal befristet abgeschlossen und anschließend mehrfach verlängert, zuletzt am 3. 9. 2020 um fünf Jahre bis zum 31. 8. 2026. Mit Nachtrag zum Pachtvertrag am 16. 12. 2020 vereinbarten die Bf und die Bestandgeberin, dass der monatliche Mindestpachtzins für die Monate März und April 2020 rückwirkend gesenkt wird. Im Gegenzug wurden die Bestimmungen des §§ 1104 f ABGB [Anm des Autors: Pachtzinsminderung wegen Seuche] einvernehmlich abbedungen und der Vertrag um ein weiteres Jahr bis zum 31. 8. 2027 verlängert. Die Parteien hielten fest, dass durch diesen Nachtrag zum Pachtvertrag die Liquidität der Pächterin gewahrt werden sollte und daher die Befreiungsbestimmung des § 35 Abs 8 GebG anwendbar sei, wonach Rechtsgeschäfte, die zur Durchführung der Maßnahmen iZm der Bewältigung der COVID-19-Krisensituation notwendig sind, von den Rechtsgeschäftsgebühren befreit sind. Die Abgabenbehörde setzte dennoch eine Gebühr gem § 33 TP 5 Abs 1 Z 1 GebG iHv 1 % des jährlichen Pachtzinses fest, wogegen die Bf Beschwerde erhob. Nach abweisender Beschwerdevorentscheidung und dagegen erhobenem Vorlageantrag landete die Rs vor dem BFG.
Entscheidung des BFG
Das BFG hält zunächst fest, dass der Nachtrag zum Pachtvertrag unzweifelhaft dem Grunde nach als selbstständiges Rechtsgeschäft gebührenpflichtig ist und durch die Verlängerung um ein Jahr der jährliche Pachtzins als Bemessungsgrundlage anzunehmen wäre. Strittig ist dem BFG zufolge nur, ob im vorliegenden Fall die Befreiungsbestimmung des § 35 Abs 8 GebG idF BGBl I 2020/23 anwendbar ist. Demnach sind Rechtsgeschäfte befreit, „die zur Durchführung der Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung der COVID-19-Krisensituation notwendig sind.“
Nach Ansicht der Abgabenbehörde sind unter Maßnahmen ausschließlich behördliche Maßnahmen zu verstehen, während nach Ansicht der Bf auch rechtsgeschäftliche Vereinbarungen zwischen Privatpersonen umfasst sind. Zur Auslegung des Maßnahmenbegriffs bedient sich das BFG der Gesetzesmaterialien, wonach unter Maßnahmen insb jene Maßnahmen zu verstehen seien, die in § 3 Abs 1 COVID-19-FondsG angeführt wurden (IA 397/A 27. GP 31; AB 112 BlgNR 27. GP 4). Ein Vergleich mit dem Maßnahmenbegriff in anderen Bestimmungen (§ 239a Abs 6 WTBG 2017 idF BGBl I 2021/139, § 75 Abs 3 BiBuG 2014 idF BGBl I 2021/138 und § 1 Abs 2 COVID-19-FondsG) zeigt, dass auch dort als Maßnahmen nur Maßnahmen iSd COVID-19-Maßnahmengesetzgebung und den darauf basierenden Verordnungen, sonstigen Rechtsakten und Ausführungsbestimmungen zu qualifizieren sind. Für die Befreiungsbestimmung des § 35 Abs 8 GebG kann daher nur dasselbe gelten. Das BFG tritt damit explizit den gegenteiligen Ansichten in der Literatur entgegen (Moser, COVID-19-Gesetze: Gebührenbefreiung für Schriften und Rechtsgeschäfte – Vermeidung von Gebührenfallen, taxlex 2020, 144 [145]; Pinetz/Wimpissinger, Zweifelsfragen zur Befreiung von den Rechtsgeschäftsgebühren im Zuge der COVID-19-Krise, GRAU 2020/21, 71 [72]).
Da der Vertrag nicht als Maßnahme zu qualifizieren ist, stellt sich in der Folge nur mehr die Frage, ob das Rechtsgeschäft zur Durchführung einer COVID-19-Maßnahme notwendig war. Da eine solche Notwendigkeit aus der Urkunde nicht zu entnehmen ist, muss die Bf die „Undeutlichkeit des Urkundeninhalts“ gegen sich gelten lassen (§ 17 Abs 2 GebG). Ein Gegenbeweis gegen die Annahme der Gebührenpflicht wurde von der Bf nicht einmal versucht zu erbringen, weswegen sich das BFG zu weiteren Ermittlungen in diese Richtung auch nicht verpflichtet sieht.
Das BFG wies die Beschwerde daher als unbegründet ab, ließ die ordentliche Revision allerdings mangels einschlägiger hgRsp allerdings zu. Da eine solche durch die Bf auch erhoben wurde, bleibt abzuwarten wie der VwGH entscheiden wird.
Conclusio
Die Entscheidung des BFG ist im Ergebnis überzeugend. Die Gesetzesmaterialien (IA 402/A 27. GP 32) bezeichnen zwar auch Bürgschaften explizit als Maßnahme iSd § 35 Abs 8 GebG idF BGBl I 2020/23, was die Literatur zum Anlass nimmt den Maßnahmenbegriff weiter zu fassen (Moser, taxlex 2020, 144 [145], Pinetz/Wimpissinger, GRAU 2020/21, 71 [72]). Systematische Gesichtspunkte sprechen allerdings dafür einen Nachtrag zu einem Bestandsvertrag nicht als Maßnahme iSd § 35 Abs 8 GebG zu verstehen. Entscheidendes Kriterium sollte daher sein, ob das Rechtsgeschäft für die Durchführung der COVID-19-Maßnahmen notwendig ist. Eine Pachtzinsminderung könnte dem Grunde nach der Bewältigung der COVID-19-Krise dienen und somit unter § 35 Abs 8 GebG fallen. Das die Gebühr auslösende Moment war im konkreten Fall allerdings die Verschiebung des Vertragsendes von 2026 auf 2027, die zwar aus Anlass der Mietzinsminderung erfolgt ist, aber wohl nicht als notwendig zur Durchführung von Maßnahmen iZm der Bewältigung der COVID-19-Krisensituation erachtet werden kann. Es bleibt abzuwarten, wie der VwGH diesen Fall entscheiden wird.