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BFG: Schätzung des Altlastenbeitrags bei dem konsenslosen Ablagern von Abfällen

Bearbeiter: Stefan Pregesbauer

BAO: § 184

Abstract

Das Altlastensanierungsgesetz (AlSAG) normiert bestimmte Aufzeichnungs- und Nachweispflichten (§ 8 AlSAG), die zur Erhebung des Altlastenbeitrages dienen (§ 9 AlSAG). Kommt ein Deponiebetreiber seiner in § 9 Abs 2 AlSAG normierten Verpflichtung zur Abgabe einer Abgabenerklärung nicht nach und verletzt er außerdem auch die Aufzeichnungs- und Nachweispflichten des § 8 AlSAG, ist die Abgabenbehörde ohne Zweifel berechtigt, die für die Abgabenerhebung relevanten Grundlagen im Wege der Schätzung gem § 184 BAO zu ermitteln. Die Schätzungsbefugnis erstreckt sich dabei neben dem Sachverhalt der Höhe nach auch auf den Sachverhalt dem Grunde nach. Die Schätzung muss jedoch plausibel sein und auf gesicherten Erkenntnissen beruhen.

BFG 9. 7. 2024, RV/7200058/2023

Sachverhalt

An einem Deponiestandort des Beschwerdeführers (Bf) erfolgten nach vollständiger Verfüllung einer wasserrechtlich genehmigten Mischdeponie ab dem Jahr 2006 unzulässige Ablagerungen. Für diese Ablagerungen lagen keine Bewilligungen durch die zuständige Behörde vor. Auch den Maßnahmenbescheiden zur Entfernung der unzulässigen Ablagerungen leistete der Bf nicht Folge. Für das Ablagern dieser Abfälle setzte die Abgabenbehörde den Altlastenbeitrag samt Säumniszuschlägen durch Schätzung gem § 184 BAO fest.

Entscheidung des BFG

Können die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermittelt werden, so sind sie gem § 184 BAO zu schätzen. Jede Schätzung ist mit einer gewissen Ungenauigkeit behaftet (VwGH 23. 4. 2014, Ro 2014/13/0022). Wer zur Schätzung Anlass gibt und bei der Ermittlung der materiellen Wahrheit nicht entsprechend mitwirkt, muss diese mit jeder Schätzung verbundene Ungenauigkeit hinnehmen (VwGH 8. 9. 2009, 2009/17/0119).

Die Berechtigung zur Schätzung besteht beispielweise dann, wenn der Abgabepflichtige seiner Verpflichtung zur Einreichung von Abgabenerklärungen nicht nachkommt (VwGH 25. 9. 2002, 2002/13/0128). Im Beschwerdefall steht unstrittig fest, dass der Bf seiner in § 9 Abs 2 AlSAG normierten Verpflichtung zur Einreichung einer Abgabeerklärung nicht entsprochen hat. Der Bf hat außerdem darüber hinaus die Aufzeichnungs- und Nachweispflichten des § 8 AlSAG verletzt und weder der Abgabenbehörde noch dem BFG fortlaufende Aufzeichnungen vorgelegt, in denen die Bemessungsgrundlagen für den Altlastenbeitrag zu erkennen sind. Auf Grund dieser Umstände ergibt sich die Berechtigung zur Schätzung gem § 184 BAO. Die Schätzungsbefugnis erstreckt sich nicht nur auf die Höhe der Besteuerungsgrundlage, sondern auch auf den Sachverhalt dem Grunde nach (VwGH 10. 11. 1995, 92/17/0177).

Der Bf behauptet, die Schätzung durch die Abgabenbehörde sei willkürlich erfolgt. Er stützt sich dabei vor allem auf den Einwand, dass er seit 2008 kein Material mehr zugeführt habe. Am 9. 11. 2005 wurde durch eine amtliche Vermessung festgellt, dass das angeschüttete Abfallvolumen auf dem gegenständlichen Areal ca 128.000 m³ über der Geländeoberkante lag. Am 23. 11. 2009 hat die Abgabenbehörde festgestellt, dass die oberirdischen Ablagerungen zu diesem Zeitpunkt ein Ausmaß von ca 210.000 m³ hatten. Die Abgabenbehörde erachtete es aufgrund ihrer Ermittlungsergebnisse als erwiesen, dass in den Jahren 2006 bis 2009 mindestens 82.000 m³ Material (Differenz zwischen 210.000 m³ und 128.000 m³) zugeführt wurde. Dabei ging die Abgabenbehörde davon aus, dass der Abfall gleichmäßig zwischen 2006 und 2009 zugeführt wurde, also über 16 Quartale. Doch aus einem Bescheid der NÖ Landesregierung ergibt sich, dass bereits am 12. 3. 2009 die oberirdischen Ablagerungen etwa 210 000 m³ betrugen. Es erscheint daher denkunmöglich, dass es nach diesem Tag zu weiteren Ablagerungen gekommen ist. Es ist daher im Zweifel davon auszugehen, dass sich die konsenslosen Ablagerungen ausschließlich in den 13 Quartalen zwischen Jänner 2006 und März 2009 zugetragen haben. Über diesen Zeitraum ist von einer gleichmäßigen Aufteilung der Ablagerungen auszugehen. Da die Abgabenansprüche für den Zeitraum zwischen Jänner 2006 und Dezember 2008 gelegenen 12 Quartale bereits verjährt sind, war nur die Abgabe für das 13. Quartal vorzuschreiben.

Conclusio

Nach § 184 BAO sind, „[s]oweit die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, [...] diese zu schätzen.“ Im konkreten Fall sind keine Aufzeichnungen über den genauen Zeitpunkt und die konkreten Mengen der jeweils abgelagerten Abfälle vorhanden. Die Abgabenbehörde durfte also eine Schätzung vornehmen. Die Schätzungsbefugnis erstreckt sich nicht nur auf die Höhe der Besteuerungsgrundlage, sondern auch auf den Sachverhalt dem Grunde nach (VwGH 10. 11. 1995, 92/17/0177). Die Befugnis der Abgabenbehörde nach § 184 BAO bezieht sich daher nicht nur auf die Frage, wie viel Abfall der Bf konsenslos abgelagert hat, sondern auch auf die Frage, ob der Bf überhaupt Abfall konsenslos abgelagert hat. Die Schätzung hat dabei unter der Zuhilfenahme mittelbarer Beweise zu erfolgen (VwGH 18. 12. 1997, 96/16/0143). Solche mittelbaren Bewiese hat die Abgabenbehörde auch aufgenommen, in dem sie etwa den Füllstand der Deponie am 23. 11. 2009 ermittelt hat. Das Ziel der Befugnis nach § 184 BAO muss es aber sein, den tatsächlichen Gegebenheiten – und damit den wahren Besteuerungsgrundlagen – möglichst nahe zu kommen (VwGH 2. 7. 2002, 2002/14/0003; 11. 6. 2021, Ro 2020/13/0005). Dieses Ziel hat die Schätzung der Abgabenbehörde aber verfehlt, wenn die NÖ Landesregierung bereits am 12. 3. 2009 festgestellt hat, dass die entsprechende Füllhöhe erreicht wurde. Dennoch ist jeder Schätzung bis zu einem gewissen Grad ungenau (VwGH 15. 5. 1997, 95/16/0144; 23. 4. 2014, Ro 2014/13/0022). So muss der Bf etwa gegen sich gelten lassen, dass Ablagerungen bis zum 12. 3. 2009 stattgefunden haben, auch wenn er behauptet, nach 2008 nichts mehr abgelagert zu haben. Weiters muss der Bf gegen sich gelten lassen, dass von der gleichmäßigen Aufteilung der Ablagerungen ausgegangen wird, auch wenn dies wohl nicht den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen wird.

Wegen der bestehenden Rsp des VwGH wurde die Revision durch das BFG nicht zugelassen. Soweit ersichtlich, wurde auch keine außerordentliche Revision eingebracht.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36279 vom 10.01.2025