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Abstract
Das BFG hatte im vorliegenden Erkenntnis ua über die strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige (§ 29 FinStrG) eines Händlers zu entscheiden, der sich durch das Verbringen unverzollter Waren aus einem Drittland ins Unionsgebiet dem Finanzvergehen des Schmuggels gem § 35 Abs 1 lit a erste Alternative FinStrG schuldig gemacht hat. § 29 Abs 2 FinStrG verlangt für die strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige, dass der Behörde die zur Feststellung der Verkürzung oder des Ausfalls der Abgaben bedeutsamen Umstände ohne Verzug offengelegt werden. Da das Zollamt die Verzollung der Waren auch nach der erstatteten Selbstanzeige erst nach umfangreichen Nachforschungen vornehmen konnte, erachtete das BFG diese Voraussetzung als nicht erfüllt, weshalb der Selbstanzeige keine strafbefreiende Wirkung zukam.
BFG 18. 10. 2022, RV/1300008/2015
Sachverhalt
Der Beschwerdeführer (Bf) verbrachte in den Jahren 2013 und 2014 insgesamt 468 Paar Schuhe im Gesamtwert von 15.922,20 € aus dem Drittland Schweiz ins Gemeinschaftsgebiet der EU (Österreich). Dabei hatte er vorschriftswidrig kein Zollverfahren in Anspruch genommen, wodurch Eingangsabgaben (Zoll und Einfuhrumsatzsteuer) iHv 4.611,89 € nicht entrichtet wurden. Nach der Information seines Steuerberaters darüber, dass die Schuhe rechtswidrig nicht verzollt worden waren, erstattete der Bf am 21. 5. 2014 beim Zollamt eine Selbstanzeige, in dem er die „versehentlich“ unverzollte Einfuhr hinsichtlich der Schuhe meldete. Am 20. 11. 2014 erließ das Zollamt hinsichtlich der Schuhlieferungen einen Bescheid, in welchem dem Bf die Eingangsabgaben iHv 4.611,89 € zzgl einer Abgabenerhöhung von 115,36 € vorgeschrieben wurden. In weiterer Folge erließ das Zollamt als Finanzstrafbehörde am 20. 1. 2015 eine Strafverfügung gem § 143 FinStrG, gegen die der Bf fristgerecht Einspruch einlegte. Die Strafverfügung trat somit aus dem Rechtsbestand. Zugleich beantragte der Bf die Fällung eines Erkenntnisses durch einen unabhängigen Spruchsenat. Der Spruchsenat bestätigte das Vorliegen des Finanzvergehens gem § 35 Abs 1 lit a erste Alternative FinStrG und verneinte die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige. Gegen diese Entscheidung erhob der Bf beim BFG fristgerecht Beschwerde.
Entscheidung des BFG
Die Selbstanzeige vom 21. 5. 2014 hatte folgenden Inhalt:
„Hiermit wird die versehentliche unverzollte Einfuhr der beiliegenden Lieferungen angezeigt. Der Transport wurde jeweils vom steuerlich Verantwortlichen selbst, Herrn ***Bf1*** mit der Steuernummer ***BF1StNr1***, wohnhaft in ***BF1-Adr2*** durchgeführt.
Wir ersuchen um die nachträgliche Zusendung der Verzollungsdokumente bzw. um Nachverzollung“.
Der Selbstanzeige wurden die entsprechenden Rechnungen über die Schuhlieferung beigelegt. Aus den Rechnungen waren Bezeichnung, Größe und Preis der Schuhe ersichtlich, jedoch nicht ihre Beschaffenheit oder das Material, welche eine korrekte Einreihung in den Zolltarif und damit eine (umgehende) Verzollung ohne Verzug ermöglicht hätten.
Straffreiheit durch Selbstanzeige tritt ua nur dann ein, wenn die zur Feststellung der Verkürzung bedeutsamen Umstände ohne Verzug offengelegt werden und der Verkürzungsbetrag ohne Verzug entrichtet wird (VwGH 28. 6. 2000, 97/13/0002). Die Selbstanzeigehandlung besteht demnach darin, dass der Anzeiger die für die Feststellung der Verkürzung oder des Ausfalls bedeutsamen Umstände offenlegt. Der Begriff „Offenlegen“ ist iSd § 119 BAO zu verstehen und bedeutet ein umfassendes Aufklären sowie rückhaltloses Offenbaren der abgabenrechtlich bedeutsamen Tatsachen, deren Kenntnis für eine der Wahrheit entsprechende Abgabenerhebung bedeutsam und erforderlich ist (Stoll, BAO II, 1354). Die Behörde muss durch wahrheitsgemäße Angaben und die vorgelegten Unterlagen in die Lage versetzt werden, die Abgaben ohne langwierige eigene Ermittlungen zum Sachverhalt so festzusetzen, als wären die für die Verzollung erforderlichen Unterlagen von vornherein ordnungsgemäß abgegeben worden (VwGH 5. 9. 1985, 85/16/0049).
Im gegenständlichen Fall war dem zuständigen Zollamt eine sofortige Abgabenberechnung nicht möglich. Mitarbeiter des Zollamtes hatten zunächst umfangreiche Nachforschungen über die Materialien und die prozentuelle Zusammensetzung der Komponente der Schuhe zu tätigen, um die korrekte Verzollung in einem zweiten Schritt vornehmen zu können. Somit wurden die Anforderungen an eine Offenlegung gem § 29 Abs 2 FinStrG nicht erfüllt und die Selbstanzeige konnte daher entgegen dem Beschwerdevorbringen keine strafbefreiende Wirkung entfalten.
Conclusio
Die vorliegende Entscheidung ist ein anschauliches Beispiel dafür, dass „gut gemeint“ nicht immer „gut gemacht“ ist. Die vom Bf eingebrachte Selbstanzeige mag zwar für seine Redlichkeit sprechen; für die strafbefreiende Wirkung ist dies aber nicht entscheidend. Vielmehr sind dafür die Kriterien des § 29 Abs 2 FinStrG relevant, dessen Zweck darin besteht, der Abgabenbehörde zu ermöglichen, dass sie einen verkürzten (Rückforderungs-)Anspruch rasch festsetzt. Muss die Behörde zunächst umfassende Ermittlungen tätigen, um die verkürzten Abgaben anschließend vorschreiben zu können, so wird dieser Zweck nicht erfüllt und der Täter des jeweiligen Finanzvergehens bleibt strafbar (vgl VwGH 24. 2. 2000, 97/15/0170; Lang/Hölzl in Tannert/Kotschnigg, FinStrG § 29 Rz 47 [Stand 1. 5. 2015, rdb.at]). Unglück kommt aber selten allein: Im Falle einer missglückten Selbstanzeige hat man nicht nur keine strafbefreiende Wirkung, sondern man macht die Behörde auch auf ein Vergehen aufmerksam, das ansonsten vielleicht nicht entdeckt worden wäre. Gerade im Hinblick auf Selbstanzeigen zahlt es sich also mehrfach aus, professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen.