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BFG: Steuerschuld kraft Rechnungslegung aufgrund von Scheinrechnungen

Bearbeiter: Maximilian Pfluger

UStG 1994: §§ 11, 12

MwStSyst-RL: Art 21

Abstract

Die Bf war eine Gesellschaft neben sieben weiteren KGs mit demselben Komplementär, zwischen denen Rechnungen ohne tatsächlichen Leistungsinhalt gegenseitig ausgestellt wurden. Trotz mehrfacher Aufforderung wurden keine Nachweise für tatsächlich geleistete Arbeiten geliefert. Das BFG hatte zu entscheiden, ob die Steuerschuld aufgrund dieser Scheinrechnungen entstanden ist. Darüber hinaus war zu klären, ob die nicht ausgeführten Leistungen einen Vorsteuerabzug begründen.

BFG 18. 3. 2025, RV/7103773/2022

Sachverhalt

Die Bf wurden neben sieben anderen KGs durch denselben Komplementär und denselben Kommanditisten gegründet. Die Tätigkeiten der KGs beschränkte sich nahezu ausschließlich auf Leistungsbeziehungen zwischen den Gesellschaften desselben Komplementärs. Die Gesellschaften verrechneten gegenseitig langfristige Leistungsbeschreibungen ohne tatsächliche Leistungen oder Bezahlung der Rechnungen. Zahlungen erfolgten, wenn überhaupt, bloß zur Deckung der jeweiligen Bankkonten.

Trotz mehrfacher Aufforderung, Dokumente vorzulegen, wurden keine Nachweise, die eine Durchführung der angeblichen Leistungen beweisen könnten, erbracht. Es fanden keine nachhaltigen unternehmerischen Tätigkeiten am Markt statt. Vielmehr diente die Tätigkeit durch wechselseitige Rechnungslegung innerhalb des Unternehmensgeflechts desselben Komplementärs, unrechtmäßige Vorsteuerbeträge zu lukrieren und die Umsatzsteuerlast bei bestimmten Gesellschaften zu senken.

Die faktische Zahlungsfähigkeit der KGs aufgrund des fehlenden Vermögens und der Ausgestaltung war dem Komplementär bekannt. Die Rechnungslegungen wurden sowohl eingangs- als auch ausgangsseitig nahezu ausschließlich durch ihn veranlasst. Es handelt sich um Scheinrechnungen ohne wirtschaftliche Grundlage.

Entscheidung des BFG

Nach ständiger VwGH-Judikatur ist für die Entstehung der Steuerschuld gem § 11 Abs 14 UStG ausreichend, dass eine Rechnung formal iSd § 11 UStG vollständig ist (mVa VwGH 25. 2. 2009, 2006/13/0128). Zweck dieser Bestimmung ist, einem unberechtigten Vorsteuerabzug vorzubeugen. Es ist ausreichend, dass die wesentlichen Merkmale der Rechnung gegeben sind und somit eine abstrakte Gefahr eines Vorsteuerabzuges besteht (mVa Mayr/Ungericht, UStG Umsatzsteuergesetz4 [2014] § 11 Anm 33).

Da eine Rechnung iSd § 11 Abs 14 UStG nicht die gleichen Voraussetzungen wie § 11 Abs 1 UStG hat, könnte eine unvollständige Scheinrechnung gar nicht für einen Vorsteuerabzug und somit auch nicht als Grundlage für einen Missbrauch verwendet werden (mVa Ruppe/Achatz, Umsatzsteuergesetz Kommentar6 [2024] § 11 Rz 147).

Der EuGH hat in der Rs Stadeco (mVa EuGH 18. 6. 2009, C-566/07, Stadeco) entschieden, dass gem Art 21 Abs 1 lit c MwStSyst-RL jede Person, die in einer Rechnung Umsatzsteuer ausweist, diese Steuer auch schuldet, auch wenn der zugrunde liegende Umsatz nicht steuerpflichtig ist. Sinn dieser Bestimmung ist, das Steueraufkommen zu schützen, weil ein unberechtigter Steuerausweis einen ungerechtfertigten Vorsteuerabzug beim Rechnungsempfänger auslösen könnte. Selbst wenn ein Vorsteuerabzug nur geltend gemacht werden kann, wenn er mit einem steuerpflichtigen Umsatz in Verbindung steht, besteht dennoch die Gefahr, dass der Rechnungsempfänger unrechtmäßig die Vorsteuer abzieht.

Das BFG geht daher von einer Gefährdungshaftung aus. Daraus folgt, dass bereits bei Vorliegen einer Rechnung die Gefahr eines unberechtigten Vorsteuerabzugs begründet wird und folglich eine Steuerschuld aufgrund Rechnungslegung entsteht.

Zum Vorsteuerabzug gem § 12 Abs 1 Z 1 lit a UStG führte das BFG aus, dass die in Rechnung gestellte Leistung weder geplant noch erbracht wurde und daher auch nicht als Grundlage eines Vorsteuerabzuges dienen könne. Das einzige Ziel der Rechnungen war die Geltendmachung eines unberechtigten Vorsteuerabzugs und die Verkürzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung.

Das BFG wies die Beschwerde als unbegründet ab. Eine Revision wurde nicht zugelassen.

Conclusio

Wenn auf einer Rechnung ein Umsatzsteuerbetrag ausgewiesen ist, wird dieser Betrag gem § 11 Abs 14 UStG geschuldet. Die Steuerschuld entsteht kraft Rechnungslegung unabhängig davon, ob ein vorwerfbares oder schuldhaftes Verhalten des Rechnungsausstellers vorliegt (Mayr in Ecker/Epply/Rößler/Schwab [Hrsg], Kommentar zur Mehrwertsteuer [2024] § 11 UStG Rz 239). Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist es grundsätzlich nicht möglich, die entstandene Steuerschuld durch nachträgliche Berichtigung oder Rücknahme der Rechnung zu beseitigen. Die Judikatur hat den Anwendungsbereich dieses Grundsatzes allerdings schrittweise eingegrenzt (Ruppe/Achatz, Umsatzsteuergesetz: Kommentar6 [2024] Rz 142).

Nach stRsp erkennt der EuGH eine Möglichkeit zur Rechnungsberichtigung an, wenn die Gefährdung des Steueraufkommens rechtzeitig beseitigt wurde (Ruppe/Achatz, Umsatzsteuergesetz: Kommentar6 Rz 142; mVa EuGH 13. 12. 1989, C-342/87, Genius Holding; 19. 9. 2000, C-454/98, Schmeink & Cofreth). Falls eine Gefährdung des Steueraufkommens noch besteht, ist es unionsrechtlich zulässig, dass die Berichtigung der Rechnung vom Nachweis des guten Glaubens abhängt (Ruppe/Achatz, Umsatzsteuergesetz: Kommentar6 Rz 142; mVa EuGH 18. 6. 2009, C-566/07, Stadeco).

Der VwGH erkennt eine unionsrechtskonforme Auslegung des § 11 Abs 14 UStG im Lichte der EuGH-Judikatur ausdrücklich an: Eine Rechnungsberichtigung ist nur dann ausgeschlossen, wenn eine Rückabwicklung – etwa aufgrund eines Vorsteuerabzugs – nicht mehr möglich ist und der Rechnungsaussteller nicht gutgläubig gehandelt hat (Ruppe/Achatz, Umsatzsteuergesetz: Kommentar6 Rz 142/1).

Im Ausgangssachverhalt war eine Rechnungsberichtigung nicht möglich, da aufgrund der unrechtmäßig geltend gemachten Vorsteuerabzüge eine Rückabwicklung nicht mehr möglich war und die Bf keine Unterlagen vorgelegt haben, aufgrund dessen das BFG ein gutgläubiges Handeln feststellen konnte.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36831 vom 12.06.2025