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Abstract
Das BFG hatte sich in dieser Entscheidung mit der Frage zu beschäftigen, ob das Bundesgesetz über den Energiekrisenbeitrag-Strom (EKBSG) verfassungsmäßig ist. Die beschwerdeführende Partei (Bf) verwies dafür auf diverse Argumente, die die vermeintliche Verfassungswidrigkeit des EKBSG begründen sollen, darunter bspw ein Verstoß gegen Art 7 B-VG und Art 17 GRC. Das BFG sah jedoch in keinem dieser Argumente die behauptete Verfassungswidrigkeit begründet. Nach Ansicht des BFG besteht daher auch kein Anlass, gem Art 89 Abs 2 B-VG einen entsprechenden Aufhebungsantrag an den VfGH zu stellen.
BFG 16. 4. 2024, RV/7100706/2024
Sachverhalt
Der Tätigkeitsbereich der Beschwerdeführerin (Bf) liegt im Bereich der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien, insb der Windenergie. Aufgrund dieser Tätigkeit unterliegt die Bf dem EKBSG. Die Bf berechnete für die Monate Dezember 2022 bis Juni 2023 den Energiekrisenbeitrag-Strom (EKB-S) selbst und hat diesen auch abgeführt. Die Selbstberechnung der Abgabe ist auch richtig. Mit Antrag vom 12. 10. 2023 hat die Bf die Festsetzung des EKB-S mit € 0,00 begehrt. Dieser Antrag wurde von der belangten Behörde mit Bescheid abgewiesen. In der dagegen erhobenen Beschwerde macht die Bf im Wesentlichen die Verfassungswidrigkeit des EKBSG geltend.
Entscheidung des BFG
Die Bf ist der Auffassung, dass die Abweisung ihres Antrags falsch sei. Nach Ansicht der belangten Behörde dürfe jedoch eine Festsetzung der Abgabe nur erfolgen, sofern trotz entsprechender Verpflichtung kein selbstberechneter Betrag bekannt gegeben wird oder die bekannt gegebene Selbstberechnung falsch ist.
Gem § 201 Abs 2 und 3 BAO kann (nach Maßgabe des Abs 2) und muss (nach Maßgabe des Abs 3) eine erstmalige Festsetzung der Abgabe erfolgen, wenn der Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet ist, keinen selbst berechneten Betrag der Abgabenbehörde bekannt gibt oder wenn sich die Selbstberechnung als nicht richtig erweist. Eine Festsetzung nach § 201 Abs 2 Z 3 BAO kann erfolgen, wenn kein selbstberechneter Betrag bekannt gegeben wird oder wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 303 BAO die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen würden. Die Bf argumentiert jedoch auf Seite 5 ihrer Beschwerde selbst, dass der von ihr selbstberechnete, bekannt gegebene und abgeführte Betrag der derzeitigen gesetzlichen Lage entspricht. Damit – so das BFG – erfolgte aber die Abweisung des Antrages auf Festsetzung des EKB-S mit € 0,00 zu Recht.
Die Bf ist jedoch vor allem der Ansicht, dass das EKBSG gegen Art 7 B-VG, Art 17 GRC und gegen das objektive Nettoprinzip verstoße. Dieses Gesetz stelle auf realisierte Erträge und nicht auf Gewinne ab, eine sachliche Rechtfertigung dafür sei nicht erkennbar. Das EKBSG – so das BFG – basiert auf der VO (EU) 2022/1854 (EU-Notfallmaßnahmen-VO). Das Abstellen auf Erträge (und nicht auf Gewinne) ergibt sich eindeutig aus Art 6 Abs 1 dieser VO. Die VO ist unmittelbar anwendbares Unionsrecht, das Anwendungsvorrang genießt, weshalb ein Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip ausscheidet. Das Abstellen auf Erträge ist auch sachlich gerechtfertigt, da die betroffenen Stromerzeuger – wie auch die Bf – von extremen (durch Krisensituationen hervorgerufenen) Preisanstiegen profitierten. Diesen Mehrerlösen sind auch keine höheren Grenzkosten gegenübergestanden. Dies ergibt sich auch deutlich aus ErwGr 45 der VO (EU) 2022/1854.
Die Bf argumentiert auch, die Obergrenze des EKBSG iHv € 140 (ab 1. 6. 2023: € 120) sei willkürlich. Art 6 Abs 1 VO (EU) 2022/1854 sieht – so das BFG – eine Obergrenze von € 180 je MWh erzeugter Elektrizität vor. Art 7 Abs 5 VO (EU) 2022/1854 erlaubt jedoch den MS eine Beschränkung auf 90 % der Obergrenze, wovon Österreich Gebrauch gemacht hat. Die von Österreich gewählte Obergrenze liegt aber dennoch unter dieser Grenze, weshalb die Umsätze der Erzeuger weitgehender beschränkt werden, als die VO (EU) 2022/1854 dies vorsieht. Allerdings erlaubt Art 8 Abs 1 lit a VO (EU) 2022/1854 eine weitere Begrenzung, sofern die Kriterien des Art 8 Abs 2 eingehalten werden. Dies ist nach Ansicht des BFG sowohl für die Obergrenze von € 140 als auch € 120 (ab 06/2023) zu bejahen. Diese Herabsetzung gilt für alle dem EKBSG unterliegenden Abgabepflichtigen, weshalb auch keine Diskriminierung ersichtlich ist.
Des Weiteren erblickt die Bf eine Ungleichbehandlung von Stromerzeugern und fossilen Energieträgern. Das Bundesgesetz über den Energiekrisenbeitrag-fossile Energieträger (EKBFG) knüpfe an den Gewinn (und nicht den Erlös) an und entspräche daher dem objektiven Nettoprinzip. Grundlage des EKBSG und des EKBFG ist – so das BFG – in beiden Fällen die VO (EU) 2022/1854. Die unterschiedliche Anknüpfung an Gewinne oder Erlöse sieht diese VO auch vor. Eine Verfassungswidrigkeit kann daher schon alleine wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts nicht erblickt werden.
Eine Ungleichbehandlung liege weiters zwischen Stromerzeugern und Fernwärmeversorgern vor. Dass Fernwärmeversorger Übergewinne erzielt hätten, hat die Bf unbelegt in den Raum gestellt. Es kann daher nicht festgestellt werden, dass der Gesetzgeber Stromhändler und Fernwärmeversorger gegenüber Stromerzeugern privilegiert hätte.
Die Bf macht auch einen vermeintlichen Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot geltend. Ziel des EKB-S sei es, die Preise für Verbraucher zu senken. Durch die Erlösabschöpfung werde dieses Ziel nicht erreicht, die Regelung sei daher zur Zielerreichung ungeeignet. Durch die Notfallmaßnahmen sollten gemäß ErwGr 72 gerade die Auswirkungen der hohen Energiepreise abgemildert werden. Die Sachlichkeit der Regelungen des EKBSG kann daher mit dieser Begründung nicht in Zweifel gezogen werden.
Die Bf moniert weiters, der EKB-S sei rückwirkend anzuwenden gewesen, weshalb aus diesem Grund eine Verfassungswidrigkeit vorliege. Nach Ansicht des BFG liegt eine verfassungsrechtlich verpönte Rückwirkung im konkreten Fall aber nicht vor. Die VO (EU) 2022/1854, also die unionsrechtliche Grundlage, sei bereits am 7. 10. 2022 im ABl der EU veröffentlicht worden. Am 1. 12. 2022 bestand also bereits eine Rechtsgrundlage für die Abschöpfung der Erlöse. Durch die erst am 29. 12. 2022 erfolgte Kundmachung des EKBSG (also der näheren Ausgestaltung durch den österreichischen Gesetzgeber) konnten Stromerzeuger daher nicht in ihrem Vertrauen auf eine günstigere Rechtslage enttäuscht werden.
Auch einige weitere Argumente der Bf (Verstoß gegen die Eigentumsfreiheit, keine taugliche Umsetzung der EU-Notfallmaßnahmen-VO) befand das BFG als nicht stichhaltig. Zu guter Letzt argumentiert die Bf, die VO (EU) 2022/1854 sei nicht unmittelbar anwendbar, da Umsetzungsmaßnahmen durch die MS notwendig seien. Die Umsetzung einer unmittelbar anwendbaren EU-VO in nationales Recht sei jedoch unzulässig. Das BFG entgegnete hierzu, dass die VO (EU) 2022/1854 einen Rahmen vorgibt, in Teilbereichen aber Optionen eröffnet. Die Umsetzung dieser Optionen kann nur durch nationales Recht erfolgen und ist angesichts des unionsrechtlichen Grundsatzes der Rechtssicherheit auch erforderlich (EuGH 24. 7. 2003, C-280/00, Altmark Trans, Rn 58 ff). Mit dem EKBSG wurde diesem Regelungsbedarf entsprochen. Die Auffassung, dass deshalb die VO (EU) 2022/1854 nicht unmittelbar anwendbar sein soll, wird vom BFG nicht geteilt. Für das BFG besteht daher aus den dargelegten Gründen kein Anlass, gem Art 89 Abs 2 B-VG einen Aufhebungsantrag an den VfGH zu stellen. Die Beschwerde ist als unbegründet abzuweisen. Die Revision wurde zugelassen, da eine Rsp des VwGH zum EKBSG fehlt und die Rechtsfrage über den Einzelfall hinaus Bedeutung hat.
Conclusio
Das BFG hatte sich in diesem Erk mit einigen verfassungsrechtlichen und auch unionsrechtlichen Fragestellungen auseinanderzusetzen. EU-VO können jedenfalls „auch die Erlassung nationaler Durchführungsvorschriften zur Erreichung der VO-Ziele erfordern oder gar anordnen, wobei jedoch die ‘wesentlichen Grundvorschriften‘ in der VO selbst festgelegt sein müssen“ (hinkende VO; vgl Stocker/Vcelouch in Jaeger/Stöger (Hrsg), EUV/AEUV Art 288 AEUV Rz 32 [Stand 1. 7. 2023, rdb.at]). In derartigen Fällen ist zwar zulässig, dass innerstaatliche Vorschriften die EU-VO konkretisieren, jedoch darf dadurch die Tragweite der Vorschriften der EU-VO nicht geändert werden (Stocker/Vcelouch in Jaeger/Stöger (Hrsg), EUV/AEUV Art 288 AEUV Rz 32 [Stand 1. 7. 2023, rdb.at]). Mit welcher Tragweite eine Vorschrift des Unionsrechts – und damit auch eine VO – anzuwenden ist, entscheidet letztlich der EuGH (Schima in Jaeger/Stöger (Hrsg), EUV/AEUV Art 267 AEUV Rz 39 [Stand 1. 3. 2020, rdb.at]). Der Anwendungsvorrang unmittelbar anwendbaren Unionsrechts kommt auch gegenüber mitgliedstaatlichem Verfassungsrecht zum Tragen; einem so verstandenen Anwendungsvorrang stehen in Österreich grundsätzlich keine Integrationsschranken entgegen (Stocker/Vcelouch in Jaeger/Stöger (Hrsg), EUV/AEUV Art 288 AEUV Rz 23 [Stand 1. 7. 2023, rdb.at]). Das BFG hat mehrmals zu Recht auf den Anwendungsvorrang hingewiesen. Soweit eine nationale Vorschrift die VO (EU) 2022/1854 lediglich konkretisiert und dabei die Tragweite dieser VO nicht ändert, kann eine Verfassungswidrigkeit aufgrund des Anwendungsvorrangs der VO (EU) 2022/1854 nicht vorliegen.