Dieser Inhalt ist frei verfügbar. Mit einem Abonnement der ÖStZ erhalten Sie die Zeitschrift in Print und vollen digitalen Zugriff im Web, am Smartphone und Tablet. Mehr erfahren…
Testen Sie
ALLE 13 Zeitschriftenportale
30 Tage lang kostenlos.
Der Zugriff endet nach 30 Tagen automatisch.
Alle LexisNexis-Fachzeitschriften sind im Volltext auch in Lexis 360® verfügbar.
Lexis 360 ist Österreichs innovativste* Recherchelösung und bietet Zugriff auf
alle relevanten Quellen von Rechtsnews, Gesetzen, Urteilen und Richtlinien bis
zu Fachzeitschriften und Kommentaren.
Testen Sie jetzt Lexis 360® kostenlos.
*Ergebnis einer Umfrage unter 225 Steuerberater:innen und Rechtsanwält:innen (Mai 2024) durchgeführt von IPSOS im Auftrag von LexisNexis Österreich.
LSD-BG: § 3 Abs 3 und 4
EStG 1988: § 67 Abs 1, 2 und 10
AEUV: Art 45, 49 und 56
Abstract
Eine begünstigte Besteuerung sonstiger Bezüge gem § 67 Abs 1 und 2 EStG kann nach der stRsp des VwGH erfolgen, wenn für die sonstigen Bezüge ein eigener Rechtstitel vorliegt und sich die sonstigen Bezüge von den laufenden Bezügen anhand der Auszahlung unterscheiden lassen. Das BFG beschäftigte sich im vorliegenden Fall mit einem möglichen Verstoß gegen die Grundfreiheiten bei Verwehren der begünstigten Besteuerung von Sonderzahlungen innerhalb des Jahressechstels, wenn die Sonderzahlungen aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung in § 3 Abs 4 LSD-BG monatlich aliquot ausbezahlt wurden.
BFG 17. 3. 2025, RV/7103198/2024
Sachverhalt
Ein ungarisches Unternehmen mit Betriebsstätte in Österreich war im Bereich der grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung tätig. Es überließ Arbeitskräfte, die in Ungarn zur Sozialversicherung angemeldet waren, nach Österreich. Die Sonderzahlungen wurden aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung in § 3 Abs 4 LSD-BG monatlich aliquot mit dem Lohn ausbezahlt, wobei die Sonderzahlungen als solche auf den Lohnkonten und Abrechnungsnachweisen ersichtlich waren und eine begünstigte Besteuerung dieser als sonstige Bezüge gem § 67 Abs 1 und 2 EStG erfolgte. Im Rahmen einer Außenprüfung wurde für die Sonderzahlungen § 67 Abs 10 EStG und damit der Lohnsteuertarif gem § 33 EStG angewendet und die Lohnsteuern mittels Haftungsbescheiden nachverrechnet. Die begünstigte Besteuerung wurde verwehrt, da nach Ansicht des FA für die Anwendung von § 67 Abs 1 und 2 EStG nach der Rsp des VwGH sowohl ein eigener Rechtstitel als auch eine Unterscheidbarkeit der sonstigen von den laufenden Bezügen vorliegen müsse. Die Auszahlung der Sonderzahlungen erfolgte jedoch monatlich aliquot mit den laufenden Bezügen, daher sei diese Unterscheidbarkeit nicht gegeben und § 67 Abs 1 und 2 EStG nicht anwendbar. Daraufhin erhob der ungarische Arbeitskräfteüberlasser Beschwerde beim BFG.
Entscheidung
Das BFG befasst sich mit der Frage, ob aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung monatlich aliquot ausbezahlte Sonderzahlungen nach § 67 Abs 1 und 2 EStG begünstigt besteuert werden können oder ob die mangelnde Unterscheidbarkeit dem entgegensteht. Da die aliquote Auszahlung aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung im LSD-BG erfolgte, könnte das Verwehren der begünstigten Besteuerung eine Verletzung der Grundfreiheiten darstellen. Dem BFG zufolge komme ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit nach Art 49 AEUV, die Dienstleistungsfreiheit nach Art 56 AEUV und die Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art 45 AEUV infrage.
Die Niederlassungsfreiheit ist nach Ansicht des BFG betroffen, da die Tätigkeit im Inland für ausländische Beschäftiger weniger interessant ist, wenn diese zum Ausgleich der versagten begünstigten Besteuerung der Sonderzahlungen ein höheres Bruttoentgelt zahlen müssten. Gleiches gilt für das Anbieten der Dienstleistungen des ausländischen Arbeitgebers im Inland. Weiters ist auch die Arbeitnehmerfreizügigkeit beschränkt. Die Tatsache, dass sonstige Bezüge ausbezahlt von einem ausländischen Arbeitgeber steuerlich nachteilig behandelt werden, führt zur weniger attraktiven Ausübung des Freiheitsrechts durch ausländische Arbeitnehmer.
Für diese Beschränkungen sind für das BFG keine Rechtsfertigungsgründe ersichtlich. Insb liegen keine zwingenden Gründe des Allgemeininteresses und davon abgeleitet auch kein Grund zum Schutz des Arbeitnehmers vor, da die Sonderregelungen im LSD-BG gerade diesen Schutz für ausländische Dienstnehmer vor Augen hätten. § 67 Abs 1 und 2 EStG iVm § 3 Abs 4 LSD-BG würden nun zur Benachteiligung dieser Arbeitnehmer führen, eine Rechtfertigung sei daher nicht möglich.
Das BFG identifiziert im vorliegenden Fall Verstöße gegen die angeführten Grundfreiheiten iSd „Acte clair“-Doktrin und gewährt die begünstigte Besteuerung der Sonderzahlungen nach § 67 Abs 1 und 2 EStG mittels Anwendungsvorrang des Unionsrechts.
Conclusio
Das BFG nimmt eine Prüfung der Vereinbarkeit von § 67 Abs 1 und 2 EStG und der dazu ergangenen Rsp des VwGH mit den Grundfreiheiten vor, weil eine gesetzliche Verpflichtung im LSD-BG zur monatlich aliquoten Auszahlung von Sonderzahlungen führt. Nach Ansicht des BFG sind die Niederlassungsfreiheit, die Dienstleistungsfreiheit und die Arbeitnehmerfreizügigkeit betroffen. Da das BFG von einem „Acte clair“ ausgeht, wendet es sich nicht an den EuGH. Wäre der Verstoß gegen die Grundfreiheiten nach Ansicht des BFG nicht derart offensichtlich, wäre dieses auch dann nicht zur Vorlage an den EuGH verpflichtet, da es sich beim BFG nicht um ein Höchstgericht iSd Art 267 AEUV handelt. Soweit ersichtlich, wurde gegen die Entscheidung auch keine Revision erhoben, daher wird weder der EuGH noch der VwGH mit diesem Fall befasst werden.
In einem ähnlichen Fall (vgl BFG 17. 3. 2025, RV/7102224/2021) kam das BFG zu einem anderen Ergebnis: Hier war für die grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung im Jahr 2016 noch die Vorgängerbestimmung § 10 AÜG anwendbar, da das LSD-BG erst mit 1. 1. 2017 in Kraft trat. § 10 AÜG sah keine zwingende Aliquotierung vor, diese erfolgte auf freiwilliger Basis. Eine freiwillige Aliquotierung führt nicht zur Anwendbarkeit von § 67 Abs 1 und 2 EStG und folglich zur Besteuerung der Sonderzahlungen zum Tarif nach § 33 EStG gem § 67 Abs 10 EStG.
Für die Praxis ist die vorliegende Entscheidung des BFG insofern relevant, als die verpflichtende aliquote Auszahlung der sonstigen Bezüge in grenzüberschreitenden Fällen daher einer begünstigten Besteuerung gem § 67 Abs 1 und 2 EStG innerhalb des Jahressechstels nicht entgegensteht. Demgegenüber führt die freiwillige Aliquotierung (sowohl in innerstaatlichen als auch in grenzüberschreitenden Konstellationen) zur Anwendung des Lohnsteuertarifs gem § 67 Abs 10 iVm § 33 EStG.