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BFG: Unionsrechtswidrigkeit des Abzugsverbots für niedrigbesteuerte Zinsen und Lizenzgebühren im Konzern nach § 12 Abs 1 Z 10 KStG

Bearbeiter: Josef Forstner

KStG 1988: § 12 Abs 1 Z 10

Abstract

Das BFG hatte zu entscheiden, ob das Abzugsverbot für niedrigbesteuerte Zinsen und Lizenzgebühren im Konzern gem § 12 Abs 1 Z 10 KStG 1988 gegen die Niederlassungsfreiheit (Art 49 AEUV) verstößt. Da die Vorschrift grenzüberschreitende Fälle innerhalb der EU indirekt diskriminiert und keine tragfähigen Rechtfertigungsgründe für diese Diskriminierung vorliegen, verstößt § 12 Abs 1 Z 10 KStG nach dem BFG gegen die Niederlassungsfreiheit und ist geltungserhaltend zu reduzieren.

BFG 7. 3. 2025, RV/7102685/2022 und RV/7103283/2023

Sachverhalt

Die Bf wurde im Jahr 2013 im österreichischen Firmenbuch eingetragen. Alleinige Gesellschafterin der Bf war eine Familienstiftung mit Sitz in Vaduz (Fürstentum Liechtenstein). Eine Tochtergesellschaft der Familienstiftung mit Sitz auf den niederländischen Antillen (im Erkenntnis: T 1) hatte zur Finanzierung einer Dividendenausschüttung und Kapitalrückzahlung im Jahr 2007 einen (überwiegend) verzinslichen Kredit bei einer liechtensteinischen Konzerngesellschaft iHv 260.000.000 €. Im Jahr 2014 wurde die Schuldnerin auf die Bf verschmolzen, wodurch die Kreditverbindlichkeit auf die Bf überging. Die Gläubigergesellschaft hatte in den Jahren 2014–2020 (mit Ausnahme des Jahres 2018) eine effektive Steuerbelastung von unter 10 %, dies aufgrund einer nach Liechtensteinischem Steuerrecht möglichen fiktive Eigenkapital-Verzinsung gem Art 54 SteG. Die Bf machte den Zinsaufwand ab 2014 in Österreich steuerlich geltend. Nach der Ansicht des Finanzamts hätte der Zinsaufwand aufgrund des § 12 Abs 1 Z 10 KStG 1988 nicht in Abzug gebracht werden dürfen. Das BFG hatte über die darauffolgende Beschwerde zu entscheiden.

Entscheidung des BFG

Das Abzugsverbot für Zinsen und Lizenzgebühren im Konzern des § 12 Abs 1 Z 10 KStG 1988 fällt unter den Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit (Art 49 AEUV). Die Bestimmung behandelt zwar formell innerstaatliche und zwischenstaatliche Sachverhalte grundsätzlich gleich. Eine offene Diskriminierung liegt demnach nicht vor. Nichtsdestotrotz kann selbst bei formaler Gleichbehandlung nationaler und grenzüberschreitender Sachverhalte eine indirekte Diskriminierung vorliegen, wenn grenzüberschreitende Sachverhalte faktisch gegenüber Inlandsfällen benachteiligt werden. Das Abzugsverbot des § 12 Abs 1 Z 10 KStG 1988 ist nach dem BFG de facto nur auf grenzüberschreitende Fälle anwendbar, was zu einer indirekten Diskriminierung führt. Die für solche Diskriminierungen infrage kommenden Rechtfertigungsgründe, wie die Verhinderung der Steuerumgehung und -hinterziehung, die Aufteilung der Steuerbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten oder die Kohärenz des österreichischen Steuerrechts, sind für das BFG nicht einschlägig. Insb setzt der Rechtfertigungsgrund der Bekämpfung von steuerlichem Missbrauch eine Einzelfallbetrachtung voraus, die auf das Vorliegen rein künstlicher Gestaltungen ohne wirtschaftlichen Gehalt gerichtet ist. Eine solche Einzelfallbetrachtung ist bei der Regelung des § 12 Abs 1 Z 10 KStG 1988 jedoch nicht möglich, da das Vorbringen einer wirtschaftlichen Begründung als Gegenbeweis zum Missbrauchsvorwurf nicht vorgesehen ist. Dass die Kredit- und Lizenzverträge auch von inländischen Gesellschaften hätten abgeschlossen werden können, reicht für die Annahme einer künstlichen Gestaltung im grenzüberschreitenden Fall nicht aus. Zudem würde die Missbrauchsvermeidung auch nicht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen. Die fehlende Möglichkeit, objektive Gründe vorzubringen, welche eine derartige Konstellation rechtfertigen, geht über das zur Zielerreichung Notwendige hinaus. Auch der Rechtfertigungsgrund der Kohärenz des Steuersystems ist nicht erfüllt. Weder hat EuGH eine derartige Konstellation bisher anerkannt, noch lässt sich aus dem österreichischen Steuerrecht ein generelles Prinzip ableiten, dass für eine dementsprechende Rechtfertigung sprechen würde. Zudem ist bereits in den EuGH-Entscheidungen Lexel AB (EuGH 20. 1. 2021, C-484/19, Lexel AB) und X BV (EuGH 4. 10. 2024, C-585/22, X BV) in ähnlich gelagerten Fällen über ein in ähnlicher Weise undifferenziertes Abzugsverbot entschieden worden, woraus sich ebenfalls ableiten lässt, dass die österreichische Rechtslage nach § 12 Abs 1 Z 10 KStG 1988 unionsrechtswidrig ist und geltungserhaltend auf solche Fälle zu reduzieren ist, in denen nach Lage des Einzelfalls tatsächlich ein Gestaltungsmissbrauch vorliegt.

Conclusio

Die beiden Entscheidungen schließen sich an die Rsp des EuGH zum Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit hinsichtlich ähnlicher Abzugsverbote an (s dazu insb EuGH 20. 1. 2021, C-484/19, Lexel AB und EuGH 4. 10. 2024, C-585/22, X BV). Die dementsprechende – nicht überraschende – Entscheidung des BFG erkennt die Unionswidrigkeit von indirekt diskriminierenden Abzugsverboten, welche zu pauschal gefasst sind und über das notwendige Maß an Bekämpfung steuerlichen Missbrauchs hinausgehen. Schließlich ist die Regelung weder auf den fremdunüblichen Teil der Zinsen oder Lizenzgebühren, noch auf rein künstliche Konstrukte beschränkt, sondern belegt jede Zahlung an niedrig besteuerte Empfänger im Konzern mit einem Abzugsverbot, ohne dass ein Gegenbeweis über die wirtschaftliche Begründung möglich wäre. Die beim VwGH eingebrachte Amtsrevision wird zeigen, ob das Höchstgericht – allenfalls nach Einholung einer Vorabentscheidung durch den EuGH – die Ansicht des BFG teilt. Sollte dies der Fall sein, wird sich die weitere Frage stellen, ob § 12 Abs 1 Z 10 KStG 1988 in EU-Fällen ein Anwendungsbereich verbleibt. Nach Lang wird nämlich die gesamte Norm vom Unionsrecht überlagert, da zur allfälligen Bekämpfung des Betriebsausgabenabzugs durch fremdunübliche oder missbräuchliche Zahlungen in Niedrigsteuerländer ohnedies sonstige Abwehrregelungen (verdeckte Gewinnausschüttung oder die Missbrauchsvorschrift des § 22 BAO) zur Verfügung stehen (siehe dazu Lang, Die Verdrängung des § 12 Abs 1 Z 10 KStG durch das Unionsrecht, SWI 2025, 196 [205]).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36974 vom 28.07.2025