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Abstract
Das BFG hatte im Rahmen einer Säumnisbeschwerde zu entscheiden, ob eine Behörde untätig ist, wenn sämtliche Bescheide eines Verfahrens trotz aufrechter Zustellbevollmächtigung iSd § 9 Abs 1 ZustG nicht dem Bevollmächtigten, sondern der Partei selbst zugestellt wurden. Da sich die Behörde nach Ansicht des BFG nicht auf eine Ablehnung des Zustellbevollmächtigten iSd § 84 Abs 1 BAO stützen kann, ist diese zunächst säumig und kann die Sache nur infolge eines Nachholungsauftrags gem § 284 Abs 2 BAO erledigen.
BFG 23. 9. 2024, RS/7100183/2024
Sachverhalt
Am 8. 7. 2023 brachte der Beschwerdeführer (Bf) durch seine steuerliche Vertretung einen Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung für 2022 ein. Der Antrag wurde per Post unter Beifügung der notwendigen Dokumente – ua auch eine wirksame Zustellungsbevollmächtigung – an das zuständige Finanzamt (FA) geschickt, wo der Antrag am 13. 7. 2023 einlangte. Wegen fehlender Unterschriften erließ das FA am 21. 11. 2023 einen Mängelbehebungsauftrag iSd § 85 Abs 2 BAO. Der Auftrag war an den Bf adressiert und wurde diesem auch zugestellt, nicht aber der steuerlichen Vertretung des Bf. Mangels Mängelbehebung wurde der Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung für 2022 am 24. 1. 2024 durch das FA als zurückgenommen erklärt. Die Zurückgenommenerklärung wurde ebenfalls direkt an den Bf adressiert und zugestellt. Daraufhin brachte der Bf durch seine steuerliche Vertretung am 30. 6. 2024 eine Säumnisbeschwerde beim BFG ein. In dieser wurde vorgebracht, dass das FA seine Pflicht zur Entscheidung bezüglich des Antrags auf Arbeitnehmerveranlagung für 2022 verletzt hat, da dem Zustellungsbevollmächtigen seit dem Einlangen des Antrags auf Arbeitnehmerveranlagung beim FA am 13. 7. 2023 kein Bescheid zugestellt worden war.
Entscheidung des BFG
Wird der Behörde ein Zustellungsbevollmächtigter iSd § 9 ZustG namhaft gemacht, so hat sie gem § 9 Abs 3 ZustG den Bevollmächtigten als Empfänger zu bezeichnen und an diesen zuzustellen. Wird hingegen an einen anderen Empfänger zugestellt, so gilt die Zustellung erst ab dem Zeitpunkt bewirkt, in welchem dem Zustellungsbevollmächtigen das Dokument tatsächlich zugekommen ist. Bei aufrechter Zustellbevollmächtigung kann daher nicht wirksam an die Partei selbst zugestellt werden kann. Es würde ein Zustellmangel vorliegen, der nur durch tatsächliche Kenntnisnahme des Zustellbevollmächtigten heilen könnte. Die Beweislast dafür trägt die Behörde selbst (siehe VwGH 11. 7. 2023, Ra 2020/22/0102).
Im gegenständlichen Fall steht außer Zweifel, dass der Bf seiner steuerlichen Vertretung eine Zustellungsvollmacht erteilt hat und das FA zum Zeitpunkt der Ausfertigung sowohl des Mängelbehebungsauftrages vom 21. 11. 2023 als auch der Zurückgenommenerklärung vom 24. 1. 2024 Kenntnis von der bestehenden Bevollmächtigung hatte. Da die Ausfertigungen jeweils an den Bf adressiert und verschickt wurden, unterliegen beide einem Zustellmangel iSd § 9 Abs 3 ZustG. Eine Heilung ist mangels tatsächlicher Kenntnisnahme des Bevollmächtigten nicht eingetreten. Somit wurde auch nie zugestellt iSd § 97 Abs 1 BAO.
Weiters könnte das FA den Zustellungsbevollmächtigten gem § 84 Abs 1 BAO abgelehnt haben und die Zustellung an den Bf dadurch rechtfertigen. Denn gem § 84 Abs 1 BAO hat die Behörde Bevollmächtigte, die andere geschäftsmäßig vertreten, ohne hiezu befugt zu sein, abzulehnen. Da der Zustellbevollmächtigte nicht zwingend auch geschäftsmäßiger Parteienvertreter sein muss, ist die Zustellungsbevollmächtigung keinesfalls vom Recht der Ablehnung iSd § 84 BAO miterfasst und bleibt daher trotz etwaiger Ablehnung aufrecht.
Das FA kann sich daher nicht auf eine Ablehnung nach § 84 Abs 1 BAO berufen. Somit war der Antrag auf ANV für 2022 vom 13. 7. 2023 weiterhin unerledigt und die Erhebung der Säumnisbeschwerde gem § 284 Abs 1 BAO zulässig, da das FA mehr als sechs Monate nach dem Einlangen des Anbringens untätig geblieben war. Das FA entsprach allerdings mit dem an die zustellbevollmächtigte Vertretung zugestellten Einkommensteuerbescheid vom 23. 8. 2024 dem angeordneten Nachholungsauftrag gem § 284 Abs 2 BAO. Aufgrund der Nachholung der Entscheidung war das Säumnisbeschwerdeverfahren vom BFG einzustellen. Die ordentliche Revision wurde nicht zugelassen.
Conclusio
Da das FA dem Nachholungsauftrag iSd § 284 Abs 2 BAO durch die nachträgliche Erlassung eines Einkommensbescheids nachgekommen ist, war das Säumnisbeschwerdeverfahren gem § 284 Abs 2 letzter Satz BAO durch das BFG einzustellen. Bezüglich des Umfangs des Ablehnungsrechts gem § 84 Abs 1 BAO ist festzuhalten, dass die Ausführungen des BFG im Einklang mit Lehre und früherer Rsp stehen. Eine Zustellbevollmächtigung ist nicht gleichzusetzen mit einer geschäftsmäßigen Parteienvertretung und daher nicht als aktive Vertretungshandlung zu qualifizieren (vgl Stoll, BAO 1058). § 84 Abs 1 BAO umfasst jedenfalls nur das Recht zur Ablehnung von aktiven Vertretungshandlungen (vgl Ritz/Koran, BAO § 84 Rn 10). Daraus folgt, dass die Ablehnung eines Zustellungsbevollmächtigten keinesfalls vom Recht des § 84 Abs 1 BAO gedeckt ist. Dies hat das BFG schon in einer früheren Entscheidung explizit festgehalten (siehe BFG 10. 10. 2016, RV/7400148/2016).