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*Ergebnis einer Umfrage unter 225 Steuerberater:innen und Rechtsanwält:innen (Mai 2024) durchgeführt von IPSOS im Auftrag von LexisNexis Österreich.
Abstract
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist ausgeschlossen, wenn ein Rechtsanwalt es versäumt, für eine angemessene Vertretung während seines Urlaubs zu sorgen. Im vorliegenden Fall wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung mit einem einmaligen Versehen einer ansonsten zuverlässigen Kanzleikraft begründet. Jedoch wurden im ursprünglichen Antrag keine Angaben zur fehlenden Organisationspflichtverletzung gemacht, sondern erst im weiteren Verfahren vorgebracht, was unzulässig ist. Zudem wurde argumentiert, dass die urlaubsbedingte Abwesenheit des Rechtsanwaltes eine Mitursache für die Fristversäumnis darstellte. Das BFG stellte klar, dass ein Urlaub vorhersehbar ist und dass Rechtsanwälte für eine ordnungsgemäße Vertretung in dieser Zeit sorgen müssen. Das Versäumnis dieser Pflicht stellt ein Organisationsverschulden dar, das eine Wiedereinsetzung ausschließt. Folglich wurde die Beschwerde abgewiesen.
BFG 4. 3. 2025, RV/5100288/2024
Sachverhalt
Der Antrag auf Wiedereinsetzung stützte sich auf folgendes Vorbringen des Beschwerdeführers (Bf): Die Kanzleikraft, die den für die Fristversäumnis ursächlichen Fehler begangen hatte, war sonst zuverlässig. Das Versehen war also einmalig und wurde durch ein unvorhersehbares oder unabwendbares Ereignis (Vergessen der Kanzleikraft) verursacht. Im Wiedereinsetzungsantrag wurden keine Angaben zum Fehlen einer Organisationspflichtverletzung gemacht. Dieses Vorbringen findet sich erstmals in der Bescheidbeschwerde. Hier fand sich erstmals das Vorbringen, dass gewährleistet sei, dass die Kanzleimitarbeiterin über ausreichende eigene Fachkenntnis verfüge, um Fristen selbst zu berechnen und den letzten Tag der Frist in den Fristenkalender und in den Handakt eintragen zu können. Diese Eintragungen würden auch laufend überprüft und sollten die Letztvorlage an den zu bearbeitenden Rechtsanwalt gewährleisten, dass die Frist korrekt in den Fristenkalender eingetragen wurde. Hier sei aber außerdem dazugekommen, dass der bearbeitende Rechtsanwalt während der Fristeintragung urlaubsbedingt abwesend war und ihm somit der Handakt nicht vorgelegt wurde. Der Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das BFG vom 29. 6. 2023 zur Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom 17. 5. 2023 wurde nicht in der einmonatigen Frist (nach § 264 Abs 1 BAO) eingebracht, da die BVE vom 17. 5. 2023 laut vorliegendem Zustellnachweis am 24. 5. 2023 zugestellt wurde und die Frist zur Stellung eines Vorlageantrages somit am 26. 6. 2023 abgelaufen war, da der 24. 6. 2023 ein Samstag und der 25. 6. 2023 ein Sonntag war.
Entscheidung des BFG
Der behauptete Wiedereinsetzungsgrund ist im Wiedereinsetzungsantrag glaubhaft zu machen (VwGH 20. 2. 1996, 94/13/0082) und es sind bereits im Antrag taugliche Bescheinigungsmittel beizubringen (VwGH 19. 5. 1988, 87/16/0003). Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers abgesteckt wurde (VwGH 23. 4. 1993, 92/17/0067). Eine Auswechslung des Wiedereinsetzungsgrundes im Rechtsmittelverfahren ist daher unzulässig (VwGH 26. 1. 1998, 96/17/0302). Wer sich auf ein Verschulden einer Hilfsperson stützt, muss schon im Wiedereinsetzungsantrag durch ein substantiiertes Vorbringen darlegen, aus welchen Gründen ihn selbst kein die Wiedereinsetzung ausschließendes Verschulden trifft, etwa dass der Wiedereinsetzungswerber die erforderliche Kontrolle ausgeübt hat (VwGH 14. 10. 2015, 2013/17/0137). Dieses Vorbringen wurde jedoch erstmals in der Bescheidbeschwerde vorgebracht, sodass dieses nicht zu berücksichtigen war. Somit erweist sich schon aus diesem Grund das Wiedereinsetzungsbegehren als unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist damit rechtmäßig.
Soweit der berufsmäßige Parteienvertreter seine urlaubsbedingte Abwesenheit als Grund dafür ansieht, dass er die notwendigen Kontrollmaßnahmen gegenüber seinem Kanzleipersonal nicht durchführen konnte, ist Folgendes zu entgegnen: Ein Urlaub ist planbar und vorhersehbar. Rechtsanwälte sind verpflichtet, für eine angemessene Vertretung während ihres Urlaubes zu sorgen, um die Interessen ihrer Mandanten nicht zu gefährden. Wenn ein Rechtsanwalt es versäumt, für eine ausreichende Vertretung während seines Urlaubs zu sorgen, stellt dies ein Organisationsverschulden dar, was eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschließt. Auch aus diesem Grund ist das Beschwerdevorbringen nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.
Die Revision wurde für nicht zulässig erklärt, da aufgrund der zitierten Rsp des VwGH keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorlag. Soweit ersichtlich, wurde auch keine Revision eingebracht.
Conclusio
Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung sind die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung, ein dadurch entstandener Rechtsnachteil, ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis, kein grobes Verschulden sowie ein rechtzeitiger Antrag auf Wiedereinsetzung (Ritz/Koran, BAO7 [2021] § 308 BAO Rz 2). Im konkreten Fall ist die Wiedereinsetzung schon daran gescheitert, dass eine Auswechslung des Wiedereinsetzungsgrundes im Rechtsmittelverfahren unzulässig ist (VwGH 26. 1. 1998, 96/17/0302). Trotzdem behandelt das BFG auch die Frage, ob der Urlaub eines Rechtsanwaltes ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis sein kann. Unvorhergesehen ist ein Ereignis, wenn es die Partei nicht einberechnet hat und das Ereignis auch nicht erwarten konnte (VwGH 17. 2. 1994, 93/16/0020). Ein Urlaub ist kein unvorhergesehenes Ereignis. Unabwendbar ist ein Ereignis, wenn es der Durchschnittsmensch nicht verhindern kann (VwGH 31. 10. 1991, 90/16/0148). Ein Rechtsanwalt kann aber ein Fristversäumnis während seines Urlaubes durch eine Vertretung verhindern, sodass die Fristversäumnis auch nicht durch ein unabwendbares Ereignis ausgelöst wurde. In der Rsp des VwGH wurden auch familiäre Probleme und Arbeitsüberlastung (VwGH 25. 9. 1991, 91/16/0046) nicht als Wiedereinsetzungsgründe anerkannt, sodass auch ein Urlaub keinen Wiedereinsetzungsgrund darstellen wird.