News

BFG: Verkauf von veruntreuten Waren als Einkünfte aus Gewerbebetrieb?

Bearbeiter: Thomas Frenkenberger

EStG 1988: § 4 Abs 1, § 23 Z 1, § 25 Z 1 lit a

Abstract

Das BFG hatte sich mit den steuerlichen Folgen des Verkaufs von Waren auseinanderzusetzen, die durch einen Arbeitnehmer veruntreut worden waren. Nachdem der Steuerpflichtige den Schaden aus der Veruntreuung inkl Zinsen beglichen hatte, machte er Verluste aus seinem Gewerbebetrieb steuerlich geltend. Diese Verluste erkannte weder die Abgabenbehörde noch das BFG an, wenn auch mit unterschiedlichen Begründungen.

BFG 23. 1. 2024, RV/5100303/2023

Sachverhalt

Der Bf war Arbeitnehmer einer Gesellschaft. In den Jahren 2017–2020 veruntreute er „Verschnittmaterial und Metallabfall (Schrott)“ im Wert von über € 70.000,– aus dem Bestand seines Arbeitgebers und verkaufte es an ein anderes Unternehmen. Die daraus erzielten Erträge wurden weder an seinen Arbeitgeber weitergeleitet noch versteuert. Im Jahr 2021 legte der Bf sein Verhalten im Zuge einer Selbstanzeige offen und verpflichtete sich zugleich, die zu Unrecht vereinnahmten Beträge zzgl Zinsen an seinen Arbeitgeber zu überweisen. Laut Auskunft der handelnden Personen waren die veruntreuten Materialien davor niemandem aufgefallen, weil der Bf aufgrund seiner bisher zuverlässigen Arbeitsweise und seines Verwandtschaftsverhältnisses zum Geschäftsführer der Gesellschaft ein besonderes Vertrauen genoss.

Der Bf reichte daraufhin die Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2017–2020 ein, in denen er Verluste aus einem Gewerbebetrieb geltend machte. Begründend führte er aus, dass er seinen Gewinn nach § 4 Abs 1 EStG ermittle, der (erst im Jahr 2021 bezahlte) Einkaufspreis dem Verkaufspreis entspreche, zusätzlich aber noch Zinsen und Rückstellungen für Versicherungsbeiträge anzusetzen seien. Die Abgabenbehörde kam diesem Ansuchen nicht nach, sondern setzte die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit Null fest und berücksichtigte die in den Jahren 2017–2020 vereinnahmten Beträge als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Eine dagegen erhobene Beschwerde blieb erfolglos, wenngleich die Abgabenbehörde ihre Ansicht insofern revidierte, als sie die Einnahmen sehr wohl als Einkünfte aus Gewerbebetrieb berücksichtigte, die allerdings (mangels rechtzeitiger freiwilliger Buchführung) nach § 4 Abs 3 EStG zu ermitteln seien. Da der Bf die Waren erst im Jahr 2021 bezahlte, ergäben sich dadurch positive Einkünfte aus Gewerbebetrieb in den Jahren 2017–2020. Gegen die Beschwerdevorentscheidung setzte sich der Bf mittels Vorlageantrag zur Wehr, in dem er ua geltend machte, dass es sich bei seinem Gewerbebetrieb um einen Liebhabereibetrieb handle.

Entscheidung des BFG

Das BFG hält fest, dass Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit auch vorliegen, wenn sich ein Dienstnehmer Vorteile gegen den Willen des Dienstgebers verschafft (VwGH 25. 2. 1997, 95/14/0112). Das Dienstverhältnis muss nur die Grundlage für die Möglichkeit der Zueignung veruntreuter Waren bieten. Dies liegt gegenständlich vor, weil die Veruntreuung durch die besondere Vertrauensstellung leicht möglich war. Solche Vorteile unterliegen im Übrigen nicht dem Lohnsteuerabzug, sondern sind durch den Arbeitnehmer selbst zu veranlagen (VwGH 4. 6. 1985, 85/14/0016). Da Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit nach dem erfolgten Zufluss zu erfassen sind, können auch die Schadenersatzzahlungen an den Arbeitgeber erst im Jahr 2021 als Werbungskosten geltend gemacht werden.

In weiterer Folge prüft das BFG, ob die anschließenden Veräußerungen als Einkünfte aus Gewerbebetrieb anzusehen sind. Es erläutert dafür zunächst die allgemeinen Kriterien der Selbstständigkeit, Nachhaltigkeit, Gewinnabsicht und der Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr, ohne diese konkret auf den Fall anzuwenden. Anschließend geht es der Frage nach, ob der Gewinn für die Jahre 2017–2020 freiwillig nach § 4 Abs 1 EStG ermittelt werden konnte. Nach der stRsp wird das Wahlrecht nach § 4 Abs 1 EStG durch den Steuerpflichtigen ausgeübt, indem er eine entsprechende Buchführung einrichtet (VwGH 10. 5. 1994, 90/14/0173; 21. 7. 1998, 95/14/0054; 23. 9. 2010, 2010/15/0110 mwN). Der freiwillige Wechsel der Gewinnermittlungsart ist nur zu Beginn des Jahres zulässig (VwGH 16. 9. 2003, 2001/14/0039). Eine nachträgliche Erstellung von Bilanzunterlagen im Jahr 2021 kann die Anforderungen an eine laufende Buchführung in den Jahren 2017–2020 hingegen nicht erfüllen, weil die Aufzeichnungen von Beginn des Jahres an geführt werden müssen (BFG 13. 6. 2018, RV/4100139/2016). Somit ist vorliegend von einer Gewinnermittlungsmethode durch Einnahmenüberschussrechnung auszugehen.

Allerdings ergibt sich auch bei der Anwendung der Methode nach § 4 Abs 3 EStG kein Gewinn, weil gem § 6 Z 5 lit d EStG Einlagen mit dem Teilwert zum Zeitpunkt der Zuführung zu bewerten sind und die laufende Einlage von Vermögensgegenständen des Privatvermögens in das Umlaufvermögen eines Betriebes als Betriebsausgabe zu erfassen ist. Durch den unmittelbar nach Entwendung erfolgten Verkauf zum Teilwert ergibt sich ein Gewinn von Null. Die Verkäufe sind zwar als selbstständige und nachhaltige Betätigungen unter Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr anzusehen. Mangels Gewinnabsicht liegen aber keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb vor.

Die Entwendung der Waren sieht das BFG daher ausschließlich als Vorteile aus dem Dienstverhältnis an, die als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit zu versteuern sind. Die Rückzahlung inkl Zinsen kann erst im (nicht streitgegenständlichen) Jahr 2021 berücksichtigt werden. Die angefochtenen Bescheide wurden daher abgeändert, eine ordentliche Revision wurde nicht zugelassen.

Conclusio

Die Entscheidung entspricht der stRsp (zB VwGH 31. 7. 2013, 2009/13/0194), wonach auch Veruntreuungen durch den Arbeitnehmer als Vorteile aus einem Dienstverhältnis anzusehen sind (krit zB Doralt, ÖJZ 2020, 1013). Bemerkenswert ist, dass das BFG eine Trennung zwischen der Veruntreuung und der anschließenden Veräußerung vornimmt. Die Veruntreuungen der Waren selbst sind Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit und daher außerbetriebliche Einkünfte. Diese Waren wurden nach Auffassung des BFG erst im Anschluss zum Teilwert in den Gewerbebetrieb des Bf eingelegt. Der Gewerbebetrieb konnte allerdings aufgrund des unmittelbaren Verkaufs zum Einlagewert niemals gewinnbringend sein.

Im Ergebnis ist das Vorgehen des BFG für den Steuerpflichtigen ungünstig, weil die Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit aufgrund des Zufluss-Abfluss-Prinzips in den Jahren 2017–2020 positiv sind. Im Jahr 2021 können die Rückzahlungen inkl Zinsen zwar als Werbungskosten abgezogen werden, was aber nicht nur aus Gründen der Progression unvorteilhaft ist. Sollten die Einkünfte aufgrund der hohen Werbungskosten im Jahr 2021 insgesamt negativ werden, könnte dieser Werbungskostenüberhang auch nicht in ein anderes Jahr vorgetragen werden, weil für außerbetriebliche Einkünfte kein Verlustvortrag vorgesehen ist.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35248 vom 02.04.2024