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BFG: Verpflichtung einer Bescheidänderung gem § 295 Abs 1 BAO bei einem Feststellungsbescheid

Bearbeiter: Stefan Pregesbauer

BAO: §§ 192, 295 Abs 1

Abstract

Das BFG entschied, dass eine nachträgliche abweisende Beschwerdeerledigung hinsichtlich eines bislang nicht berücksichtigten Feststellungsbescheides gem § 192 BAO eine Verpflichtung zur Bescheidänderung gem § 295 Abs 1 BAO auslöst. Im konkreten Fall war der Feststellungsbescheid, der die Nichtfeststellung von Einkünften aus einer atypisch stillen Beteiligung betraf, bereits vor Erlass des abgeleiteten Einkommensteuerbescheides ergangen. Dennoch wurde er zunächst nicht berücksichtigt. Das BFG stellte klar, dass die Abgabenbehörde verpflichtet war, nach der abweisenden Entscheidung des BFG einen mit der Feststellung übereinstimmenden Bescheid zu erlassen. Damit bestätigte das BFG die Bindungswirkung von Feststellungsbescheiden und die Notwendigkeit einer korrekten Umsetzung im abgeleiteten Bescheid. Die Beschwerde des Beschwerdeführers, die eine spätere Möglichkeit der Berücksichtigung des Feststellungsbescheides ablehnte, wurde abgewiesen.

BFG 22. 10. 2024, RV/3100375/2024

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (Bf) war im Beschwerdejahr 2005 ua an der A GmbH und der B GmbH jeweils im Rahmen einer atypisch stillen Gesellschaft beteiligt. Mit Bescheid vom 21. 9. 2012 wurde im Feststellungsverfahren gem § 188 BAO bezüglich der B GmbH ausgesprochen, dass eine Feststellung von Einkünften für das Jahr 2005 unterbleibt. Es handelte sich dabei um einen (Nicht-)Feststellungsbescheid iSd § 192 BAO. In dem von diesem Feststellungsverfahren abgeleiteten Einkommensteuerverfahren des Bf erging am 3. 3. 2021 eine Beschwerdevorentscheidung, in welcher der eben genannte Feststellungsbescheid bezüglich der B GmbH unberücksichtigt blieb.

Am 12. 5. 2022 erließ das FA bezüglich der Einkommensteuer des Bf einen gem § 295 Abs 1 BAO geänderten Einkommensteuerbescheid 2005 unter Berücksichtigung des teilweise stattgebenden Erkenntnisses des BFG (12. 10. 2020, RV/7101107/2018) bezüglich des Feststellungsbescheides über die Einkünfte aus der A GmbH. Auch hier blieb der Feststellungsbescheid bezüglich der B GmbH unberücksichtigt. Nach Ergehen des abweisenden Erkenntnisses des BFG (29. 11. 2022, RV/7100470/2014) bezüglich des Feststellungsbescheides über die Einkünfte aus der B GmbH erließ das FA im Einkommensteuerverfahren des Bf am 25. 4. 2023 einen gem § 295 Abs 1 BAO geänderten Einkommensteuerbescheid 2005, welchem nunmehr auch die Feststellungen des Grundlagenbescheides bezüglich der B GmbH vom 21. 9. 2012 zugrunde gelegt wurden.

Entscheidung des BFG

Ist ein Bescheid von einem Feststellungsbescheid abzuleiten, so ist er gem § 295 Abs 1 BAO ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, im Fall der nachträglichen Abänderung, Aufhebung oder Erlassung des Feststellungsbescheides von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen. Mit der Änderung des abgeleiteten Bescheides kann gewartet werden, bis die Abänderung des Feststellungsbescheides formell rechtskräftig geworden ist (Tanzer/Unger in Rzeszut/Tanzer/Unger [Hrsg], BAO: Stoll Kommentar – Digital First2.06 [2023] § 295 BAO Rz 22). Bereits mit Ergehen des Erkenntnisses des BFG (12. 10. 2020, RV/7101107/2014) erwuchs der Grundlagenbescheid im Feststellungsverfahren betreffend die A GmbH in formelle Rechtskraft. Die formelle Rechtskraft des Feststellungsbescheides vom 21. 9. 2012 betreffend die B GmbH ist mit Ergehen des Erkenntnisses des BFG (29. 11. 2022, RV/7100470/2014) eingetreten. Ab diesem Zeitpunkt stand damit endgültig fest, dass eine Berücksichtigung des vom Bf erklärten Verlustes aus seiner atypisch stillen Beteiligung an der B GmbH zu unterbleiben hatte. Die Abgabenbehörde hätte dies zum Anlass nehmen müssen, den Einkommensteuerbescheid des Bf für das Jahr 2005 gem § 295 Abs 1 BAO abzuändern, und die bis dahin erklärungsgemäß erfasste Beteiligung am Verlust der atypisch stillen Gesellschaft (B GmbH) nunmehr zu streichen.

Vom Bf wird die Ansicht vertreten, der (Nicht-)Feststellungsbescheid betreffend die B GmbH, der bereits am 21. 9. 2012 als Grundlagenbescheid ergangen war, hätte aufgrund der in § 192 BAO normierten Bindungswirkung bereits im abgeleiteten Bescheid vom 12. 5. 2022 berücksichtigt werden müssen. Die Nichtberücksichtigung des Bescheides betreffend der B GmbH zum damaligen Zeitpunkt (Neufestsetzung der Einkommenssteuer wegen des teilweise stattgebenden Erkenntnisses des BFG bezüglich des Feststellungsbescheides über die Einkünfte aus der A GmbH) stellt dem Rechtsmittelvorbringen zufolge eine Rechtswidrigkeit dar, die mit dem im Weiteren am 25. 4. 2023 erlassenen Bescheid nicht sanierbar sei.

Ein auf § 295 BAO gestützter Bescheid darf nur ergehen, wenn ein Grundlagenbescheid nachträglich (somit nach Zustellung des abgeleiteten Bescheides) erlassen oder abgeändert wird und wenn dieser nachträgliche Bescheid dem Adressaten des abgeleiteten Bescheides gegenüber wirksam ist. Wird ein Grundlagenbescheid vor dem abgeleiteten Bescheid erlassen und entgegen der Bindung im später ergehenden abgeleiteten Bescheid nicht berücksichtigt, so ist diese Rechtswidrigkeit nicht durch eine Änderung gem § 295 BAO sanierbar (Ritz/Koran, BAO7 § 295 Rz 3f). Zwar war im Zeitpunkt der Erlassung des abgeleiteten Bescheides (hier die Beschwerdevorentscheidung vom 3. 3. 2021) der Grundlagenbescheid bereits erlassen. Es hätte also grundsätzlich bereits in der Beschwerdevorentscheidung vom 3. 3. 2021 der Grundlagenbescheid betreffend der B GmbH Berücksichtigung finden müssen, der in der Erklärung beantragte Verlustanteil somit nicht anerkannt werden dürfen. Die Abweisung einer Bescheidbeschwerde als unbegründet ist jedoch derart zu werten, als ob das BFG eine mit dem angefochtenen Bescheid im Spruch übereinstimmende Entscheidung erlassen hätte, der fortan an die Stelle des angefochtenen Bescheides tritt (Ritz/Koran, BAO7 § 279 Rz 20). Das vollinhaltlich abweisende Erkenntnis des BFG (29. 11. 2022, RV/7100470/2014) bezüglich des (Nicht-)Feststellungsbescheides über die Einkünfte aus der B GmbH löste daher die Verpflichtung der Abgabenbehörde aus, mittels Bescheidänderung gem § 295 BAO einen mit dem Inhalt des Erkenntnisses in Einklang stehenden Einkommensteuerbescheid zu erlassen.

So ist zwar dem Bf grundsätzlich beizupflichten, wenn er vorbringt, es sei gegenständlich keine „nachträgliche“ Änderung, Aufhebung oder Erlassung eines Feststellungsbescheides erfolgt. Dennoch war die Bescheidänderung gem § 295 BAO anlässlich des Ergehens der (nachträglichen) abweisenden Entscheidung des BFG im gegenständlichen Fall zwingend geboten. Dass bereits am 12. 5. 2022 aus Anlass eines Erkenntnisses des BFG (12. 10. 2020, RV/7101107/2018) bezüglich des Feststellungsbescheides über die Einkünfte aus der A GmbH eine Bescheidänderung gem § 295 BAO erfolgt ist, steht dem auch nicht entgegen.

Conclusio

Wenn im Zeitpunkt der Ausstellung eines abgeleiteten Bescheides bereits ein Grundlagenbescheid (Feststellungsbescheid) existiert, müssen dessen Feststellungen zwingend in den abgeleiteten Bescheid gem § 192 BAO einfließen. Dies ist aber im konkreten Fall nicht geschehen, da der Grundlagenbescheid zunächst weder im abgeleiteten Bescheid noch in der dazugehörigen Beschwerdevorentscheidung berücksichtigt wurde. Der Hauptzweck der Regelung in § 295 Abs 1 BAO besteht darin, sicherzustellen, dass abgeleitete Bescheide stets mit den aktuellen Inhalten der zugrunde liegenden Feststellungsbescheide übereinstimmen. Selbst in Fällen, in denen ein bislang unberücksichtigter Feststellungsbescheid durch eine meritorische Beschwerdeentscheidung des BFG unverändert bleibt, ist die Abgabenbehörde daher verpflichtet, im Zuge dieser Entscheidung die Konsistenz innerhalb der Bescheide herzustellen. Die Änderung des abgeleiteten Bescheides nach § 295 BAO durch die Abgabenbehörde ist nicht nur zulässig, sondern verpflichtend, da § 295 BAO der Behörde kein Ermessen einräumt (Ritz/Koran, BAO7 § 295 BAO Rz 12). In diesem Fall liegt auch die durch § 295 Abs 1 geforderte „nachträgliche Abänderung“ des Grundlagenbescheides vor, da die Abweisung einer Bescheidbeschwerde durch das BFG dazu führt, dass der angefochtene Bescheid durch eine gleichlautende Entscheidung des BFG ersetzt wird, die an die Stelle des angefochtenen Bescheides tritt (VwGH 25. 11. 2009, 2005/15/0055; 23. 2. 2011, 2008/13/0115).

Da keine Rsp des VwGH zu der Frage besteht, ob eine nachträgliche abweisende Beschwerdeerledigung eine Verpflichtung zur Bescheidänderung gem § 295 BAO auslöst, wurde die ordentliche Revision für zulässig erklärt. Es wurde auch Revision eingebracht.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36487 vom 10.03.2025