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Abstract
Das BFG hatte über die Rechtzeitigkeit eines Wiedereinsetzungsantrages einer steuerlich vertretenen Partei zu entscheiden. Gem § 308 Abs 3 BAO ist dieser binnen einer Frist von drei Monaten nach Aufhören des Hindernisses einzubringen. Für den Beginn des Fristenlaufes kommt es auf den Zeitpunkt der zumutbaren Erkennbarkeit des Irrtums an. Im vorliegenden Fall ist nach dem BFG für den Bf der Verlust der Beschwerde auf dem Postweg absehbar, wenn eine der Post übergebene Sendung, dessen Empfängeranschrift sich in derselben Leitzone wie das Aufgabepostamt befindet, nach über zwei Monaten immer noch nicht zugestellt ist. Damit war für das BFG spätestens ab diesem Zeitpunkt der Irrtum für den Bf objektiv erkennbar, womit der Fristenlauf des § 308 Abs 3 BAO ausgelöst wird. Ein Wiedereinsetzungsantrag der über drei Monate nach diesem Zeitpunkt eingebracht wurde, ist nicht rechtzeitig.
BFG 10. 12. 2024, RV/7101530/2022
Sachverhalt
Der steuerlich vertretene Beschwerdeführer (Bf) brachte mit Datum 2. 9. 2021 einen Eventualantrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein. Dies wurde mit dem Argument begründet, dass die am 8. 3. 2021 zur Post gegebene Beschwerde offenbar durch das alleinige Verschulden der Post bei der Abgabenbehörde nicht eingelangt sei. Aus diesem Grunde habe dieser durch ein unvorhersehbares und unabwendbares Hindernis die Frist für die Einbringung der Beschwerde versäumt. Die Einbringung der Beschwerde sei jedenfalls innerhalb der Beschwerdefrist abgefasst und der Post am 8. 3. 2021 zur Beförderung übergeben worden.
Auch die Frist für die Einbringung des Rechtsbehelfes der Wiedereinsetzung wurde nach dem Bf gewahrt, zumal der Fristenlauf mit der Zustellung der Beschwerdevorentscheidung am 25. 8. 2021 beginne.
Die belangte Behörde wies den Antrag auf Wiedereinsetzung als unbegründet ab. Diese führte aus, dass die gesetzliche Frist von drei Monaten für die Stellung des besagten Rechtsbehelfes nicht eingehalten worden sei. Gegen diese Entscheidung des Finanzamtes (FA) wurde Beschwerde vor dem BFG erhoben.
Entscheidung des BFG
Einleitend stellt das BFG fest, dass nur strittig ist, ob das Tatbestandsmerkmal der Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrages vorliegt. Die Existenz der restlichen Tatbildmerkmale, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen, wird vonseiten der belangten Behörde nicht in Abrede gestellt. Im vorliegenden Fall hatte sich der steuerliche Vertreter der Bf über das Einlangen der am 8. 3. 2021 der Post zur Beförderung übergebenen Sendung – die die Beschwerde enthielt – beim FA geirrt. Fraglich ist daher, ab welchem Zeitpunkt der steuerliche Vertreter den Irrtum – nämlich das Nichteinlangen – hätte erkennen können.
Mit Blick auf die Chronologie ergibt sich für das BFG, dass erstmals am 14. 4. 2021 eine Mitarbeiterin des FA den steuerlichen Vertreter telefonisch kontaktierte. Darin teilte das FA dem steuerlichen Vertreter mit, dass zwar ein Aussetzungsantrag nach § 212a BAO vorliege, allerdings bislang noch keine Beschwerde eingelangt sei. Noch am selben Tag übermittelte die steuerliche Vertretung die fehlende Beschwerde samt Postaufgabeschein im Wege eines E-Mails. Damit wurde jedoch weder die Beschwerde noch der Wiedereinsetzungsantrag rechtswirksam eingebracht. Daher teilte das FA mit Vorhalteschreiben vom 7. 5. 2021 der steuerlichen Vertretung nunmehr schriftlich mit, dass bis dato keine Beschwerde eingegangen sei.
Mit Verweis auf die Rsp des VwGH (insb VwGH 20. 10. 2022, Ra 2022/13/0035) kommt es nach dem BFG für den Beginn des Fristenlaufes auf den Zeitpunkt der zumutbaren (objektiven) Erkennbarkeit des Irrtums an. Im vorliegenden Fall erfuhr die steuerliche Vertretung während eines Telefonats mit dem FA am 14. 4. 2021 erstmals, dass das Paket mit der Beschwerde noch nicht beim FA eingelangt war. Durch Vorhalt vom 7. 5. 2021 wurde der Bf auch schriftlich davon in Kenntnis gesetzt, dass die Beschwerdeschrift beim FA bislang nicht eingelangt sei. In der Folge wurde eine weitere Beschwerdeschrift per Briefpost beim FA eingebracht, welche am 11. 5. 2021 bei der Behörde einlangte. Damit musste der Bf spätestens mit Einlangen des Vorhaltes vom 7. 5. 2021 bzw mit Urgenzschreiben vom 11. 5. 2021 vom Vorliegen eines Zustellproblems gewusst haben. Auch die gesonderte erneute Übermittlung der Beschwerdeschrift am 11. 5. 2021 bildet ein eindeutiges Indiz dafür, dass der Bf Kenntnis vom Nichteinlangen der ursprünglichen Beschwerdeschrift hatte und zur Absicherung eine wiederholte Zusendung vornahm.
Nach Auffassung des BFG war daher das Fristversäumnis spätestens am 11. 5. 2021 für den Bf erkennbar. Wenn ein der Post zur Beförderung übergebenes Poststück, dessen Empfängeranschrift sich noch dazu in derselben Leitzone befindet, nach über zwei Monaten immer noch nicht zugestellt ist, dann ist nach allgemeiner Lebenserfahrung davon auszugehen, dass dieses mit einem sehr hohen Grad an Wahrscheinlichkeit auf dem Postweg verloren gegangen ist. Daran kann auch der Umstand, dass sich das Poststück durchgehend bis zum 9. 6. 2021 im Trackingsystem der Post als in Verteilung aufschien, nichts ändern.
Neben dem Zeitpunkt der objektiven Erkennbarkeit des Fristversäumnisses behandelt das BFG – trotz Außerstreitstellens durch die Parteien – die subjektive Voraussetzung zur Bewilligung des Wiedereinsetzungsantrags: Nach § 308 Abs 1 BAO hindert ein minderer Grad des Versehens nicht die Bewilligung der Wiedereinsetzung. Unschädlich ist sohin ein Grad des Versehens, der als leichte Fahrlässigkeit iSd § 1332 ABGB zu verstehen ist (Capek/Rzeszut/Turpin in Rzeszut/Tanzer/Unger [Hrsg], BAO: Stoll Kommentar – Digital First2.06 § 308 Rz 48 mVa VfGH 12. 10. 1983, B 202/81; VwGH 16. 3. 1993, 89/14/0254; 26. 2. 2014, 2012/13/0051; 14. 10. 2015, 2013/17/0137). Das BFG stellt für den vorliegenden Fall zusammenfassend fest, dass der Steuerberater den Grad der leichten Fahrlässigkeit jedenfalls überschritten hat: Dieser hat trotz ausdrücklicher Mitteilung des FA über das Nichteinlangen der Beschwerde keinen Wiedereinsetzungsantrag gestellt, sondern lediglich Kontakt mit der Post aufgenommen und die Zustellung des Paketes urgiert. Damit verlässt sich dieser darauf, dass die Zustellung erfolgen werde. Gemessen am Sorgfaltsmaßstab eines durchschnittlichen Steuerberaters handelt dieser somit grob sorgfaltswidrig.
Unbeschadet dieser Ausführungen zur subjektiven Voraussetzung des minderen Versehens ist der Wiedereinsetzungsantrag dem BFG zufolge unzulässig: Die Frist für die Einbringung des Wiedereinsetzungsantrag begann spätestens am 11. 5. 2021 zu laufen und endete daher mit Ablauf des 11. 8. 2021. Der Wiedereinsetzungsantrag vom 2. 9. 2021 wurde somit verspätet eingebracht, womit die Beschwerde vom BFG abgewiesen wurde. Gegen diese Entscheidung des BFG wurde vom Bf Revision erhoben.
Conclusio
In der vorliegenden Entscheidung hatte sich das BFG mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung nach § 308 BAO auseinanderzusetzen. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob der Antrag rechtzeitig innerhalb der Dreimonatsfrist des § 308 Abs 3 BAO eingebracht wurde. Zusätzlich hat sich das BFG jedoch auch mit der subjektiven Voraussetzung zur Bewilligung des Wiedereinsetzungsantrags auseinandergesetzt: Gem § 308 Abs 1 BAO hindert ein minderer Grad des Versehens nicht die Bewilligung der Wiedereinsetzung. Hervorzuheben ist dies, da das BFG in seiner Begründung eingangs darauf verwiesen hat, dass lediglich das Tatbestandsmerkmal der Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrages strittig ist. Das FA hat die übrigen Tatbildmerkmale des § 308 BAO nicht in Abrede gestellt. In Ausübung der dem BFG eingeräumten vollen Kognitionsbefugnis (siehe Sutter in Holoubek/Lang [Hrsg], Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesfinanzgericht [2014] 271 f; Tanzer/Unger in Rzeszut/Tanzer/Unger [Hrsg], BAO: Stoll Kommentar – Digital First2.06 [2023] § 269 BAO Rz 5) hat das BFG jedoch auch das Verschulden des Bf an der Fristversäumnis beurteilt. Das BFG ist zum Schluss gekommen, dass die dem Bf zuzurechnende steuerliche Vertretung grob fahrlässig gehandelt hat. Damit sollte der Antrag auf Wiedereinsetzung gem § 308 Abs 1 BAO bereits aus diesen Gründen der Erfolg zu versagen sein. Das BFG hat die Unzulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrags jedoch nicht ausdrücklich auf das grob fahrlässige Handeln der steuerlichen Vertretung gestützt, sondern die Abweisung der Beschwerde vorrangig mit der verspäteten Einbringung begründet. Im Ergebnis bleibt jedenfalls abzuwarten, ob der VwGH der Beurteilung des BFG – sowohl hinsichtlich der Rechtzeitigkeit als auch des Verschuldens – im Rahmen der Revision des Bf folgen wird.