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DBA-CSSR: Art 4
DBA-Zypern: Art 14
Abstract
Das BFG hatte zu entscheiden, ob bei einem Wohnsitz sowohl in Österreich (Ö) als auch in der Slowakei (SK) die Einkünfte aus der Geschäftsführertätigkeit für eine zypriotische Gesellschaft in Ö zu versteuern waren. Im Zentrum der Diskussion stand die Frage nach der steuerlichen Ansässigkeit des Beschwerdeführers (Bf), insb ob sein Mittelpunkt der Lebensinteressen in Ö oder in der SK lag. Dabei war die Abwägung persönlicher und wirtschaftlicher Verbindungen, wie etwa Immobilienbesitz und familiäre Bindungen, entscheidend. Das BFG entschied, dass nach Anwendung der Tie-Breaker-Rule des DBA-CSSR die Geschäftsführereinkünfte gemäß dem DBA-Zypern in den Jahren, in denen der Lebensmittelpunkt des Bf in Ö lag, dort zu versteuern waren.
BFG 25. 9. 2024, RV/7101568/2018
Sachverhalt
Der Bf war im Streitzeitraum Gesellschafter-Geschäftsführer einer zypriotischen Gesellschaft und in verschiedenen Ländern beruflich tätig, ua in Ö und in der SK. Gegen ihn leitete das Finanzamt (FA) eine Außenprüfung ein, nachdem im Jahr 2009 eine Hausdurchsuchung an zwei österreichischen Adressen stattgefunden hat. Diese war aufgrund des Verdachts auf Abgabenverkürzung bei der Einkommensteuer (ESt) veranlasst worden. Im Zuge der Hausdurchsuchung stellte die Behörde ua Geschäftsunterlagen, Kleidungsstücke und Hygieneartikel sicher, die darauf hinweisen sollten, dass der Bf einen Wohnsitz in Ö innehatte.
Das FA Baden Mödling (nunmehr Finanzamt Österreich) folgte den Feststellungen der Außenprüfung und setzte mit Bescheiden im Dezember 2012 erstmalig die ESt für die Jahre 2002–2010 fest. Da der Bf den Aufforderungen des FA, die Behauptung eines fehlenden Wohnsitzes in Ö durch geeignete Nachweise zu untermauern, nicht ausreichend nachkam und auch die Auskunftsersuchen an die zypriotischen und slowakischen Steuerbehörden keine relevanten Informationen lieferten, war die Behörde gezwungen, die Bemessungsgrundlage gem § 184 BAO im Schätzungsweg zu ermitteln.
Gegen die Einkommensteuerbescheide erhob der Bf Beschwerde. Er führte aus, dass die bei der Hausdurchsuchung sichergestellten Gegenstände nicht als Nachweis eines Wohnsitzes in Ö herangezogen werden könnten, da sie teils veraltet oder nicht ihm zuzurechnen seien. Zudem habe er aufgrund des parallel laufenden Strafverfahrens vor dem Landesgericht (LG) von seinem Recht Gebrauch gemacht, nicht mitzuwirken, um sich selbst nicht zu belasten. Er kritisierte die Schätzung seines Einkommens als fehlerhaft und unverhältnismäßig hoch und argumentierte, dass seine Geschäftsführereinkünfte gemäß dem DBA-Zypern ausschließlich in Zypern zu versteuern seien.
Im Juni 2013 wurde der Bf vom LG vom Vorwurf der Abgabenhinterziehung freigesprochen, da kein Wohnsitz in Ö nachgewiesen werden konnte. Darauf führte der Bf aus, dass dieses rechtskräftige Urteil Bindungswirkung für das Abgabenverfahren habe und daher auch dort kein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt in Ö angenommen werden dürfe.
Im Dezember 2016 gab das BFG den Beschwerden des Bf gegen die Einkommensteuerbescheide 2002 und 2003 statt, wies jedoch die Beschwerden für die Jahre 2004–2010 ab. Im März 2018 hob der VwGH die Entscheidung des BFG wegen Rechtswidrigkeit infolge von Verfahrensfehlern auf und der Fall wurde erneut an das BFG überwiesen.
Entscheidung des BFG
Das BFG führt zunächst aus, dass es nach stRsp des VwGH grundsätzlich an die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils gebunden ist, wenn diese Feststellungen die Grundlagen für eine Verurteilung bilden und der Spruch auf ihnen beruht (mVa VwGH 30. 3. 1998, 95/16/0324; 30. 4. 2003, 2002/16/0006, 0007; 28. 5. 2009, 2007/16/0161). Im vorliegenden Fall ist das BFG lediglich an die Feststellung des LG gebunden, dass keine hinterzogenen Abgaben vorlagen. Für die steuerrechtlich zentrale Frage, ob ein inländischer Wohnsitz bestand, gibt es hingegen keine Bindungswirkung, da diese Frage im Strafverfahren lediglich als Vorfrage beurteilt wurde. Daher hat das BFG die Möglichkeit, im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu entscheiden.
Für die weitere Beurteilung des Sachverhaltes stellt das BFG fest, dass der Bf im relevanten Zeitraum in Ö einen Wohnsitz gem § 26 BAO hatte. Das BFG stützt seine Feststellung zum Wohnsitz des Bf in Ö auf die vorgefundenen persönlichen Gegenstände sowie die regelmäßige Nutzung der Wohnräume. Entscheidend war daneben auch die tatsächliche Verfügungsgewalt des Bf über das Wohnhaus, die darauf schließen ließ, dass ihm dieses dauerhaft und nicht nur vorübergehend zur Verfügung stand. Das BFG kommt daher zum Schluss, dass es am wahrscheinlichsten ist, dass der Bf im relevanten Zeitraum seinen steuerlichen Wohnsitz in Ö hatte. Daneben bestand auch ein Wohnsitz in der SK.
Der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Bf wurde vom BFG bis zumindest 2008 sowohl aufgrund seiner wirtschaftlichen als auch persönlichen Beziehungen zu Ö festgestellt. Wirtschaftlich war dies va durch sein beträchtliches Immobilienvermögen begründet. Besonders das großzügige Wohnhaus in Ö war ein bedeutender Vermögenswert, der sich sowohl im Wert als auch der Funktion von der Genossenschaftswohnung in der SK unterschied. Gleichzeitig würdigte das BFG die persönlichen Beziehungen des Bf unter Berücksichtigung seiner familiären und partnerschaftlichen Lebenssituation sowie seiner Aufenthalte in Ö und in der SK. Nach der stRsp des VwGH (mVa VwGH 25. 11. 2015, 2011/13/0091; 22. 3. 1991, 90/13/0073) ist die stärkste persönliche Beziehung idR an dem Ort, an dem eine Person regelmäßig mit ihrer Familie lebt. Der Umstand, dass der Bf in aufrechter Ehe mit seiner Frau und Tochter in einem gemeinsamen Haushalt in Ö lebte, spricht stark für einen Lebensmittelpunkt in Ö. Dies wird zusätzlich durch den im Juli 2003 gemeinsam mit seiner Ehefrau, Tochter und befreundeten Familien verbrachten Familienurlaub untermauert, obwohl der Bf angab, seit 2002 in einer Lebensgemeinschaft mit seiner slowakischen Lebensgefährtin zu leben. Die starken persönlichen Anknüpfungspunkte zogen sich nach Ansicht des BFG bis einschließlich 2008 durch und frühestens ab dem Jahr 2009 wurde die Verlagerung des Mittelpunktes der Lebensinteressen von Ö in die SK als erwiesen angesehen.
Gem Art 4 Abs 2 lit a DBA-CSSR (ehemalige Tschechoslowakei) richtet sich die steuerliche Ansässigkeit danach, zu welchem Staat die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen bestehen (Mittelpunkt der Lebensinteressen). Wie vom BFG festgestellt, lag der Mittelpunkt der Lebensinteressen und somit die steuerliche Ansässigkeit des Bf in den Jahren 2002–2008 in Ö.
Für die weitere Beurteilung des Einkommens des Bf zog das BFG das DBA-Zypern heran. Der Bf wendete ein, dass seine Geschäftsführereinkünfte nach dem DBA-Zypern, in Zypern zu versteuern wären. Gem Art 14 DBA-Zypern sind Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit grundsätzlich im Ansässigkeitsstaat zu besteuern, es sei denn, es besteht eine feste Einrichtung im anderen Staat. Da dem Bf für seine Tätigkeit als Geschäftsführer (GF) der zypriotischen Gesellschaft keine feste Einrichtung zur Verfügung stand und er diese Tätigkeit von seinem Wohnsitz in Ö ausübte – wie durch das bei der Hausdurchsuchung vorgefundene Büro und Geschäftsunterlagen belegten – weist Art 14 DBA-Zypern Ö das Besteuerungsrecht zu. Daher sind die Geschäftsführereinkünfte aus den Jahren 2002–2008 gem § 22 Z 2 EStG in Ö zu versteuern.
Das BFG bestätigt die Schätzung der Geschäftsführereinkünfte des Bf, da dieser trotz mehrfacher Aufforderung weder ausreichende Unterlagen vorlegte noch seiner erhöhten Mitwirkungspflicht bei Auslandssachverhalten nachkam, obwohl ihm dies nach Abschluss des Strafverfahrens im Juni 2013 möglich gewesen wäre. Das FA verwendete die Methode des inneren Betriebsvergleichs und stützte sich auf beschlagnahmte Unterlagen, Lebenshaltungskosten sowie frühere Einkünfte. Die Schätzung von 10.000 € pro Monat wurde vom BFG als plausibel und sachgerecht angesehen, wobei allfällige negative Folgen des mangelnden Mitwirkens in den Verantwortungsbereich des Bf fallen.
Aufgrund der Feststellungen spricht das BFG aus, dass die Beschwerde des Bf gegen die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2004–2008 unbegründet war, weil sein Mittelpunkt der Lebensinteressen in diesem Zeitraum in Ö lag und er dort steuerlich ansässig war. Für die Jahre 2002 und 2003 hob das BFG die Bescheide wegen eingetretener Verjährung auf, während ab 2009 keine Steuerpflicht in Ö mehr bestand, da der Bf seinen Lebensmittelpunkt nachweislich in die SK verlagert hatte. Die ordentliche Revision an den VwGH wurde für nicht zulässig erklärt.
Conclusio
Die Entscheidung des BFG steht im Einklang mit der stRsp des VwGH zu den verschiedenen relevanten Rechtsfragen, wie etwa der Beurteilung des Mittelpunkts der Lebensinteressen und der Rechtskraft von Strafurteilen, und hebt dabei die komplexe Beurteilungsweise hervor, die bei grenzüberschreitenden Fällen erforderlich ist. Im Zentrum stand die Frage, ob der Bf in den Streitjahren 2002–2010 in Ö oder in der SK steuerlich ansässig war, was über die Besteuerung seiner Einkünfte als GF einer zypriotischen Gesellschaft entschied. Die Bestimmung des Mittelpunkts der Lebensinteressen, basierend auf nationalen Bewertungen und der Heranziehung des Art 4 DBA-CSSR hat es notwendig gemacht, persönliche und wirtschaftliche Verbindungen in einem internationalen Kontext abzuwägen, wobei der Beweisführung zentrale Bedeutung zukommt. Die fehlende oder unzureichende Mitwirkung des Bf, insb bei Auslandssachverhalten, erschwerte die Sachverhaltsfeststellung erheblich.
Das BFG hat durch die systematische Anwendung der relevanten DBA herausgearbeitet, dass der Lebensmittelpunkt des Bf bis 2008 in Ö lag und daher die Einkünfte aus seiner Tätigkeit als GF einer zypriotischen Gesellschaft in Ö zu versteuern waren. Besonders bei komplexen internationalen Sachverhalten wird – wie in diesem Fall – die Bedeutung der Mitwirkungspflicht deutlich. In seinem Erk betont das BFG nicht nur die Notwendigkeit dieser Pflicht, sondern auch, dass Steuerpflichtige die Konsequenzen tragen, wenn sie ihrer erhöhten Mitwirkungspflicht nicht nachkommen. Ein weiteres wesentliches Instrument stellt die Möglichkeit dar, die Bemessungsgrundlage gem § 184 BAO im Schätzungsweg zu ermitteln, da so sichergestellt werden kann, dass die Besteuerung auch bei einer fehlenden Mitwirkung gewährleistet wird.