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BFG: „Vorsoll“ ist kein Spruchbestandteil

Bearbeiter: Lukas Schuster

§§ 278f, 198 Abs 2 BAO

Abstract

Dem BFG wurden Beschwerden gegen zwei Umsatzsteuerbescheide aus den Jahren 2010 und 2011 vorgelegt. In diesen Bescheiden hatte die Abgabenbehörde sowohl die Umsatzsteuerlast für das betreffende Jahr als auch einen etwaigen Rückstand oder Überschuss aus Vorjahren (sog „Vorsoll“) ausgewiesen. Die Angaben zu diesem Vorsoll stellten sich nachträglich als falsch heraus. Das BFG hatte zu beurteilen, ob es zuständig war, die Bescheide aufgrund der unrichtigen Vorsollbeträge zu ändern. Hierbei kam es zu dem Ergebnis, dass den Vorsollbeträgen mangels Aufrechnung mit der vorgeschriebenen Umsatzsteuerlast und Fälligstellung dieser Differenz bloß Informationscharakter zukam. Die Vorsollbeträge stellten somit keinen Spruchbestandteil dar, waren nicht Sache des Beschwerdeverfahrens und konnten vom BFG mangels Zuständigkeit nicht abgeändert werden.

BFG 24. 1. 2025, RV/2100991/2018

Sachverhalt

Die Abgabenbehörde stellte der Bf am 19. 10. 2016 Bescheide zu, in denen die Umsatzsteuer für die Jahre 2010 und 2011 festgesetzt wurde. Inhalt dieser Bescheide war zum einen die Steuerlast für das betreffende Jahr, zum anderen ein sog Vorsoll. Hierbei handelte es sich um einen Betrag, der der bisher vorgeschriebenen Umsatzsteuer aus Vorjahren entsprach. Die Abgabenbehörde teilte in den Bescheiden auch mit, welcher Differenzbetrag sich aus fälliger Umsatzsteuerlast und dem Vorsoll ergab. Es wurde jedoch nur die Umsatzsteuerlast fällig gestellt, nicht der aufgerechnete Differenzbetrag. Nachträglich stellte sich heraus, dass die Abgabenbehörde das Vorsoll in beiden Bescheiden unrichtig ausgewiesen hatte. Grund war ein Irrtum bei der händischen Übernahme des Vorsolls in den Bescheiden. Die Bf bekämpfte den Bescheid, woraufhin die Abgabenbehörde eine BVE erließ, die dem BFG vorgelegt wurde. Das BFG hatte zu beurteilen, ob es in seinen Zuständigkeitsbereich fällt, das fehlerhafte Vorsoll auszubessern.

Entscheidung des BFG

Das BFG verweist zunächst auf § 279 BAO, wonach das Verwaltungsgericht in der Sache selbst zu entscheiden hat, außer es ist ein Fall des § 278 BAO einschlägig. Das ist hier nicht der Fall, weshalb das BFG in der Sache selbst zu entscheiden hat. Es ist daher zur Lösung der Rechtsfrage entscheidend, was Sache des konkreten Verfahrens ist. Hierbei verweist das BFG auf Rsp des VwGH, wonach Sache des Beschwerdeverfahrens jene Angelegenheit ist, die den Inhalt des Spruchs erster Instanz gebildet hat. Aus dieser Rsp folgert das BFG, dass beurteilt werden muss, ob die Festsetzung des Vorsolls Bestandteil des Spruchs der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide ist. Hierfür verweist das BFG zunächst auf § 198 Abs 2 BAO, wonach Abgabenbescheide im Spruch die Art und Höhe der Abgaben, den Zeitpunkt ihrer Fälligkeit und die Grundlage der Abgabenfestsetzung zu enthalten haben. Der Inhalt des § 198 Abs 2 BAO wird hierbei durch ein Judikat des VwGH konkretisiert. In einem ähnlich gelagerten Fall (VwGH 24. 9. 2002, 2001/14/0203) entschied das Höchstgericht, dass das Vorsoll nicht Bestandteil des Bescheidspruchs ist, wenn die Differenz zwischen Vorsoll und der im Bescheid vorgeschriebenen Abgabenhöhe nicht fällig gestellt wird. In einem solchen Fall hat das Vorsoll bloßen Informationscharakter. Das BFG wendet diese Rsp an und kommt zum Ergebnis, dass bloß die Abgabenhöhe des Bescheids fällig gestellt wurde, nicht jedoch das Vorsoll. Daher ist das Vorsoll nicht Bestandteil des Spruchs geworden. Mangels Spruchcharakter des Vorsolls ist dieses auch nicht Sache des Beschwerdeverfahrens. Da das BFG nur im Rahmen der Sache nach § 289 BAO befugt ist, zu entscheiden, liegt die Höhe des Vorsolls nicht im Kompetenzbereich des BFG. Das BFG ändert den Bescheid daher nicht ab und weist die Beschwerde ab. Eine Revision wird nicht zugelassen.

Conclusio

Die zentrale Frage des Falls ist, was als Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor dem BFG zu sehen ist. Im Gesetz findet sich ein Verweis auf den Beschwerdegegenstand in § 289 BAO, welcher bestimmt, dass das BFG in der „Sache“ zu entscheiden hat. Der Begriff der Sache wird im Gesetz jedoch nicht näher konkretisiert. Vielmehr wird dieser Begriff, der die Entscheidungsbefugnis des BFG abgrenzt, nur durch Rsp (VwGH 17. 12. 2020, Ra 2020/16/0137; 1. 2. 2021, Ra 2018/16/0121) und Lehrmeinungen (vgl Staringer, Der Verfahrensgegenstand – die „Sache“ der Finanzgerichtsbarkeit in Holoubek/Lang [2017] 79) näher konkretisiert. Die Sache wird demnach durch den Inhalt des Spruchs erster Instanz begrenzt. Unter Berücksichtigung, dass dem Spruch des Bescheids notwendigerweise ein normativer Charakter zugrunde liegt, ist die Beurteilung, dass das Vorsoll im gegebenen Fall nicht Spruchbestandteil ist, überzeugend. Der Bescheid nennt zwar das Vorsoll und weist auch den Differenzbetrag in Verbindung mit der Abgabenhöhe aus. Fällig gestellt wird jedoch nur die Umsatzsteuerlast, welche im Bescheid ausgewiesen wurde. Damit wird auch nur hinsichtlich der Umsatzsteuerlast eine normative Zahlungsanordnung hergestellt. Die Beurteilung als bloße Bescheidinformation des Vorsolls ist daher in concreto überzeugend. Anzumerken ist, dass die Entscheidung, ob ein vorgerechneter Differenzbetrag auch fällig gestellt wird, Ergebnis einer Auslegung des Bescheids ist. In Fällen, in denen die Formulierung des Spruchs anders gelagert ist, ist es daher durchaus denkbar, dass eine Interpretation des Bescheids zum Ergebnis führt, dass das Vorsoll Teil der Sache des Beschwerdeverfahrens ist. Dem BFG würde in einem solchen Fall die Befugnis zukommen, die falsche Höhe des Vorsolls abzuändern.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36492 vom 11.03.2025