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GebG 1957: § 33 TP 20
Abstract
§ 87 Abs 1 EheG ermöglicht den Ehegatten im Falle einer Scheidung die Übertragung des Eigentums oder sonstiger dinglicher Rechte an der Ehewohnung durch das Gericht auszuschließen. Nach dem BFG handelt es sich bei der Vereinbarung der „Opting-Out“-Regelung iSd § 87 EheG um eine vertragliche Vorwegvereinbarung bestimmter Vermögenszuordnungen und nicht um einen Vergleich iSd des Zivilrechts und des GebG. Eine Gebührenpflicht iSd § 33 TP 20 GebG besteht somit in diesem Fall nicht.
BFG 19. 12. 2023, RV/5100940/2021
Sachverhalt
Die Bf und ihre Gattin haben im Jahr 2020 miteinander die Ehe geschlossen. Danach haben sie am 26. August 2020 eine „Vorwegvereinbarung“ in Form eines Notariatsaktes abgeschlossen. Der Gatte ist Alleineigentümer einer Liegenschaft, die die beiden Ehegatten gemeinsam bewohnen. Eine Wohnung, welche Teil der Liegenschaft ist, wurde von den Ehegatten mit gemeinsamen finanziellen Mitteln saniert und ausgebaut. Nach der Vereinbarung sollte diese Investition im Falle der Scheidung der Bf mit 50.000 € abgegolten werden. Weiters wird in der Vereinbarung festgelegt, welche Darlehensverbindlichkeiten von welchem Ehegatten im Falle einer Scheidung zu tragen sind und wie Ausgleichzahlungen für eventuelle zukünftige Investitionen zu berechnen sind. Wesentlicher Bestandteil der Vereinbarung ist aber auch, dass bei einer Scheidung die Übertragung des Eigentums oder dinglicher Rechte an der Ehewohnung gem § 87 Abs 1 EheG ausgeschlossen wird.
Anschließend legte das Finanzamt eine Gebühr iHv 2 % der von jeder Partei übernommen Leistung auch unter Berücksichtigung eventueller zukünftiger Investitionen gem § 33 TP 20 Abs 1 lit b GebG fest. Nach dem Finanzamt unterliegen nämlich Ausgleichszahlungen für bereits getätigte und zukünftige Aufwendungen und Investitionen der Vergleichsgebühr. In der Beschwerde führte die Bf aus, dass nur 50.000 € als fixe Ausgleichzahlung vereinbart sei und nur diese Summe als Bemessungsgrundlage für die Gebührenberechnung heranzuziehen sei. Nach einer abweisenden Beschwerdevorentscheidung durch das Finanzamt brachte die Bf im Vorlageantrag vor, dass die mit ihrem Ehegatten geschlossene Vorwegvereinbarung gar kein Vergleich iSd § 33 TP 20 GebG sei und daher gar keine Gebühr zu entrichten sei.
Entscheidung des BFG
Gem § 33 TP 20 GebG unterliegen außergerichtliche Vergleiche einer Rechtsgeschäftsgebühr. Diese beträgt bei außergerichtlichen Vergleichen 2 % des Gesamtwertes der von jeder Partei übernommenen Leistungen. Weil das GebG den Begriff des Vergleiches nicht definiert, ist diesbezüglich auf die zivilrechtliche Definition in § 1380 ABGB zurückzugreifen (VwGH 28. 2. 2007, 2006/16/0136; 21. 3. 2012, 2011/16/0122). Ein Vergleich ist daher eine konstitutive Vereinbarung, mit der durch beiderseitiges Nachgeben der Vertragsparteien strittige Rechte einverständlich neu festgelegt und bereinigt werden, um Rechtsstreitigkeiten beizulegen (VwGH 13. 5. 2004, 2004/16/0032; 21. 3. 2012, 2011/16/0122). Dazu ist es aber nicht erforderlich, dass der Vereinbarung vorangegangene Streitigkeiten bereinigt werden, sondern es können auch zukünftige gegensätzliche Interessen der Vertragsparteien ausgeglichen werden (VwGH 8. 9. 2010, 2008/16/0154). Eheverträge sind daher nach ständiger Rsp grundsätzlich Vergleiche, da die Folgen einer Scheidung gesetzlich nicht im Einzelnen festgelegt sind und eine Scheidungsfolgenvereinbarung zukünftige zweifelhafte Rechte mit Streitvermeidungsfunktion behandelt, bei der beide Ehegatten zu Zugeständnissen bereit waren (VwGH 25. 11. 1999, 99/16/0021; 28. 9. 2000, 2000/16/0332; 29. 7. 2004, 2003/16/0117). Auch Scheidungsfolgenvereinbarungen, die sowohl vermögensrechtliche Regelungen als auch Unterhaltsvereinbarungen umfassen, hat das BFG weiter als gebührenpflichtig beurteilt (BFG 20. 7. 2015, RV/7102954/2012; 6. 11. 2019, RV/4100148/2019).
Der Fall einer Vorwegvereinbarung hinsichtlich der gemeinsamen Ehewohnung iSd § 87 EheG unterschiedet sich aber von einer generellen Trennungsfolgenvereinbarung. So ist auch in BFG 18. 5. 2018, RV/7101539/2014 entschieden worden, dass ein „Opting-Out“ der Ehewohnung aus der nachehelichen Aufteilung mit einer gleichzeitigen Ausgleichzahlung für Investitionen kein Vergleich iSd § 33 TP 20 GebG ist, da das Tatbestandsmerkmal des Vergleichs „gegenseitiges Nachgeben“ nicht erfüllt ist. Zum Zeitpunkt der Eheschließung herrschte nämlich noch kein Streit. Vereinbarungen, die Rechte und Pflichten anders als im Gesetz regeln und über deren Art und Ausmaß kein Streit herrscht, stellen aber keinen gebührenpflichtigen Vergleich dar (VwGH 21. 3. 2012, 2011/16/0122; 11. 9. 2018, Ra 2016/16/0110). Eine vertragliche Vorwegregelung bestimmter Vermögenszuordnungen ist daher kein Vergleich iSd § 33 TP 20 GebG (Gitschthaler in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar5 [2019] § 97 EheG Rz 28), weshalb im konkreten Fall keine Gebührenpflicht bestand.
Conclusio
Die entscheidende Frage zur Gebührenpflicht einer Vorwegvereinbarung über eine Ehewohnung ist, ob dieses „Opting-Out“ iSd § 87 EheG ein strittiges Recht darstellt und somit ein Vergleich iSd Zivilrechts und des GebG ist. Das BFG geht auch bei Vorwegwegvereinbarungen über den Unterhalt weiterhin von einem Vergleich strittiger Rechte aus, da sich die vermögensrechtlichen Folgen einer Ehescheidung nicht direkt aus dem Gesetz ableiten lassen (BFG 13. 9. 2023, RV/7103181/2020). Daher könnten auch im Fall der Vorwegvereinbarung über eine Ehewohnung argumentiert werden, dass dieser zumindest teilweise strittige Rechte behandelt, wenn zB wie im konkreten Fall eine Abgeltung für Investition festgelegt wird, die in § 87 Abs 1 EheG nicht vorgesehen ist. In VwGH 11. 9. 2018, Ra 2016/16/0110 hat dieser aber entschieden, dass ein Erb- und Pflichtteilsverzicht gebührenfrei ist, auch wenn dafür ein gesetzlich nicht unbedingt vorgesehener finanzieller Ausgleich geleistet wird. Daher wird auch im Fall einer Vorwegvereinbarung gem § 87 Abs 1 EheG von Gebührenfreiheit auszugehen sein, da auch hier nur eine gesetzliche Option des EheG zwischen den Ehegatten vereinbart wird und somit kein Vergleich über strittige Rechte vorliegt.
Höchstgerichtliche Rsp besteht zur Frage der Gebührenpflicht einer Vorwegvereinbarung gem § 87 Abs 1 EheG aber noch nicht, weshalb das BFG im konkreten Erkenntnis die Revision für zulässig erklärt hat. Soweit dies ersichtlich ist, wurde aber keine (Amts-)Revision eingebracht. In Anbetracht dessen, dass die Gebührenpflicht derartiger Vereinbarungen in der überwiegenden gebührenrechtlichen Lit grundsätzlich bejaht wird (Pinetz/Schimmer in Bergmann/Pinetz, GebG2 [2020] § 33 TP 20 Rz 10; Themel in Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern I [2023] § 33 TP 20 Rz 9 ff) und in der überwiegenden zivilrechtlichen Lit verneint wird (Gitschthaler in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar5 [2019], § 97 EheG Rz 28; Stabentheiner/Pierer in Rummel/Lukas, ABGB4 [2021] § 97 EheG Rz 9), wäre eine Entscheidung des VwGH der Rechtssicherheit sicher dienlich gewesen.