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BFG: Wiederaufnahme trotz Offenlegung?

Bearbeiter: Marlene Czernobila

UStG 1994: § 12 Abs 10

BAO: § 303 Abs 1 lit b

Abstract

Das BFG hatte zu beurteilen, ob nach dem unecht steuerfreien Verkauf einer Liegenschaft ein Wiederaufnahmegrund (§ 303 Abs 1 lit b BAO) iZm einer nicht durchgeführten Vorsteuerberichtigung vorliegt. Die Liegenschaft wurde zuvor jahrelang für USt-pflichtige Einkünfte verwendet. Da die Stpfl bereits zur Beurteilung einer etwaigen Vorsteuerkorrektur alle wesentlichen Tatsachen vorgelegt hatte, verneinte das BFG das Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes. Die Revision erklärte das BFG für nicht zulässig. Eine ao Amtsrevision wurde eingebracht.

BFG 7. 8. 2024, RV/7100262/2023

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin (Bf) verkaufte 2015 mehrere Mietzinshäuser ohne Ausübung der Option nach § 6 Abs 2 UStG, somit unecht steuerbefreit gem § 6 Abs 1 Z 9 lit a UStG. In ihrer UVA 12/2015 und in der USt-Erklärung 2015 nahm die Bf dementsprechend mehrere Vorsteuerberichtigungen, insb iZm Sanierungsarbeiten, vor. Keine Vorsteuerberichtigung nahm sie jedoch iZm der ebenfalls steuerfrei verkauften „Liegenschaft 7“ vor. Diese wurde zwar vor dem Beginn des Berichtigungszeitraums angeschafft, allerdings fand innerhalb des Berichtigungszeitraums eine Fundamentsanierung statt.

Im Rahmen einer UVA legte die Bf dem FA diesen Umstand am 16. 3. 2016 offen und erklärte, warum sich ihrer Ansicht nach trotz des befreiten Verkaufs der Liegenschaft kein Bedarf nach einer Vorsteuerkorrektur gem § 12 Abs 10 UStG ergibt. Genauer wurde dies in einem Telefongespräch zw der Bf und dem FA dargelegt. Am 15. 6. 2016 brachte die Bf die USt-Erklärung 2015 ein, in der keine Vorsteuerberichtigung für die „Liegenschaft 7“ vorgenommen wurde. Am 17. 6. 2016 erging der USt-Bescheid 2015 antragsgemäß. Zudem übermittelte die Bf am 21. 7. 2016 Informationen und Unterlagen iZm dem Schreiben vom 16. 3. 2016. Am 18. 8. 2016 reagierte das FA mit einem Ergänzungsersuchen mit weiteren Fragen über technische Details der Sanierung, das die Bf fristgerecht beantwortete. Fünf Jahre später, am 17. 12. 2021, nahm das FA das Verfahren wieder auf und setzte die USt unter Berücksichtigung einer Vorsteuerberichtigung für die „Liegenschaft 7“ neu fest. Außerdem wurden im neuen USt-Bescheid 2015 erstmals unecht befreite Umsätze berücksichtigt, die dem FA erst nach Erlass des Erstbescheides bekannt wurden.

Entscheidung des BFG

Das BFG stellt zunächst fest, dass der steuerfreie Verkauf der „Liegenschaft 7“ die Voraussetzungen für eine Vorsteuerberichtigung erfüllt. Unstrittig liegt eine Änderung der Verhältnisse iSd § 12 Abs 10 UStG vor, weil die Bf die Liegenschaft zur Erzielung stpfl Vermietungsumsätze verwendete und sie nun aber steuerfrei verkauft. Das FA war in seiner rechtlichen Beurteilung von einer Begründung der Vorsteuerberichtigung durch den unecht steuerfreien Liegenschaftsverkauf ausgegangen. Diese sei aufgrund der Fundamentsanierung, welcher den Tatbestand der Großreparatur gem § 12 Abs 10 UStG erfüllt, vorzunehmen. Die Kosten der Großreparatur unterliegen somit der Vorsteuerberichtigung nach § 12 Abs 10 UStG und führen somit zu einer Steuerzahlung.

Der Begriff der Großreparatur wird vom VwGH 24. 11. 2016, Ro 2014/13/0036 als „ein nicht aktivierungspflichtiger (zum Berichtungszeitpunkt [der Vorsteuer] nicht vollständig verbrauchter) Aufwand, der nicht „regelmäßig“ erwächst und von dem sich sagen lässt er falle „ins Gewicht““ definiert. Da im vorliegenden Fall ein Aufwand iHv fast 4 Mio € vorliegt, handelt es sich eindeutig um einen Aufwand, der ins Gewicht fällt, der keineswegs „vollständig verbraucht“ war.

Im Wiederaufnahmebescheid vom 17. 12. 2021 hat die belangte Behörde ausgeführt, dass ihr bei Erlassung des Umsatzsteuerbescheides 2015 vom 17. 6. 2016 nur bekannt gewesen wäre, dass vor der Veräußerung bei der Liegenschaft „eine einmalige, umfangreiche Sanierung zur Stützung des Fundaments vorgenommen wurde, da das Fundament nicht sachgerecht errichtet wurde“. Laut dem BFG genügen diese Informationen in Verbindung mit den übrigen offengelegten Umständen aber bereits, um von einer Vorsteuerberichtigung iSd § 12 Abs 10 UStG auszugehen.

Gem § 303 Abs 1 lit b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Das „Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln“ bezieht sich damit auf den Wissensstand des jeweiligen Veranlagungsjahres, wobei entscheidend ist, ob der abgabenfestsetzenden Stelle alle rechtserheblichen Sachverhaltselemente bekannt waren (VwGH 27. 2. 2014, 2011/15/0106).

Für den Beschwerdefall ist somit auf den Wissenstand der belangten Behörde zum 17. 6. 2016 abzustellen. Das BFG stellt fest, dass die Finanzbehörde bereits am 16. 3. 2016 alle notwendigen Informationen für eine Vorsteuerkorrektur hatte und eine korrekte Beurteilung möglich gewesen wäre. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens ist daher nicht gerechtfertigt.

Weiters ist im Beschwerdefall die Bemessungsgrundlage unecht steuerbefreiter Umsätze nach Erlassung des Erstbescheides betreffend anderer Grundstücksveräußerungen erstmals neu hervorgekommen. Auch diese Tatsache führt jedoch nach Ansicht des BFG nicht zu einer Wiederaufnahme. Denn eine andere Bemessungsgrundlage für unecht steuerbefreite Umsätze führt zu keiner steuerlichen Auswirkung.

Das BFG hob daher den Wiederaufnahmebescheid auf, wodurch auch der neue USt-Bescheid aus dem Rechtsbestand ausschied und die dagegen erhobene Beschwerde als gegenstandslos zu erklären war. Die Revision erklärte das BFG für nicht zulässig. Das FA hat eine ao Revision eingelegt.

Conclusio

Im vorliegenden Fall zeigt sich, dass die neu hervorgekommenen Bemessungsgrundlagen der anderen Grundstücksverkäufe zwar neue Tatsachen darstellen. Diese führen jedoch nicht zu einer Änderung der Steuerlast der Bf. Aus diesem Grund stellen sie auch keinen Wiederaufnahmetatbestand des § 303 Abs 1 lit b BAO dar. Denn es liegt kein Umstand vor, der zu einem geänderten Spruch im Bescheid geführt hätte. Der VwGH (ua VwGH 4. 3. 2009, 2006/15/0079; 20. 6. 2021, Ra 2019/15/0125) hat hierzu ausgesprochen, dass bei nur geringfügigen oder gar keinen steuerlichen Auswirkungen eine Wiederaufnahme üblicherweise zu verweigern ist. Dies gilt insb dann, wenn die steuerliche Auswirkung des Wiederaufnahmegrundes in einem deutlichen Missverhältnis zu jenen Auswirkungen steht, die sich aus einer alternativen rechtlichen Beurteilung ergeben könnten. Dieser Rsp folgte das BFG in seinem Erk.

Mit dem steuerfreien Verkauf der Liegenschaft 7 liegt zwar ein Umstand vor, der zu einer Vorsteuerkorrektur und somit zu einer Steuerzahlung führt. Der Umstand der Fundamentsanierung und damit die Erfüllung des Tatbestands der Großreparatur (§ 12 Abs 10 UStG) wurde jedoch bereits zum Veranlagungszeitpunkt offengelegt und lediglich durch die Finanzbehörde rechtlich falsch beurteilt. Die schlichte Tatsache, dass die Bemessungsgrundlagen anderer Grundstücksverkäufe nach Erlass des Erstbescheides neu hervorgekommen sind, berechtigt daher nicht zu einem Nachholen der seitens der Finanzbehörde verpassten Vorsteuerkorrektur.

Die ao Amtsrevision scheint im Hinblick auf die festgestellten Tatsachen wenig erfolgsversprechend. Das Erk des BFG verweist innerhalb der rechtlichen Beurteilung konstant auf die stRsp des VwGH und steht im Einklang mit dieser (VwGH 14. 8. 2024, Ra 2023/13/0159; 26. 11. 2015, Ro 2014/15/0035, mwN; 27. 3. 2024, Ra 2021/13/0092).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36138 vom 02.12.2024