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Abstract
Ein Wirtschaftstreuhänder (WT) hat in FinanzOnline angegeben, dass er als „steuerlicher Vertreter“, „Vertreter zur Einreichung der Abgabenerklärungen“ und „Zustellungsbevollmächtigter“ des Beschwerdeführers (Bf) berechtigt ist. Das BFG hatte zu entscheiden, ob diese Vollmacht des WT auch die Zustellung eines den Bf betreffenden Haftungsbescheides umfasst. Nach Ansicht des BFG ist das nicht der Fall.
BFG 12. 6. 2023, RV/3100393/2017
Sachverhalt
Im Jahr 2006 beauftragte der Bf einen WT mit der Erstellung seiner Abgabenerklärung und erteilte diesem eine Zustellungsvollmacht. Der WT merkte im Wege von FinanzOnline an, dass er zum Einschreiten als „steuerlicher Vertreter“, „Vertreter zur Einreichung der Abgabenerklärungen“ und „Zustellungsbevollmächtigter“ berechtigt war. Im Jahr 2016 erließ das Finanzamt (FA) einen „Haftungsbescheid“ an den Bf und nahm ihn als ehemaligen Geschäftsführer der P GmbH für deren aushaftende Abgabenschuldigkeiten in Anspruch. Das FA verfügte die Zustellung des „Haftungsbescheides“ an den Bf zu Handen des WT. Im Jahr 2017 stützte sich der Bf in seiner Beschwerde gegen den Haftungsbescheid darauf, dass der WT ihn „in dieser Angelegenheit“ nicht vertreten würde. Der WT erstelle bloß jährlich die Steuererklärung des Bf. Der Bf brachte auch glaubhaft vor, dass er den Haftungsbescheid nie schriftlich erhalten hat.
Entscheidung des BFG
Gemäß § 9 Abs 1 ZustG können Parteien andere natürliche oder juristische Personen sowie eingetragene Personengesellschaften gegenüber der Behörde zur Empfangnahme von Dokumenten bevollmächtigen. Nach Ritz/Koran sei dabei „eine im Einkommensteuerverfahren des Geschäftsführers einer GmbH ausgewiesene Zustellungsbevollmächtigung nicht für seine Haftungsinanspruchnahme nach § 9 BAO maßgebend, solange kein Hinweis auf die Bevollmächtigung in diesem Verfahren erfolgt“ (Ritz/Koran, BAO7 [2021] § 9 ZustG Rz 19).
Nach der Rsp des VwGH ist für die Reichweite einer Vollmacht entscheidend, ob ein so enger Verfahrenszusammenhang besteht, dass von derselben Angelegenheit oder Rechtssache gesprochen werden kann (VwGH 18. 6. 1990, 90/10/0035). Allein eine Ermächtigung zur Vertretung „in allen Angelegenheiten“ reicht nicht aus, um eine Bevollmächtigung in einer anderen Rechtssache zu begründen (VwGH 10. 11. 1969, 1285/69). Eine allein für das Vollstreckungsverfahren nachgewiesene Vertretungsbefugnis gilt nicht im dazugehörigen Titelverfahren, da die Verfahrensthemen zu unterschiedlich sind (VwGH 31. 5. 2000, 99/04/0127).
Für das BFG gibt es im vorliegenden Fall keinen Raum für die Annahme, dass sich eine Zustellbevollmächtigung, auf die sich ein WT bloß über FinanzOnline gegenüber der Abgabenbehörde beruft, auch in einem Verfahren zur Abgabeneinhebung gelten sollte (Ausnahme im Fall des § 211 Abs 3 BAO). Im Rahmen von FinanzOnline stehen derzeit nämlich keine Verfahren oder Verfahrensschritte zur Einhebung von Abgaben iSd 6. Abschnittes der BAO zur Verfügung (mit Ausnahme der Entrichtung mittels Electronic-Banking gem § 211 Abs 3 BAO).
Im Ergebnis hat sich der WT im Außenverhältnis gegenüber der Abgabenbehörde nicht wirksam auf eine Vollmacht berufen, die auch das Verfahren zur Inanspruchnahme des Bf als Haftungspflichtiger umfasst. Auch im Innenverhältnis wurde der WT nach Ansicht des BFG bloß für das (Einkommensteuer-)Festsetzungsverfahren beauftragt und bevollmächtigt. Die Zustellung des Haftungsbescheides an den WT war somit mangelhaft und es kam auch zu keiner Heilung nach § 7 ZustG. Folglich ist der Haftungsbescheid nicht wirksam geworden (§ 97 Abs 1 BAO). Das BFG ließ die Revision zu, diese wurde jedoch nicht erhoben.
Conclusio
Der gegenständliche Fall zeigt deutlich die Bedeutung präziser Formulierungen bei der Ausstellung und Vorlage von Bevollmächtigungen. Das BFG verneint im vorliegenden Fall eine Zustellungsvollmacht für das Haftungsverfahren, was im Hinblick auf die Rsp des VwGH sowie die eingeschränkten Funktionen von FinanzOnline naheliegend ist. Im Ergebnis hätte also eine explizite Zustellungsvollmacht für das Haftungsverfahren erteilt werden müssen. Würde man im vorliegenden Fall das Vorliegen einer expliziten Zustellungsvollmacht für das Haftungsverfahren annehmen (was das BFG nicht getan hat), könnte sich zusätzlich die Frage stellen, ob so eine Vollmacht überhaupt über FinanzOnline erteilt werden kann. Auch wenn eine Zustellungsbevollmächtigung explizit für Abgabeneinhebungen erteilt wird, sind Haftungsverfahren an sich nicht von den Funktionen von FinanzOnline umfasst. Folglich könnte es sich für Parteienvertreter anbieten, Vollmachten für Haftungsverfahren sicherheitshalber dem FA direkt im Original vorzulegen, anstatt sie über FinanzOnline zu übermitteln.