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BFG: Zeitpunkt der wirksamen Einbringung eines falsch adressierten Vorlageantrages

Bearbeiter: Benjamin Beer

BAO: §§ 53, 54a, 323b

Abstract

Das BFG hatte den Zustellungszeitpunkt eines Vorlageantrags zu beurteilen, der an ein bereits vor der Neuorganisation der Finanzverwaltung unzuständiges Finanzamt adressiert und bei einer unzuständigen Stelle des FA Österreich eingebracht wurde. Nach dessen Ansicht ist die Zustellung erst mit dem späteren Einlangen bei der eigentlich zuständigen Dienststelle nach einer Weiterleitung erfolgt. Im vorliegenden Fall hatte dies die verspätete Einbringung und somit die Zurückweisung des Vorlageantrages zur Folge.

BFG 18. 4. 2023, RV/5100196/2022

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (Bf) war der Vertreter einer GmbH. Da diese als Primärschuldnerin ihre USt- und KESt-Verbindlichkeiten nicht begleichen konnte, wurde er zur Haftung herangezogen. Ein entsprechender Vorhalt erging am 16. 7. 2020. Zu diesem Zeitpunkt waren für die GmbH das FA Kirchdorf Perg Steyr hinsichtlich deren Veranlagungsabgaben und das Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel hinsichtlich deren Glücksspielabgaben zuständig. Der korrespondierende Haftungsbescheid wurde aber erst nach der Neuorganisation der Finanzverwaltung zum 1. 1. 2021 und somit durch das nunmehr zuständige FA Österreich (Dienststelle 51) erlassen.

Gegen diesen Haftungsbescheid erhob der Bf eine Beschwerde an das FA Österreich. Dieses traf eine abweisende BVE, woraufhin der Bf einen Vorlageantrag stellte. Diesen richtete er allerdings nicht mehr an das eigentlich zuständige FA Österreich, sondern an das Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel (FA 10), obwohl dieses zum gegenständlichen Zeitpunkt bereits nicht mehr existierte.

Am 7. 3. 2022 langte der Vorlageantrag zwar beim FA Österreich ein, jedoch in der falschen Dienststelle (Dienststelle 10, Sonderzuständigkeiten). Diese leitete den Vorlageantrag an die eigentlich zuständige Dienststelle 51 weiter, wo dieser dann am 17. 3. 2023 auch tatsächlich einlangte.

Entscheidung des BFG

Das BFG widmet sich der Frage, ob der Vorlageantrag rechtzeitig eingebracht wurde. Die Vorlagefrist beträgt gem § 264 Abs 1 BAO einen Monat ab Zustellung der BVE (§ 97 Abs 1 lit a BAO). Zustellungszeitpunkt war gem § 17 Abs 3 ZustG der erste Tag der Hinterlegungsfrist, also der 9. 2. 2022. Daher endete die Vorlagefrist am 9. 3. 2022.

Wäre die Einbringung am 7. 3. 2022 beim FA Österreich (Dienststelle 10) wirksam, so wäre der Vorlageantrag fristgerecht eingebracht worden. Ist demgegenüber auf das Einlangen bei der zuständigen Dienststelle 51 des FA Österreich am 17. 3. 2022 abzustellen, wäre die Vorlagefrist bereits abgelaufen und der Vorlageantrag als verspätet zurückzuweisen.

Eine allfällige Wirksamkeit der Einbringung am 7. 3. 2022 kann nicht auf § 54a BAO gestützt werden. Die hier angeführten amtlichen Unterstützungsleistungen sind nur dann anwendbar, wenn ein Anbringen beim FA Österreich eingebracht wird, für dessen Behandlung aber eigentlich das FA für Großbetriebe, das Amt für den nationalen Emissionszertifikatehandel im Zollamt Österreich oder das Amt für Betrugsbekämpfung zuständig ist. Hier wäre allerdings ohnehin das FA Österreich zuständig gewesen; lediglich die Dienststelle war falsch. Somit ist der Anwendungsbereich des § 54a BAO nicht erfüllt.

Grundsätzlich kann gem § 323b Abs 6 BAO eine wirksame Einbringung auch unter Verwendung der Bezeichnungen iSd § 4 AVOG 2010 – also der „alten Finanzamtsbezeichnung“ – erfolgen. Der Anwendungsbereich dieser Bestimmung war jedoch bis 31. 12. 2021 befristet. Im vorliegenden Fall ist der zeitliche Anwendungsbereich des § 323b BAO daher bereits abgelaufen. Der Vorlageantrag ist nämlich auf den 3. 3. 2022 datiert. Außerdem ist ohnedies auch die „alte Finanzamtsbezeichnung“ falsch. So wäre vor der Neuorganisation der Finanzverwaltung nämlich nicht das FA für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel, sondern das FA Kirchdorf Perg Steyr zuständig gewesen.

Die Einbringung konnte daher noch nicht wirksam am 7. 3. 2022 erfolgen. Anderenfalls wäre nämlich die Regelung des § 323b BAO überflüssig gewesen. Außerdem würde ein Widerspruch zum erklärten Willen des Gesetzgebers bestehen, wonach Anbringen richtig adressiert sein müssen, um in den Anwendungsbereich des § 54a BAO zu fallen (ME 2. FORG, 17/ME 37. GP 1 f).

Vielmehr ist § 53 BAO sinngemäß anzuwenden, wonach die Einbringung erst nach Einlangen bei der zuständigen Dienststelle infolge der Weiterleitung am 17. 3. 2022 erfolgte. Das BFG weist den Vorlageantrag daher als verspätet mit Beschluss zurück. Allerdings wurde in der Rsp des VwGH die Frage, wann nach Ende des zeitlichen Anwendungsbereiches des § 323b BAO die Einbringung eines falsch adressierten Anbringens beim FA Österreich erfolgt, noch nicht beantwortet. Daher erklärt das BFG die Revision für zulässig.

Conclusio

Zentral ist hier die Frage, ob die Einbringung auch dann fristwahrend sein kann, wenn sie an die falsche Dienststelle des FA Österreich erfolgt. Das BFG verneint dies mit der Begründung, nach Ablauf des zeitlichen Anwendungsbereichs des § 323b BAO ist § 53 BAO sinngemäß anzuwenden, wonach die Weiterleitung auf Gefahr des Einschreiters erfolgt.

Fraglich ist mE jedoch, ob § 54a BAO nicht analog auf den Fall der Einbringung bei einer unzuständigen Dienststelle des FA Österreich angewendet werden sollte, was die Rechtzeitigkeit der Einbringung zur Folge hätte. Andernfalls würde nämlich die Einbringung bei einer gänzlich unzuständigen Behörde besser behandelt als die Einbringung bei einer bloß unzuständigen Dienststelle des eigentlich schon zuständigen FA Österreich. Infolgedessen könnte eine planwidrige Lücke vorliegen. Eine solche analoge Anwendung würde auch dem Willen des historischen Gesetzgebers entsprechen, da die Einführung des § 54a BAO zur Verschlankung der Behördenstruktur in der Finanzverwaltung beitragen sollte (ME 2. FORG, 17/ME 37. GP 1).

Eine abschließende Klärung durch den VwGH ist jedoch zu erwarten, da die für zulässig erklärte Revision tatsächlich erhoben wurde.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 34467 vom 06.09.2023