News

BFG zu „Ausfertigungen, die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt werden“ iSd § 96 Abs 2 BAO

Bearbeiter: Yasmin Lawson

BAO: §§ 96, 262, 263, 300

E-Government-Gesetz: §§ 19, 20

Abstract

Nach Vorlage der Beschwerde an das BFG erließ das Finanzamt eine neue Beschwerdevorentscheidung: Da die ursprünglich erlassene nicht unterfertigt worden war, sei diese nicht rechtswirksam gewesen. Fraglich war nun, ob die erste Beschwerdevorentscheidung „mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung“ iSd § 96 Abs 2 BAO erstellt wurde und sohin keiner Unterfertigung bedurfte.

BFG 2. 1. 2023, RV/7100217/2022

Sachverhalt

Im September 2020 erging ein Haftungsbescheid an den Bf, mit dem dieser gem § 9 BAO zur Haftung für offene Lohnsteuer und DB-Forderungen herangezogen wurde. Gegen diesen Bescheid erhob der Bf Beschwerde.

Am 8. 4. 2021 wurde ein als „Beschwerdevorentscheidung“ bezeichnetes Schreiben erstellt. Am Ende des Dokuments findet sich die elektronische Signatur des zuständigen Organwalters. Nach Anbringen dieser Signatur wurde das Dokument ausgedruckt und dem Beschwerdeführer zugestellt. Auf dem Dokument befindet sich weder eine eigenhändige Unterfertigung noch eine Amtssignatur.

Nach Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht erließ die belangte Behörde am 1. 2. 2022 ein weiteres inhaltsgleiches und ebenfalls als „Beschwerdevorentscheidung“ bezeichnetes Dokument, das gemeinsam mit dem dagegen eingebrachten Vorlageantrag als Nachreichung an das Bundesfinanzgericht übermittelt wurde. Dies wurde damit begründet, dass die erste Beschwerdevorentscheidung mangels Unterfertigung nicht rechtswirksam gewesen sei.

Entscheidung des BFG

Das BFG hatte sich nun mit den beiden jeweils als „Beschwerdevorentscheidung“ bezeichneten Dokumenten zu befassen.

Das Gericht hielt fest, dass gem § 262 iVm § 96 BAO Beschwerdevorentscheidungen zwingend die Bezeichnung der Behörde, das Datum und grundsätzlich auch eine Unterschrift oder Beglaubigung enthalten müssen. Anderes gilt bei Ausfertigungen, die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt werden. Diese müssen weder eine Unterschrift noch eine Beglaubigung enthalten. Als „mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt“ gelten gem § 96 Abs 2 BAO zwar jedenfalls Dokumente, die mit einer Amtssignatur versehen sind. Laut stRspr des VwGH sind allerdings bereits unter Zuhilfenahme eines bloßen Textverarbeitungssystems hergestellte Schriftstücke als mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt anzusehen (zB VwGH 29. 5. 2015, 2012/17/0197). Diese Judikatur wird auch in den Gesetzmaterialien zur Novelle des § 96 BAO im Rahmen des Steuerreformgesetzes 2020 referenziert (Erl 984/A XXVI. GP, 68).

Im konkreten Fall befand sich auf der Beschwerdevorentscheidung aus dem April eine qualifizierte elektronische Signatur des Organwalters. Daraus ergibt sich, dass die Ausfertigung mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt wurde und sohin unter § 96 Abs 2 BAO fällt. Eine eigenhändige Unterschrift oder Amtssignatur war daher nicht erforderlich; das Schreiben war ein rechtswirksamer Bescheid.

Gem § 300 BAO darf das Finanzamt nach der Beschwerdevorlage keine (weitere) Beschwerdevorentscheidung erlassen (VwGH 22. 10. 2015, Ro 2015/15/0035). Dass die zweite Beschwerdevorentscheidung vom 1. 2. 2022 erst nach Beschwerdevorlage erging, führt daher zu ihrer Nichtigkeit. Der korrespondierende Vorlageantrag ist allenfalls als Ergänzung zur Beschwerde zu sehen.

Da keine Rsp zur Frage, ob ein Ausdruck eines automationsunterstützt erstellten Dokumentes, das vor dem Ausdrucken mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist, jedoch keine Amtssignatur aufweist, die Anforderungen an einen Bescheid erfüllt, war die ordentliche Revision zulässig. Sie wurde jedoch, soweit ersichtlich, noch nicht erhoben.

Conclusio

§ 96 Abs 2 BAO idF Steuerreformgesetz 2020 und die Ausführungen des Gesetzgebers in den Erläuterungen, nach denen auch Dokumente, die unter Zuhilfenahme eines bloßen Textverarbeitungssystems hergestellt wurden, als mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt anzusehen sind, wurden in der Literatur bereits umfassend kritisiert (zB Thunshirn, AVR 2021, 42; Denk, AVR 2020, 51 [51]).

Wenn auch die zentralen Kritikpunkte, etwa dazu, dass nur teil-automatisiert generierte Dokumente grundsätzlich nicht von dieser Bestimmung erfasst sein sollen, nicht streitgegenständlich waren, wäre die Revisionserhebung dennoch durchaus Denn insbesondere die vom BFG vorgebrachte Frage nach der Behandlung eines Ausdrucks wurde in der Literatur bislang kaum diskutiert. Während § 96 Abs 2 letzter Satz BAO ausdrücklich festhält, dass „Ausfertigungen in Form von Ausdrucken von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten keine weiteren Voraussetzungen erfüllen“ müssen, fehlt eine solche Regelung für nicht mit einer Amtssignatur versehene Dokumente.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 33891 vom 06.04.2023