News

BFG zu den Folgen einer Einkommensteuererklärung nach zuvor erfolgter antragsloser Veranlagung

Bearbeiter: Michael Hubmann

EStG: § 41

BAO: § 299

Abstract

Das BFG hatte zu entscheiden, mit welchem Verfahrenstitel ein aufgrund einer antragslos erfolgten Veranlagung ergangener Einkommensteuerbescheid nach einer nachträglich eingereichten Einkommensteuererklärung aufzuheben ist. Das BFG kam zum Ergebnis, dass § 41 Abs 2 Z 2 lit c EStG ein Rechtskraftdurchbrechungstatbestand sui generis ist und es keiner Aufhebung nach § 299 BAO bedarf. Ein mit „Einkommensteuererklärung“ betiteltes Anbringen kann – selbst bei Einbringung in einem falschen FinanzOnline-Formular – nicht zu einem Antrag auf Bescheidaufhebung gem § 299 BAO umgedeutet werden.

BFG 17.05.2024, RV/7103144/2023.

Sachverhalt

Die Einkommensteuer 2021 des Bf wurde mit Bescheid vom 20.9.2022 aufgrund einer antragslosen Arbeitnehmerveranlagung gem § 41 Abs 2 Z 2 EStG veranlagt. Mit Eingabe vom 25.10.2022 hat der Bf nachträglich doch noch eine – als solche betitelte – Einkommensteuererklärung für das Jahr 2021 via FinanzOnline abgegeben. Das FA hat diese Eingabe in der Folge als Antrag auf Bescheidaufhebung gem § 299 BAO gewertet und den Antrag als unbegründet abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Bf, der die Aufhebung des Bescheides vom 20.9.2022 und die Erlassung eines Erstbescheides betreffend Einkommensteuer 2021 beabsichtigte. Das FA rechtfertigte sein Vorgehen damit, dass zur Einbringung in FinanzOnline von der steuerlichen Vertretung des Bf das Formular "Antrag auf Bescheidaufhebung gem. § 299 BAO" ausgewählt wurde.

Entscheidung des BFG

Gemäß § 41 Abs 2 Z 1 EStG hat das FA auf Antrag des Steuerpflichtigen eine Veranlagung vorzunehmen, wenn keine Pflichtveranlagung durchzuführen ist und der Antrag innerhalb von fünf Jahren ab dem Ende des Veranlagungszeitraumes gestellt wird. § 41 Abs 2 Z 2 EStG ermöglicht weiters die amtswegige Vornahme einer antragslosen Veranlagung. Gem § 41 Abs 2 Z 2 lit f EStG bleibt der Steuerpflichtige auch nach einer erfolgten antragslosen Veranlagung weiterhin erklärungspflichtig. Die Erlassung eines Bescheides aufgrund der antragslosen Veranlagung soll nämlich einer rechtsrichtigen Erledigung nicht im Wege stehen, weshalb die Möglichkeit besteht, gem § 41 Abs 2 Z 2 lit c EStG iVm § 41 Abs 2 Z 1 EStG innerhalb von fünf Jahren ab dem Ende des Veranlagungszeitraumes eine Einkommensteuererklärung auch noch nachträglich abzugeben.

Die Aufhebung des antragslos ergangenen Bescheides erfolgt außerhalb der in der BAO vorgesehenen Möglichkeiten zur nachträglichen Änderung von Bescheiden (vgl Atzmüller in Mayr/Lattner/Schlager, SWK-Spezial: Steuerreform 2015/16 [2015] 39, LStR Rz 912i), weshalb eine Bescheidaufhebung gem § 299 BAO nicht zwingend vorzunehmen ist. § 41 Abs 2 Z 2 lit c EStG ist somit ein Rechtskraftdurchbrechungstatbestand sui generis (vgl Peyerl in Jakom EStG16 [2023] § 41 Rz 35; Atzmüller in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21a [2021] § 41 Rz 44). Das am 25.10.2022 vom Bf via FinanzOnline eingebrachte Anbringen ist als ein Veranlagungsantrag zu beurteilen. Ein solcher Antrag auf Durchführung einer Veranlagung ist an keine bestimmte Form gebunden, weshalb ein impliziter Antrag genügt (vgl VwGH 24.11.2016, Ra 2014/13/0003). Bei der Beurteilung von Parteianträgen kommt es nach der Rsp des VwGH auf den Inhalt und auf das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes an (vgl VwGH 28.1.2003, 2001/14/0229). Ebenso wenig, wie es auf die Bezeichnung von Schriftsätzen ankommt, kann für die Beurteilung auch nicht ausschließlich maßgeblich sein, wie das Anbringen elektronisch von FinanzOnline erfasst wird. Denn auch die elektronische Erfassung geht darauf zurück, welche Bezeichnung der Einbringer seinem Anbringen zugewiesen hat (vgl BFG 29.9.2023, RV/7102604/2023; BFG 5.12.2022, RV/6100229/2023). Zudem ist dem Anbringen einer Partei, das sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, im Zweifel nicht ein solcher Inhalt beizumessen, der ihr eine Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt (vgl VwGH 24.11.2016, Ra 2014/13/0003; VwGH 29.7.2014, 2011/13/0053).

Das FA hätte den antragslos ergangenen Einkommensteuerbescheid 2021 vom 20.9.2022 aufheben und über die "Einkommensteuererklärung 2021" erstmalig mit Erstbescheid entscheiden müssen. Der angefochtene Bescheid, mit dem das Anbringen des Bf vom 25.10.2022 abgewiesen wurde, ist somit aufzuheben. Damit ist der Antrag des Bf auf Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung iSd § 41 Abs 2 lit c EStG wiederum unerledigt (BFG 17.1.2023, RV/7102873/2022), weshalb das FA darüber abzusprechen hat. Eine Revision wurde nicht zugelassen.

Conclusio

Nach den Intentionen des Gesetzgebers sollen die Rechtswirkungen einer antragslosen Veranlagung „für den Steuerpflichtigen auf einfache Weise durch Einreichung einer Abgabenerklärung beseitigt werden können“ (vgl die Begründung des Abänderungsantrags AA-93 StRefG 2015/2016, 25. GP, 6). Es handelt sich bei § 41 Abs 2 Z 2 lit c EStG um einen Rechtskraftdurchbrechungstatbestand sui generis, der eine Bescheidänderung ohne die in der BAO vorgesehenen Möglichkeiten sicherstellt (vgl Atzmüller in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG24 [2024] § 41 Rz 44). Diese Aufhebungsmöglichkeit tritt – zumindest aus Sicht des Steuerpflichtigen – zu den in der BAO vorhandenen hinzu. Für eine amtswegige Änderungen des gem § 41 Abs 2 Z 2 EStG antragslos erlassenen Bescheides stehen aber stets nur die Rechtskraftdurchbrechungen der BAO zur Verfügung. Ein Bescheid, der an die Stelle eines Bescheides aus einer antragslosen Veranlagung tritt, kann nicht mehr durch Abgabe einer Steuererklärung gem § 41 Abs 2 Z 2 lit c EStG geändert werden (Atzmüller in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG24 § 41 Rz 44; Peyerl in Jakom EStG17 [2024] § 41 Rz 35 mwN)

Das BFG hatte lediglich den Abweisungsbescheid aufzuheben und nicht unmittelbar über die Veranlagung abzusprechen. Die Sache des vorliegenden Beschwerdeverfahrens war nämlich nicht die Einkommensteuer 2021, sondern lediglich die Abweisung des Antrags des Bf vom 25.10.2022. Die Änderungsbefugnis des BFG ist gem § 279 BAO durch die Sache begrenzt. Sache ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches erster Instanz gebildet hat. Ist der angefochtene Bescheid – wie im vorliegenden Fall – kein Abgabenbescheid, sondern handelt es sich um einen Bescheid, mit dem ein Antrag auf Festsetzung von Abgaben abgewiesen wurde, kommt dem BFG keine Zuständigkeit zur erstmaligen Festsetzung von Abgaben zu (vgl BFG 5.12.2023, RV/6100229/2023; sowie noch zur Abgabenbehörde zweiter Instanz VwGH 26.1.2006, 2004/15/0064).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35685 vom 23.07.2024