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EStG 1988: § 16 Abs 1, § 25, § 33 Abs 5
Abstract
Das BFG hatte zu entscheiden, wie sich die Höhe des Pendlerpauschales sowie des Pendlereuros bei mehreren Arbeitsstätten mit unterschiedlicher Entfernung von der Wohnung des Steuerpflichtigen berechnet. Nach Ansicht des BFG kommt es dabei zu einer aliquoten Konsumation des niedrigeren Pendlerpauschales/Pendlereuros aus der einen Arbeitsstätte durch ein aufgrund größerer Entfernung der anderen Arbeitsstätte höheres Pendlerpauschale/höheren Pendlereuro.
BFG 15. 4. 2024, RV/2100294/2023
Sachverhalt
Die Bf stand im Jahr 2021 als Vertragslehrerin an einer Bundesschule in einem Dienstverhältnis zum Bund. Die Entfernung zwischen dem Wohnsitz der Bf und der Bundesschule beträgt laut aktenkundigen Pendlerrechner-Daten 26 km, wobei die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln auf der überwiegenden Strecke nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Hierfür wurde bereits von Arbeitgeberseite ein Pendlerpauschale iHv 1.476,00 € im Rahmen der Lohnverrechnung berücksichtigt. Darüber hinaus war die Bf im Streitjahr als Lehrbeauftragte an einer Pädagogischen Hochschule, bei der es sich um eine Einrichtung des Bundes handelt, tätig. Laut aktenkundigen Pendlerrechner-Daten beträgt die Entfernung zwischen dem Wohnsitz der Bf und der Pädagogischen Hochschule 158 km, wobei die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln auf der überwiegenden Strecke nicht möglich oder nicht zumutbar ist. In der Arbeitnehmerveranlagung begehrte die Bf ua die Berücksichtigung von Fahrtkosten (Kilometergeld) für die Fahrten von ihrem Wohnort zur Pädagogischen Hochschule als Werbungskosten. Da das FA diese Kosten nicht anerkannte, erhob die Bf Beschwerde und brachte weitere Unterlagen, wie zB ein Fahrtenbuch bei. Das FA versagte in seiner BVE jedoch erneut eine über das sich aus der Tätigkeit als Lehrerin an der Bundesschule ergebende Pendlerpauschale hinausgehende Anerkennung der Fahrtkosten. Es erfolgte die Vorlage an das BFG. Im Vorlagebericht hielt das FA fest, dass aufgrund des übermittelten Fahrtenbuches außer Streit gestellt ist, dass die Bf im Veranlagungsjahr 2021 im Juli fünfmal ganztags, im Oktober fünfmal ganztags und im November viermal ganztags von ihrem Hauptwohnsitz zur Pädagogischen Hochschule pendelte. Das FA beantragte daher die Erhöhung des bereits gewährten Pendlerpauschales iHv 1.476,00 € um 306,00 € (102,00 €/Monat für drei Monate) und die Gewährung eines zusätzlichen Pendlereuros iHv 26,34 € (8,78 €/Monat für drei Monate).
Entscheidung des BFG
Sowohl die Tätigkeit an der Bundesschule als auch die nebenbei ausgeübte Lehrbeauftragtentätigkeit an der Pädagogischen Hochschule erfolgten für den Bund. Die Bezüge aus der Lehrbeauftragtentätigkeit sind daher als lohnsteuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit gem § 25 Abs 1 Z 4 lit c iVm § 47 Abs 2 letzter Satz EStG zu qualifizieren (vgl UFS 15. 11. 2010, RV/0077-I/08). Beruflich veranlasste Fahrtaufwendungen sind somit – unabhängig vom Vorliegen einer Reise – grundsätzlich in ihrer tatsächlichen Höhe gem § 16 Abs 1 EStG als Werbungskosten anzusetzen. Eine Ausnahme vom Grundsatz, dass Fahrtkosten in ihrer tatsächlichen Höhe zu berücksichtigen sind, enthält § 16 Abs 1 Z 6 lit a EStG für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Nach dieser Bestimmung sind alle Ausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit dem Verkehrsabsetzbetrag, dem Pendlerpauschale und dem Pendlereuro abgegolten. Diese pauschale Abgeltung erfolgt aus Vereinfachungsgründen (vgl VwGH 28. 3. 2000, 97/14/0103). Die Fahrten der Bf von ihrem Wohnsitz zur Pädagogischen Hochschule und retour sind als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte iSd § 16 Abs 1 Z 6 EStG zu qualifizieren. Die Geltendmachung tatsächlicher Fahrtkosten (etwa in Höhe des amtlichen Kilometergeldes) kommt somit nicht in Betracht. Das FA gewährte der Bf im angefochtenen Bescheid für die Fahrten zwischen ihrem Wohnsitz und der Bundesschule (einfache Fahrtstrecke: 26 km) ein Pendlerpauschale iHv 1.476,00 € (volles großes Pendlerpauschale für eine Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von 20–40 km gem § 16 Abs 1 Z 6 lit d EStG). Die vom FA im Vorlagebericht beantragte Erhöhung entspricht einem aliquoten großen Pendlerpauschale (ein Drittel des Freibetrages) für eine Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von mehr als 60 km (3.672,00 €/12 Monate = 306,00 €, davon ein Drittel = 102,00 € gem § 16 Abs 1 Z 6 lit d iVm lit e 2. TS EStG). Das FA übersieht dabei aber, dass einem Steuerpflichtigen gem § 16 Abs 1 Z 6 lit e letzter Satz EStG im Kalendermonat höchstens ein Pendlerpauschale in vollem Ausmaß zusteht. Die Bf legte durch die Fahrten zwischen ihrem Wohnsitz und der 158 km entfernten Pädagogischen Hochschule Wegstrecken zurück, die noch nicht mit dem vollen großen Pendlerpauschale (für eine Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von 20–40 km) aus ihrer Tätigkeit als Lehrerin an der Bundesschule abpauschaliert sind. Hinsichtlich der Lehrtätigkeit der Bf an der Pädagogischen Hochschule ist daher – den Ausführungen des Finanzamtes entsprechend – bei isolierter Betrachtung ein großes Pendlerpauschale für eine Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von mehr als 60 km im Ausmaß von einem Drittel (dies entspricht einem Betrag von 102,00 € monatlich gem § 16 Abs 1 Z 6 lit d iVm lit e 2. TS EStG) zu berücksichtigen. Gleichzeitig ist aber – was das Finanzamt übersehen hat – das gewährte volle große Pendlerpauschale für eine Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von 20–40 km von drei auf zwei Drittel zu reduzieren. Das solcherart ausgeschiedene Drittel ist nämlich durch jenes des großen Pendlerpauschales für eine Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von mehr als 60 km „konsumiert“. Für die Monate Juli, Oktober und November 2021 beträgt das monatliche Pendlerpauschale daher 184,00 € (1.476,00 €/12 Monate = 123,00 €, davon zwei Drittel = 82,00 €; 3.672,00 €/12 Monate = 306,00 €, davon ein Drittel = 102,00 €; 82,00 € + 102,00 € = 184,00 €). Für die anderen Monate des Jahres 2021 beträgt das monatliche Pendlerpauschale 123,00 € (1.476,00 €/12 Monate). Der Bf gebührt daher ein Pendlerpauschale iHv 1.659,00 € ([184,00 € x 3 Monate] + [123,00 € x 9 Monate]). Da gem § 33 Abs 5 Z 4 EStG die das Pendlerpauschale regelnden Vorschriften des § 16 Abs 1 Z 6 lit b und lit e–lit j EStG auch auf den Pendlereuro anzuwenden sind, berechnet sich der Pendlereuro analog zum Pendlerpauschale. Der angefochtene Bescheid war daher entsprechend abzuändern. Die Revision wurde zugelassen, aber – soweit ersichtlich – nicht erhoben.
Conclusio
Einem Steuerpflichtigen steht gem § 16 Abs 1 Z 6 lit e letzter Satz EStG im Kalendermonat höchstens ein Pendlerpauschale in vollem Ausmaß zu. Nach der Literatur und den LStR gilt bei Zusammentreffen mehrerer Pendlerpauschalen Folgendes: Fallen bei mehreren Dienstverhältnissen im Kalendermonat jeweils aliquote Pendlerpauschalen an, sind diese im Wege der Veranlagung auf das Ausmaß eines vollen Pendlerpauschales für die längere Wegstrecke zu begrenzen (vgl Ebner in Jakom EStG16 [2023] § 16 Rz 25; siehe auch LStR Rz 272c). Fällt bei mehreren Dienstverhältnissen im Kalendermonat ein volles und ein aliquotes Pendlerpauschale an, sind die Wegstrecken iZm dem aliquoten Pendlerpauschale im Rahmen der Veranlagung für das Ausmaß des Pendlerpauschales nur dann zu berücksichtigen, wenn dabei zusätzliche Wegstrecken für die Fahrten von der Wohnung zur weiteren Arbeitsstätte zurückgelegt werden, die noch nicht mit dem vollen Pendlerpauschale aus dem anderen Dienstverhältnis abpauschaliert sind. Gedeckelt ist diese zusätzliche Berücksichtigung der aliquoten Pendlerpauschale mit dem vollem Pendlerpauschale für die gesamte (fiktive) Wegstrecke aus beiden Dienstverhältnissen (vgl Ebner in Jakom EStG16 [2023] § 16 Rz 25; siehe auch LStR Rz 272d). Das FA dürfte im Vorlagebericht somit den LStR gefolgt sein, wenn es das Pendlerpauschale iHv 306,00 € zusätzlich neben dem vollen Pendlerpauschale iHv 1476,00 € anerkannte; wohl, weil seiner Ansicht nach die Begrenzung durch das volle Pendlerpauschale für die gesamte fiktive Wegstrecke aus beiden Dienstverhältnissen noch nicht überschritten war. Das BFG ist jedoch strenger, wenn es das niedrigere volle Pendlerpauschale aus dem Dienstverhältnis mit der Bundesschule zu einem Drittel durch das höhere aliquote Pendlerpauschale aus der Lehrtätigkeit an der Pädagogischen Hochschule als „konsumiert“ ansieht. Dies dürfte aber dem Wortlaut des § 16 Abs 1 Z 6 lit e letzter Satz EStG entsprechen, der nicht auf ein fiktives volles Pendlerpauschale abstellt.
Wie das BFG hervorhebt, fehlt es an hg Rsp zur Frage, wie die Berechnung des Pendlerpauschales (und des Pendlereuros) unter Berücksichtigung der mit der Novelle BGBl I 2013/53 eingeführten Aliquotierungsbestimmung des § 16 Abs 1 Z 6 lit e EStG zu erfolgen hat, wenn ein Steuerpflichtiger aufgrund voneinander unabhängiger Tätigkeiten ausgehend von seiner Wohnung mehrere Arbeitsstätten aufsucht. Mangels Revisionserhebung scheint eine baldige Klärung aber nicht absehbar. Aufgrund des Verweises in § 33 Abs 5 Z 4 EStG besteht diese Unsicherheit auch bei der Berechnung des Pendlereuros.