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BFG zum Begriff der versäumten Handlung bei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Bearbeiter: Daniel Chen

BAO: § 308 Abs 1 und 3

Abstract

Das BFG hatte zu entscheiden, ob bei einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem § 308 BAO ein Antrag auf Fristerstreckung des nicht eingebrachten Vorlageantrags unter den Begriff der versäumten Handlung iSd § 308 Abs 3 letzter Satz BAO subsumiert werden kann. Seiner Ansicht nach ist die versäumte Handlung die rechtzeitige Einbringung eines Vorlageantrags. Der mit dem Wiedereinsetzungsantrag gleichzeitig eingebrachte Fristverlängerungsantrags fällt nicht unter diesen Begriff und stellt einen nicht verbesserungsfähigen Mangel der Erfüllung der gesetzlichen Erfordernisse dar.

BFG 8. 5. 2023, RV/2100178/2023

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (Bf) war Gesellschafter einer GmbH. Mit mehreren Bescheiden vom 12. 3. 2021 setzte die Abgabenbehörde beim Bf die KESt für die Jahre 2011 bis 2017 fest.

Nachdem bereits mehrfach die Beschwerdefrist verlängert worden war, erhob der Bf durch seinen steuerlichen Vertreter am 30. 7. 2021 Beschwerde gegen die Bescheide. Die Abgabenbehörde wies die Beschwerden am 27. 12. 2022 mit einer (Sammel-)Beschwerdevorentscheidung als unbegründet ab. Am 16. 2. 2023 und damit nach Ablauf der Frist zur Einbringung eines Vorlageantrags übermittelte der steuerliche Vertreter des Bf einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, in dem er eine Fristerstreckung zur Abgabe eines Vorlageantrags begehrte. Begründend führte der steuerliche Vertreter aus, dass die Mutter des Bf Anfang des Jahres verstorben ist und aufgrund dessen der seelisch am Boden zerstörte Vater Unterstützung bedurfte. Diese Umstände waren für ihn unvorhergesehen und Ursache für die Nichteinhaltung der Frist zur Einbringung eines Vorlageantrags.

Mit (Sammel-)Bescheid vom 21. 2. 2023 wies die Abgabenbehörde die Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab, weil die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung gem § 308 BAO nicht erfüllt waren. Nach Ansicht des FA fehlte die spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholende versäumte Handlung iSd § 308 Abs 3 letzter Satz BAO. Das Versäumen des Stellens eines Antrags auf Fristerstreckung sei keine der Wiedereinsetzung zugängliche versäumte Handlung. Gegen diesen abweisenden Bescheid erhob der Bf durch seinen steuerlichen Vertreter Beschwerde, die das FA dem BFG zur Entscheidung vorlegte.

Mittels Schreiben vom 24. 4. 2023 wies die Abgabenbehörde ergänzend auf das Erkenntnis des BFG vom 25. 2. 2020, RV/7100375/2017 hin, wonach gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag die versäumte Handlung nachzuholen sei. Im konkreten Fall sei die versäumte Handlung die Einbringung des Vorlageantrags und nicht der Antrag auf Fristverlängerung. Der Bf brachte durch seinen steuerlichen Vertreter demgegenüber vor, dass weder vom Wortlaut noch vom Sinn der Bestimmung des § 308 Abs 3 BAO abzuleiten sei, dass die versäumte Handlung zwingend die Einbringung einer Beschwerde oder eines Vorlageantrags sein müsse.

Entscheidung des BFG

Gem § 308 Abs 1 BAO ist gegen die Versäumung einer Frist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten. Die säumige Partei muss hierfür einen Antrag stellen und darlegen, weshalb sie durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erlitten hat. Ein minderer Grad des Verschuldens hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht. Spätestens gleichzeitig mit der Einbringung des Wiedereinsetzungsantrags hat die säumige Partei nach § 308 Abs 3 letzter Satz BAO die versäumte Handlung nachzuholen. Im vorliegend zu bewertenden Fall verabsäumte der Bf, die Vorlageanträge rechtzeitig zu stellen. In den daraufhin eingebrachten Wiedereinsetzungsanträgen wurde anstelle von Vorlageanträgen lediglich eine Fristverlängerung für die Vorlageanträge beantragt.

Nach Ansicht des BFG liegt ein Mangel der Erfüllung der gesetzlichen Erfordernisse des § 308 BAO vor, wenn nicht spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag die versäumte Handlung nachgeholt wird. Diese versäumte Handlung liege allerdings in der versäumten Stellung des Vorlageantrags und nicht in der versäumten Beantragung der Fristverlängerung. Ein solcher Mangel des Wiedereinsetzungsantrags sei auch keiner Verbesserung zugänglich. Im Ergebnis wurden die Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom BFG daher zurückgewiesen.

Die Revision erklärte das BFG für zulässig, weil eine höchstgerichtliche Rsp zur Frage, ob bei einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein Fristverlängerungsantrag eine versäumte Handlung darstellt, fehle. Sie wurde jedoch bislang – soweit ersichtlich – nicht erhoben.

Conclusio

Das vorliegende Erkenntnis des BFG überzeugt, denn bereits aus dem Wortlaut des § 308 Abs 3 letzter Satz BAO lässt sich ableiten, dass bei Versäumung einer Frist die versäumte Handlung spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachgeholt werden muss. Die versäumte Handlung war hier – entgegen der vom Bf durch seinen steuerlichen Vertreter vertretenen Ansicht – die Stellung eines rechtzeitigen Vorlageantrags gem § 264 Abs 1 BAO. Der Ansicht des Bf, wonach die versäumte Handlung auch durch die Einbringung eines Fristverlängerungsantrags iSd § 264 Abs 4 lit a iVm § 245 Abs 3 BAO nachgeholt werden kann, ist wohl nicht zuzustimmen.

Ist dem Bf die Einbringung eines Wiedereinsetzungsantrags möglich, so ist es ihm zumutbar, die versäumte Handlung (im konkreten Fall als Vorlageantrag) gleichzeitig mit dem Antrag vorzunehmen, weil er für diese Einbringung ab Wegfall des Hindernisses ohnehin drei Monate Zeit hat. Gewährt man mit der Stattgabe eines Wiedereinsetzungsantrags zugleich den mitbeantragten Fristverlängerungsantrag, würde dies zu einer unnötigen Verfahrensverschleppung führen, die mE nach schon allein aus systematischen Überlegungen abzulehnen ist.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 34283 vom 18.07.2023