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BFG zum Begründungserfordernis bei Aufhebungsbescheiden gem § 299 BAO

Bearbeiter: Eric Coenen

BAO: § 299

Abstract

Erweist sich ein Bescheid als inhaltlich unrichtig, kann die Abgabenbehörde diesen gem § 299 Abs 1 BAO aufheben und zeitgleich einen neuen den rechtswidrigen Bescheid ersetzenden Sachbescheid erlassen (§ 299 Abs 2 BAO). Eine solche Aufhebung liegt grds im Ermessen der Abgabenbehörde, wobei vor allem das Prinzip der Rechtsrichtigkeit zu beachten ist. Wenn von einer solchen Aufhebung Gebrauch gemacht wird, muss die Abgabenbehörde im Aufhebungsbescheid eine ausreichende Begründung dazu anführen, woraus sich die inhaltliche Unrichtigkeit des Erstbescheids ergeben hat. Im vorliegenden Fall erfolgte nach Ansicht des BFG keine solche Begründung, weshalb der Aufhebungsbescheid ersatzlos aufzuheben war, womit auch die neu erlassenen Sachbescheide ex lege aus dem Rechtsbestand ausschieden (§ 299 Abs 3 BAO).

BFG 7. 6. 2023, RV/7100654/2021

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin (Bf) verkaufte in den Jahren 2013 und 2014 mehrere Grundstücke an die A GmbH, an der sie als Gesellschafterin beteiligt war. Die Bemessungsgrundlage für die abgeführte ImmoESt wurde von der Abgabenbehörde weder bei der Veranlagung noch bei einer durchgeführten Betriebsprüfung bei der Bf beanstandet. Anlässlich einer Außenprüfung bei der A GmbH wurde allerdings festgestellt, dass die Bemessungsgrundlage zur Berechnung der GrESt unrichtig ermittelt worden sei. Daraufhin hob die Abgabenbehörde mit Bescheiden vom 29. 1. 2020 die Einkommensteuerbescheide der Jahre 2013 und 2014 gem § 299 BAO wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit auf und erließ zeitgleich neue Sachbescheide. In der Begründung des Aufhebungsbescheids führte die Abgabenbehörde aus, dass die inhaltliche Rechtswidrigkeit des Erstbescheids eine nicht bloß geringfügige Auswirkung habe. In den neu erlassenen Sachbescheiden führt die Abgabenbehörde weiters aus, dass die Übertragung der Liegenschaften als Tausch iSd § 6 Z 14 EStG zu qualifizieren sei, wodurch eine Aufdeckung der stillen Reserven zum gemeinen Wert erfolge. Sowohl gegen die neuen Sachbescheide als auch die Aufhebungsbescheide erhob die Bf Beschwerde, in der vorgebracht wurde, dass bereits im Wege der Veranlagung 2013 und 2014 Ergänzungsersuchen im Hinblick auf die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Höhe der ImmoESt ergangen sind und daraufhin eine erklärungsgemäße Veranlagung erfolgte. Zudem sind im Rahmen der bei der Bf erfolgten Außenprüfung keine Bedenken gegen die Bemessungsgrundlage der ImmoESt erhoben worden, weshalb in der Bescheidaufhebung eine unzulässige Ermessensüberschreitung liege.

Entscheidung des BFG

Das BFG führt zunächst die Grundsätze des § 299 BAO aus. Demnach besteht die Möglichkeit, einen Bescheid aufzuheben, wenn sich der Spruch des Bescheids als nicht richtig erweist. Inhaltlich unrichtig ist der Bescheidspruch dann, wenn dieser nicht dem Gesetz entspricht. Unbeachtlich ist, aus welchem Grund die Rechtswidrigkeit vorliegt (siehe Ritz/Koran, BAO7 § 299 Rz 10). Erweist sich ein Bescheid als inhaltlich unrichtig, so liegt es in weiterer Folge im zu begründenden Ermessen der Behörde, ob eine Bescheidaufhebung vorgenommen wird. Bei einer solchen Ermessensausübung hat die Abgabenbehörde dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit Vorrang vor dem Prinzip der Rechtssicherheit zu gewähren.

Im gegenständlichen Fall machte die Bf in ihrer Beschwerde eine Ermessensüberschreitung der Abgabenbehörde geltend, weil die Abgabenbehörde sowohl infolge von Ergänzungsersuchen als auch im Rahmen einer Betriebsprüfung den Sachverhalt bereits ausreichend ermittelt hätte, was einem Anwendungsfall des § 299 BAO entgegenstehe. Nach Ansicht des BFG liegt aber trotz Kenntnis der Sachlage kein Fall einer Ermessensüberschreitung vor, weil ein allfälliges Verschulden der Abgabenbehörde einer Bescheidaufhebung nach § 299 BAO nicht entgegenstehe. Vielmehr ist für die Beurteilung der Frage der Rechtswidrigkeit des Sachbescheids ein Verschulden der Abgabenbehörde oder auch der Partei irrelevant (Ritz/Koran, BAO7 § 299 Rz 59). Somit verneinte das BFG im Ergebnis eine Ermessensüberschreitung durch die Abgabenbehörde.

Anders entschied das BFG aber im Hinblick auf die Begründung des Aufhebungsbescheids, mit der die Voraussetzungen des § 299 BAO dargelegt werden müssen. Eine solche Begründung ist nach Ansicht des BFG durch die Abgabenbehörde zwingend vorzunehmen und insofern als unverzichtbar für eine Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Aufhebung anzusehen (vgl VwGH 4. 11. 2021, Ra 2021/13/0100). Im Aufhebungsbescheid führte die Abgabenbehörde aus, dass die Übertragung der Liegenschaften durch die Bf an die GmbH als Tausch iSd § 6 Z 14 EStG anzusehen sei, woraus eine Aufdeckung der stillen Reserven zum gemeinen Wert resultiere. Nicht ausgeführt wurde allerdings, woraus sich konkret die inhaltliche Unrichtigkeit des ersten Sachbescheids ergibt. Zudem wurde nicht näher erläutert, wieso eine Qualifikation der Liegenschaftsübertragung als Tausch vorgenommen worden ist. Für das BFG muss die Bescheidbegründung aber erkennen lassen, aus welchen Erwägungen die Abgabenbehörde in diesem Fall die Qualifikation als Tausch vorgenommen hat. Die bloße Feststellung der Liegenschaftsübertragung als Tausch ist nicht ausreichend. Somit ist für das BFG nicht feststellbar, ob die Bescheidaufhebung gem § 299 Abs 1 BAO rechtmäßig erfolgte, weil der Aufhebungsbescheid keine nachprüfbare Begründung der Rechtswidrigkeit des aufgehobenen Sachbescheids enthält. Daher waren die Aufhebungsbescheide betreffend Einkommensteuer 2013 und 2014 ersatzlos aufzuheben, womit auch die neu erlassenen Sachbescheide gem § 299 Abs 3 BAO ex lege aus dem Rechtsbestand ausschieden. Die Revision wurde nicht zugelassen, eine Amtsrevision ist erhoben worden.

Conclusio

Die Begründung des Aufhebungsbescheids muss darlegen, dass die Voraussetzungen der Bescheidaufhebung nach § 299 BAO vorliegen (Ritz/Koran, BAO7 § 299 Rz 40). Der Begründungspflicht ist aber auch dann Genüge getan, wenn sich aus einer Gesamtschau des Aufhebungsbescheids und des neuen Sachbescheids ergibt, worauf das Finanzamt die Aufhebung des rechtswidrigen Erstbescheids gestützt hat (VwGH 26. 4. 2012, 2009/15/0119; siehe auch Fiala in Rzeszut/Tanzer/Unger (Hrsg), BAO: Stoll Kommentar2.06 § 299 Rz 49). Aus dem vorliegenden Aufhebungsbescheid ergibt sich bloß der Hinweis, dass die inhaltliche Rechtswidrigkeit des Erstbescheids eine nicht bloß geringfügige Auswirkung habe. In der Begründung des neu erlassenen Sachbescheids wird ausgeführt, dass die Liegenschaftsübertragung als Tausch iSd § 6 Z 14 EStG angesehen wird, womit die stillen Reserven mit dem gemeinen Wert aufgedeckt werden. Es wurde aber nicht objektiv erkennbar erläutert, worin genau die Unrichtigkeit des Erstbescheids liegt, weil bloß die neue Qualifikation der Liegenschaftsübertragung als Tausch ausgeführt wird. Damit war von einem Begründungsmangel auszugehen, der eine Aufhebung des Aufhebungsbescheids ermöglichte.

Darüber hinaus enthielt im vorliegenden Fall weder der Aufhebungsbescheid noch der neue Sachbescheid eine notwendige Begründung für die Ermessensübung (Ritz/Koran, BAO7 § 299 Rz 40). Fehlt jegliche Begründung zur Ermessensübung im Aufhebungsbescheid, führt allein dieser Mangel nach Ansicht des UFS bereits zu einer Aufhebung des Aufhebungsbescheids, weil die Begründung der Ermessensübung ein gesetzlich unabdingbarer Begründungsbestandteil des Aufhebungsbescheids sei (siehe dazu UFS 8. 3. 2011, RV/3031-W/07). Als ausreichende Begründung der Ermessensübung dürften Ausführungen zum Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung gelten (siehe idS VwGH 16. 11. 1993, 89/14/0287), sofern im Einzelfall keine maßgeblichen Umstände eine andere Ermessensübung begründen (Ritz/Koran, BAO7 § 299 Rz 40). Mit diesem Gesichtspunkt setzte sich das BFG im vorliegenden Fall jedoch nicht näher auseinander.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 34663 vom 25.10.2023