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Abstract
Ein inhaltlich unrichtiger Bescheid kann durch § 299 BAO von der Abgabenbehörde aufgehoben werden. Notwendig für die Zulässigkeit dieser Aufhebung ist unter anderem, dass der Aufhebungsbescheid einerseits eine Begründung über die Erfüllung der Voraussetzungen des § 299 BAO enthält. Andererseits muss darin auch eine Abwägung der Ermessensentscheidung angeführt werden. Fehlen diese Ausführungen, ist der Aufhebungsbescheid rechtswidrig ergangen. Im vorliegenden Fall hatte das BFG darüber zu entscheiden, ob der Aufhebungsbescheid diese Voraussetzungen erfüllte.
BFG 30. 9. 2024, RV/2101659/2015
Sachverhalt
Mit Kauf- und Abtretungsvertrag vom 7. 3. 2012 veräußerte die Bf, eine Privatstiftung, eine 100%-ige Beteiligung zu einem Kaufpreis von ca EUR 6,6 Mio. An 25 % dieser Beteiligung besaß der Stifter der Bf ein Fruchtgenussrecht. Dieses Fruchtgenussrecht wurde vom Stifter mit demselben Vertrag vom 7. 3. 2012 an die Käuferin der 100%-igen Beteiligung veräußert. Aus dem Kauf- und Abtretungsvertrag ergab sich, dass es sich bei diesen beiden Vorgängen um zwei voneinander getrennte handelte. Die Bf setzte in ihrer Körperschaftsteuererklärung 2012 als Einkünfte aus der Veräußerung der Beteiligung ca EUR 6,6 Mio an. Nach Ansicht des Finanzamts (FA) müssten der Bf aufgrund einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise iSd § 21 BAO zu diesen Einkünften jedoch auch noch die Einkünfte des Stifters hinzugerechnet werden, die sich aus der Veräußerung des Fruchtgenussrechts ergaben (ca EUR 2,3 Mio). Begründet wurde dies damit, dass die Bf zivilrechtliche und wirtschaftliche Eigentümerin der Beteiligung gewesen sei. Aus diesem Grund hob das FA den Körperschaftsteuerbescheid 2012 der Bf wegen Rechtswidrigkeit gem § 299 Abs 1 BAO auf, weil darin nicht auch der Veräußerungserlös des Stifters aus dem Fruchtgenussrecht berücksichtigt wurde.
Entscheidung des BFG
Für das BFG ergibt sich aus dem Kauf- und Abtretungsvertrag vom 7. 3. 2012 eindeutig, dass die Bf einerseits ihre 100%-ige Beteiligung an die Käuferin und andererseits der Stifter sein Fruchtgenussrecht unmittelbar selbst an die Käuferin veräußert hat. Somit handelt es sich nach Ansicht des BFG zweifellos um zwei voneinander getrennt zu sehende Vorgänge, weshalb der Bf nicht im Wege der wirtschaftlichen Betrachtungsweise der Veräußerungserlös des Fruchtgenussrechts des Stifters hinzuzurechnen ist.
In weiterer Folge prüft das BFG die Rechtmäßigkeit der Bescheidaufhebung nach § 299 Abs 1 BAO. Demnach kann ein Bescheid aufgehoben werden, wenn sich dieser als nicht richtig erweist. Das ist der Fall, wenn der Bescheidspruch nicht dem Gesetz entspricht, weil er etwa auf einer unrichtigen Auslegung beruht (VwGH 20. 1. 2016, 2012/13/0059). Mit diesem Aufhebungsbescheid ist gleichzeitig der neue Sachbescheid gem § 299 Abs 2 BAO zu verbinden, wobei beide Bescheide einem Rechtsmittel zugänglich sind. Der Aufhebungsbescheid hat die Erfüllung der Voraussetzungen des § 299 BAO darzulegen. Da die Aufhebung im Ermessen (§ 20 BAO) der Abgabenbehörde liegt, bedarf es auch einer Abwägung der ermessensrelevanten Umstände, die im Aufhebungsbescheid zu begründen ist.
Für den vorliegenden Fall bedeutet das nach Ansicht des BFG Folgendes: Den rechtlichen Ausführungen des FA im Aufhebungsbescheid ist nicht zu folgen, weshalb der aufgehobene Bescheid nicht inhaltlich unrichtig ist und damit nicht gem § 299 BAO hätte aufgehoben werden dürfen. Zudem enthält der Aufhebungsbescheid keine Abwägung der ermessensrelevanten Umstände, weil die Gründe für die Ermessensübung des FA nicht ersichtlich sind. Somit ist der Aufhebungsbescheid rechtswidrig ergangen, weshalb das BFG diesen aufgehoben hat. Den neu erlassenen Sachbescheid erklärte das BFG gem § 261 Abs 2 BAO als gegenstandlos.
Conclusio
Das vorliegende Erkenntnis befasst sich mit zwei Themenbereichen: Zunächst hatte sich das BFG mit dem Fruchtgenussrecht und dessen Veräußerung auseinanderzusetzen. Die Zurechnung eines Wirtschaftsguts hängt davon ab, wer dessen wirtschaftlicher Eigentümer ist (Margreiter, FJ 1984, 67 [67]). Wirtschaftlicher Eigentümer ist idR der zivilrechtliche Eigentümer (VwGH 8. 7. 2009, 2006/15/0264). Die zivilrechtliche und wirtschaftliche Eigentümerstellung können jedoch auch auseinanderfallen. Entscheidend für das wirtschaftliche Eigentum ist, wer die positiven und negativen Befugnisse des Eigentumsrechts tatsächlich ausüben kann (ausführlich dazu mwN Krenn/Beer, ecolex 2024, 259 [259]). Ein Fruchtgenussrecht ist ein bloßes Nutzungsrecht, wodurch grds kein wirtschaftliches Eigentum begründet wird. Anderes gilt aber, wenn der Fruchtgenussrechtsinhaber eigentümerähnliche Stellung besitzt (mwN VwGH 17. 2. 1992, 90/15/0117). Im vorliegenden Fall war der Stifter derjenige, der über das Fruchtgenussrecht an der Beteiligung im Kauf- und Abtretungsvertrag verfügen konnte. Im Erkenntnis wurde jedoch nicht näher die konkrete Ausgestaltung des Fruchtgenussrechts thematisiert, weshalb nicht eindeutig feststellbar ist, wer der wirtschaftliche Eigentümer der Beteiligung und wem daher das Wirtschaftsgut zuzurechnen ist. Von der Zurechnung des Wirtschaftsguts ist jedoch die Einkünftezurechnung zu trennen (siehe etwa VwGH 5. 12. 2010, 2008/13/0012. Diese hängt davon ab, wem die Dispositionsbefugnis über die Einkunftsquelle zukommt (Gassner, ÖStZ 2003, 438 [438]). Gerade bei Fruchtgenussrechten fällt wirtschaftliches Eigentum an Beteiligungen und die Zurechnung der daraus entstehenden Einkünfte häufig auseinander (ausführlich dazu Blum, ÖStZ 2015, 356 [357f]). Diese Dispositionsbefugnis besaß der Stifter, weil dieser laut Kauf- und Abtretungsvertrag über das Fruchtgenussrecht verfügen konnte. Somit ist wohl auch der Erlös aus der Veräußerung des Fruchtgenussrechts diesem und nicht der Bf zutreffend zugerechnet worden.
Zudem erkannte das BFG über die Rechtswidrigkeit des Aufhebungsbescheids nach § 299 BAO. Das BFG erachtete den Aufhebungsbescheid als rechtswidrig und hob ihn auf, weil die notwendigen Voraussetzungen nicht vorlagen. Die Beschwerde gegen den neu erlassenen Sachbescheid erklärte das BFG zudem als gegenstandlos. Interessant ist idZ die verfahrensrechtliche Frage, ob die Beschwerde in einem solchen Fall gegen einen neu erlassenen Sachbescheid als gegenstandslos zu erklären ist oder als unzulässig geworden zurückzuweisen ist. § 261 Abs 2 BAO verweist zwar eindeutig darauf, dass bei Aufhebung des Aufhebungsbescheids im Fall des § 299 BAO die Beschwerde gegen den damit gleichzeitig erlassenen Sachbescheid als gegenstandslos zu erklären ist (siehe auch Ritz/Koran, BAO7 Rz 46). In der Literatur wird jedoch auch ausgeführt, dass in einem solchen Fall die Beschwerde als unzulässig geworden zurückzuweisen ist (Fiala in Rzeszut/Tanzer/Unger, BAO: Stoll Kommentar – Digital First § 299 Rz 58; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 299 Anm 25). Der Grund dafür liegt in § 299 Abs 3 BAO: Demnach tritt das Verfahren durch Aufhebung des Aufhebungsbescheids in die Lage zurück, in der es sich vor der Aufhebung befunden hat. Fraglich ist daher, wie mit der Beschwerde gegen einen neu erlassenen Sachbescheid bei bereits erfolgter Aufhebung des Aufhebungsbescheids vorzugehen ist: entweder Gegenstandsloserklärung oder Zurückweisung. Der Wortlaut des § 261 Abs 2 BAO spricht jedenfalls für die Gegenstandsloserklärung.