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BFG zum Progressionsvorbehalt des abkommensrechtlichen Quellenstaates

Bearbeiter: Michael Gleiss

EStG 1988: § 1 Abs 2

DBA-Litauen: Art 24 Abs 1 lit c

Abstract

Das BFG hatte über eine Beschwerde eines (vermeintlich) beschränkt Steuerpflichtigen zu entscheiden. Das BFG erachtete den Beschwerdeführer (Bf) jedoch als unbeschränkt steuerpflichtig und beschäftigte sich in der Folge mit der Frage der Anwendbarkeit des Progressionsvorbehalts im abkommensrechtlichen Quellenstaat Österreich. Das BFG bejahte dessen Anwendbarkeit mit Hinweis auf die Rsp des VwGH.

BFG 2. 5. 2023, RV/7101743/2021

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (Bf) bezog im Streitjahr 2017 Einkünfte aus der Vermietung einer im Inland gelegenen Eigentumswohnung sowie aus nichtselbstständiger Arbeit als Profifußballer in Litauen. In seiner Einkommensteuererklärung 2017 gab der Bf an, im Streitjahr in Österreich (Ö) weder über einen Wohnsitz noch über einen gewöhnlichen Aufenthalt verfügt zu haben. Der Bf verfügte nach seinen Angaben über Wohnsitze in Kroatien und Litauen. Außerdem war ihm im Mietvertrag ein unbeschränktes Nutzungsrecht an einem Zimmer der vermieteten Wohnung eingeräumt worden. Das FA veranlagte den Bf jedoch – trotz des Nutzungsrechts – als beschränkt steuerpflichtig. Gegen diesen Bescheid erhob der Bf (aus im besprochenen Erkenntnis nicht näher ausgeführten Gründen) Beschwerde, über die das BFG zu entscheiden hatte.

Entscheidung

Nach § 1 Abs 2 EStG sind Personen dann unbeschränkt steuerpflichtig, wenn sie im Inland einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. Der Bf verfügt im Inland über einen Wohnsitz, weil ihm ein Nutzungsrecht an einem Zimmer der vermieteten Wohnung zukommt. Somit liegt ein Wohnsitz iSd § 26 Abs 1 BAO und folglich unbeschränkte Steuerpflicht in Ö vor.

Weiters verfügt der Bf auch über Wohnsitze in Litauen und Kroatien. Nach § 4 Abs 2 lit a DBA-Litauen bestimmt sich die abkommensrechtliche Ansässigkeit danach, wo der Mittelpunkt der Lebensinteressen liegt. Dieser liegt im vorliegenden Fall unstrittig in Litauen.

Nach Art 15 Abs 1 DBA-Litauen hat Ö bei Einkünften aus unselbstständiger Arbeit nur dann ein Besteuerungsrecht, wenn die Arbeit in Ö erbracht wird. Dies ist hier nicht der Fall. Nach Art 24 Abs 1 lit c DBA-Litauen darf bei der Steuerberechnung von in Ö ansässigen Personen jedoch das übrige Einkommen der Person miteinbezogen werden (Progressionsvorbehalt). Dagegen enthält das DBA-Litauen keine Bestimmungen über einen von Ö anzuwendenden Progressionsvorbehalt, wenn Personen – wie hier aufgrund Art 4 Abs 2 lit a DBA-Litauen – in Litauen ansässig sind. Der Methodenartikel bezieht sich somit dem Wortlaut zufolge nur auf den Ansässigkeitsstaat, nicht jedoch auf den Quellenstaat.

Allerdings hat der VwGH im Erk v 7. 12. 2022, Ra 2021/13/0076 in einem ähnlich gelagerten Fall ausgesprochen, dass der Methodenartikel die Anwendung des Progressionsvorbehalts durch den Quellenstaat nicht ausschließt. In Fällen, in denen dem Quellenstaat abkommensrechtlich ein Progressionsvorbehalt somit weder eingeräumt noch verboten wurde, besteht hinsichtlich des Progressionsvorbehalts keine Schrankenwirkung des DBA.

Im vorliegenden Fall zieht das innerstaatliche Recht bei unbeschränkt steuerpflichtigen Personen für die Ermittlung der Höhe des Steuersatzes auch ausländische Einkünfte heran. Da das DBA-Litauen die Heranziehung für litauische Einkünfte bei der Ermittlung des Steuersatzes nicht verbietet, bemisst sich der Steuersatz in Ö unter Berücksichtigung der litauischen Einkünfte.

Die Revision ließ das BFG mit Hinweis auf VwGH 7. 9. 2022, Ra 2021/13/0067 nicht zu.

Conclusio

Die vorliegende Entscheidung des BFG basiert im Wesentlichen auf dem Erk des VwGH vom 7. 9. 2022, Ra 2021/13/0067 (siehe dazu etwa Frenkenberger, VwGH: Progressionsvorbehalt in Österreich als abkommensrechtlicher Quellenstaat? LexisNexis-Rechtsnews 33283 v 17. 11. 2022 oder Kerschner, VwGH zum Progressionsvorbehalt bei unbeschränkt steuerpflichtigen „DBA-Ausländern“, ÖStZ 2022/626, 627). Demnach liegt die Wurzel des Progressionsvorbehalts im innerstaatlichen Recht; ein etwaiger im DBA vereinbarter Progressionsvorbehalt hat demnach nur deklaratorische Bedeutung (siehe dazu auch etwa Kerschner, ÖStZ 2022/626, 627 [630]). Zur Nichtanwendung des Progressionsvorbehalts kommt es somit nur dann, wenn dies im jeweiligen Abkommen angeordnet ist. Das genannte VwGH-Erk hat bereits Berücksichtigung in den EStR gefunden, siehe Rz 326 und 7588 ff (siehe dazu Deichsel/J. Knesl/P. Knesl, Ausgewählte Themenbereiche des EStR-WE 2023 im Kontext dargestellt – Teil 1, ÖStZ 2023/248, 224 [225] und Deichsel/J. Knesl/P. Knesl, Ausgewählte Themenbereiche des EStR-WE 2023 im Kontext dargestellt – Teil 2, ÖStZ 2023/296, 277). Die praktische Relevanz von DBA-rechtlichen Klauseln, die die Anwendung des Progressionsvorbehalts ausschließen, bleibt abzuwarten.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 34317 vom 27.07.2023