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BFG: Zuordnung der Bezüge aus der deutschen Versorgungsanstalt Bund und Länder im DBA Deutschland-Österreich

Bearbeiter: Stefan Pregesbauer

DBA D-Ö: Art 19, Art 21, Art 28

EStG 1988: § 25 Abs 1 Z 2 lit b

Abstract

Im Fall einer italienischen Staatsbürgerin mit Wohnsitz in Österreich (Ö), die Bezüge aus der deutschen Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) erhält, entschied das BFG, dass diese Einkünfte gem Art 28 Abs 1 lit a DBA Deutschland-Österreich (D-Ö) in Ö zu besteuern sind. Der Qualifikationskonflikt zwischen den deutschen und österreichischen Steuerbehörden hätte andernfalls zu einer nicht gewünschten doppelten Nichtbesteuerung geführt. Während die deutsche Finanzverwaltung die Bezüge als andere Einkünfte nach Art 21 Abs 1 DBA D-Ö einordnet und daher nur im Rahmen des Progressionsvorbehalts berücksichtigt, subsumiert die österreichische Rechtsauffassung die Bezüge als Ruhegehälter nach Art 19 Abs 2 DBA D-Ö. Zur Vermeidung der doppelten Nichtbesteuerung ordnete das BFG die Bezüge gem Art 28 Abs 1 lit a DBA D-Ö der österreichischen Besteuerung zu, womit die Beschwerde der Beschwerdeführerin (Bf) gegen die Besteuerung in Ö abgewiesen wurde.

BFG 21. 10. 2024, RV/7104445/2020

Sachverhalt

Die Bf ist italienische Staatsbürgerin, hat ihren Wohnsitz in Ö und bezieht Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie Pensionseinkünfte aus Italien, Pensionseinkünfte (Bezüge von der Deutschen Rentenversicherung Bund) und Bezüge aus der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) aus Deutschland (D). Die Einkünfte fallen unter das DBA Italien-Ö und das DBA D-Ö. Die dt Finanzverwaltung (FinVw) erließ im Februar 2024 einen Einkommensteuerbescheid, in dem es bei den Bezügen aus der Versorgungsanstalt Bund und Länder von einem Besteuerungsrecht in Ö als Ansässigkeitsstaat ausgeht und berücksichtigte diese Bezüge daher nur im Rahmen des Progressionsvorbehaltes.

Im konkreten Fall ist das Besteuerungsrecht Ös für die Bezüge aus der VBL strittig. Zweifelhaft ist, wie sie im Rahmen des DBA D-Ö einzuordnen sind. Die Rechtsfrage ist dabei, ob die Bezüge aus der VBL als andere Einkünfte gem Art 21 DBA D-Ö in Ö als Ansässigkeitsstaat der Besteuerung unterliegen (dt Rechtsauffassung) oder als Ruhegehalt (mangels österr Staatsangehörigkeit) gem Art 19 Abs 2 DBA D-Ö in D als Quellenstaat der Besteuerung unterliegen (österr Rechtsauffassung).

Entscheidung des BFG

Die Altersvorsorge für den öffentlichen Dienst durch die VBL ist eine Pflichtversicherung ohne Wahlmöglichkeit für die Bf. Bezüge sind daher gem § 25 Abs 1 Z 2 lit b EStG Leistungen aus einer ausländischen Pensionskasse, da eine gesetzliche verpflichtende Beitragspflicht bestand. Die dt Steuerverwaltung beurteilte die Bezüge aus der dt VBL als unter Art 21 DBA D-Ö fallend und berücksichtigte diese Einkünfte nur mehr im Rahmen des Progressionsvorhaltes. Das dt Finanzamt stützte seine Rechtsansicht auf die Rechtsauffassung der Oberfinanzdirektion Münster, die die Bezüge der VBL, die als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts organisiert ist, als regelmäßige Zahlungen aufgrund eigener Beitragsleistungen, die innerstaatlich mit dem Ertragsanteil der Besteuerung unterliegen, beurteilt (OFD Münster 17. 10. 2007, S 1 31 5 – 42 – St 45 – 32, IWB 2008, 1245). Aus dt Sicht wird durch die Beitragsleistung des Arbeitnehmers die Verbindung zu einer gesetzlichen Sozialversicherung durchbrochen und daher liegen keine derartigen Bezüge vor. Das österr Finanzamt vertritt hingegen die Rechtsauffassung, dass die Bezüge der VBL als Ruhegehälter gem Art 19 Abs 2 DBA D-Ö zu erfassen sind, da eigene Beiträge des Arbeitnehmers nicht die Qualifikation als Ruhegehalt gem Art 19 Abs 2 DBA D-Ö verhindern.

Begründung für die Zuordnung zu Art 19 Abs 2 DBA D-Ö ist, dass nach österr Recht unter nichtselbstständige Einkünfte gem § 25 EStG auch Bezüge aus Pensionskassen, die sowohl von Arbeitgeber- als auch Arbeitnehmerbeiträgen finanziert werden, subsumiert werden. Bezüge aus diesen Pensionskassen sind Ruhegehälter gem Art 18 DBA D-Ö und aufgrund der Zahlungen aus einem öffentlichen Dienst unter Art 19 DBA D-Ö zu subsumieren. Da die Bf italienische Staatsbürgerin und in Ö ansässig ist, ist gem österr Rechtsauffassung Art 19 Abs 2 letzter Satz DBA D-Ö nicht anwendbar. Dieser Qualifikationskonflikt würde eine doppelte Nichtbesteuerung bedeuten, da D kein Besteuerungsrecht ausgeübt hat. Gem Art 28 Abs 1 lit a DBA D-Ö wird für den zur Vermeidung einer von den Staaten nicht erwünschten doppelten Nichtbesteuerung aufgrund des Qualifikationskonfliktes zwischen der dt und österr FinVw ein Methodenwechsel durchgeführt. Da die Bf in Ö ansässig ist, ist gem Art 28 Abs 1 lit a DBA D-Ö von der Methode der Steuerbefreiung auf die Steueranrechnung zu wechseln. Gem Art 28 Abs 1 lit a DBA D-Ö sind die Einkünfte aus der VBL in Ö zu besteuern. Da nach der dt Rechtsauffassung keine Besteuerung der Bezüge der VBL erfolgt, ist Ö auch nicht zur Steuerfreistellung verpflichtet. Zur Vermeidung einer Nichtbesteuerung werden die Bezüge aus der VBL daher bei der österr Einkommensteuerfestsetzung erfasst. Die Beschwerde, dass die Bezüge aus der VBL nicht der vollen Besteuerung in Ö unterliegen, wird daher abgewiesen.

Conclusio

Diese Entscheidung des BFG verdeutlicht die Bedeutung des Art 28 Abs 1 lit a DBA D-Ö bei der Lösung von Qualifikationskonflikten, die zu einer doppelten Nichtbesteuerung führen könnten. Im OECD-MA findet sich keine mit Art 28 Abs 1 lit a DBA D-Ö vergleichbare Vorschrift. Die im konkreten Fall anwendbare Vorschrift des DBA D-Ö ist auch nicht mehr in Kraft, da eine nF am 16. 1. 2024 kundgemacht wurde (BGBl III 2024/12). Die für den konkreten Fall relevante Fassung lautet: „Der Ansässigkeitsstaat vermeidet die Doppelbesteuerung durch Steueranrechnung nach Artikel 23 und nicht durch Steuerbefreiung nach dem genannten Artikel, […] wenn in den Vertragsstaaten Einkünfte oder Vermögen unterschiedlichen Abkommensbestimmungen zugeordnet […] werden (außer nach Artikel 9) und dieser Konflikt sich nicht durch ein Verfahren nach Artikel 25 regeln lässt und wenn auf Grund dieser unterschiedlichen Zuordnung oder Zurechnung die betreffenden Einkünfte oder Vermögenswerte unbesteuert blieben oder zu niedrig besteuert würden.

Im vorliegenden Fall wurde durch die dt Steuerverwaltung die Zuordnung der Bezüge aus der VBL als andere Einkünfte gem Art 21 DBA D-Ö vorgenommen, was nur zu einer Berücksichtigung im Rahmen des Progressionsvorbehalts führte. Im Gegensatz dazu beurteilte die österr FinVw die Bezüge als Ruhegehälter gem Art 19 Abs 2 DBA D-Ö. Eine unterschiedliche Qualifikation der Einkünfte durch die Vertragsstaaten liegt also vor. Da Art 19 Abs 2 DBA D-Ö D das Besteuerungsrecht an den Einkünften zuweist, sind die Einkünfte der Bf auch unbesteuert geblieben. Als dritte Anwendungsvoraussetzung sah Art 28 Abs 1 lit a DBA D-Ö noch die Durchführung eines Verständigungsverfahrens Art 25 DBA D-Ö vor (Wassermeyer/Stefaner, DBA AT 2000, Art 28 Rn 5). In der Entscheidung des BFG wird aber nicht darauf eingegangen, ob ein derartiges Verständigungsverfahren tatsächlich stattgefunden hat. Umstritten ist außerdem, ob die Rückfallklausel nach Art 28 Abs 1 lit a DBA D-Ö überhaupt zur Anwendung kommen kann, wenn eine geschlossene Verteilungsnorm – wie Art 19 Abs 2 Satz 1 DBA D-Ö im konkreten Fall – zur Anwendung kommt (siehe dazu Lang/Frenkenberger, Vermeidung der doppelten Nichtbesteuerung aufgrund von Qualifikationskonflikten nach dem DBA Deutschland, BFGjournal 2024, 391 [394 ff]). Weiters kann Art 28 Abs 1 lit a DBA D-Ö kein innerstaatliches Besteuerungsrecht begründen (Wassermeyer/Stefaner, DBA AT 2000, Art 28 Rn 3). Dies ist aber auch gar nicht erforderlich, da die Einkünfte der Bf als nichtselbstständige Einkünfte gem § 25 Abs 1 Z 2 lit b EStG zu qualifizieren sind.

Da keine Rsp des VwGH zu der Frage besteht, wie Bezüge der VBL nach dem DBA D-Ö zuzuordnen sind, wurde die ordentliche Revision für zulässig erklärt. Soweit dies ersichtlich ist, wurde aber keine Revision eingebracht.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36463 vom 04.03.2025