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BFG: Zur Abgrenzung zwischen einer Körperschaft öffentlichen Rechts und einem privatrechtlichen Verein

Bearbeiter: Benjamin Beer

KStG 1988: § 1, § 2

Rotkreuzgesetz 2008 (RKG): § 1

Abstract

Das BFG hatte zu beurteilen, ob ein Landesverband des Österreichischen Roten Kreuzes als privatrechtlicher Verein oder als Körperschaft öffentlichen Rechts (KöR) einzuordnen ist. Nach einer Gesamtabwägung war es vom Vorliegen eines privatrechtlichen Vereins ausgegangen. Das hatte die Unzuständigkeit des den Bescheid erlassenden FA und somit die Aufhebung des angefochtenen Bescheides zur Folge.

BFG 9. 5. 2023, RV/7106426/2019

Sachverhalt

Die Bf ist ein Landesverband des Österreichischen Roten Kreuzes und wurde mittels Vereinbarung privatrechtlicher Statuten errichtet. Bisher wurde dieser als KöR besteuert. Seine Aufgaben sind uA Katastrophenvorsorge und -hilfe. Nach der Durchführung einer Außenprüfung sowie einer Nachschau setzte das FA aufgrund des Ausscheidens von betrieblichen Vermögensgegenständen (Bankkonten und Wertpapierkonten) die KESt fest. Dagegen richtete sich die Beschwerde. Begründend wurde ausgeführt, dem Bescheid liege eine falsche Tatsachenwürdigung zu Grunde. Aufgrund eines Antrags auf Direktvorlage hatte das BFG ohne voriges Ergehen einer Beschwerdevorentscheidung über die Beschwerde abzusprechen.

Entscheidung des BFG

Das BFG erörtert zunächst, ob es sich bei der Bf tatsächlich um eine KöR oder um einen privatrechtlichen Verein handelt. Diese Frage ist zwar zwischen den Parteien nicht strittig, da beide vom Vorliegen einer KöR ausgehen. Jedoch knüpfen sich im konkreten Fall an diese Unterscheidung unterschiedliche Zuständigkeiten.

Eine eindeutige Qualifikation des Roten Kreuzes als KöR ergibt sich, so das BFG, sowohl aus dem Erlass des BMF vom 9. 3. 1982, GZ 13 5202/2-IV/13/82 als auch aus der KStR 2013 Rz 59. Jedoch sind Erlässe und Richtlinien des BMF lediglich „Auslegungsbehelfe für die Finanzverwaltung, nicht aber eine für das BFG maßgebende Rechtsquelle“ (VwGH 31. 1. 2018, Ra 2017/15/0038) und begründen daher auch „keine subjektiven Rechte und Pflichten der Steuerpflichtigen“ (VwGH 28. 1. 2003, 2002/14/0139). Allein aus diesen Quellen kann also keine für das BFG verbindliche Einordnung als KöR abgeleitet werden.

Vom Begriff der KöR sind alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts erfasst. Dazu gehören primär alle gesetzlich ausdrücklich als solche anerkannten (VwGH 22. 1. 1974, 0399/73), aber nicht nur diese (Achatz/Bieber in Achatz/Kirchmayr [Hrsg], KStG [2011] § 1 Rz 219 f).

Im vorliegenden Fall ist das RKG das für die Bf maßgebende Gesetz. Jedoch werden dort lediglich Namen und Zeichen des Österreichischen Roten Kreuzes festgelegt. Aus dem RKG lässt sich somit keine ausdrücklich angeordnete Einordnung der Bf als juristische Person des öffentlichen Rechts ableiten.

Fraglich ist jedoch, ob das Vorliegen einer juristischen Person des öffentlichen Rechts auch ohne gesetzliche Anordnung zu bejahen ist, weil ein „öffentlich-rechtlicher Charakter (…) aus dem Zusammenhang der gesetzlichen Regelung klar erkennbar“ ist. Das ist nach Rsp des VwGH (nur) dann der Fall, wenn eine juristische Person mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet ist, Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt und Zwangsbestand hat (erstmals VwGH 14. 9. 1970, 0137/70).

Ein Zwangsbestand der Bf ergibt sich in casu weder aus der privatrechtlichen Grundlage (Satzung des Vereins) noch aus dem RKG selbst. So kann der Verein gemäß seiner Satzung durch Beschluss der Generalversammlung aufgelöst werden. Es bedarf also keines staatlichen Aktes hierfür. Auch ist das Österreichische Rote Kreuz inkl seiner Landesverbände nicht mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet.

Demgegenüber nimmt die Bf öffentliche Aufgaben wahr (Katastrophenvorsorge und -hilfe). Das ist jedoch nicht ausreichend, um das Vorliegen einer KöR zu begründen. Es ist somit, so das BFG, vom Vorliegen eines privatrechtlichen Vereins auszugehen.

Die Einordnung als privatrechtlicher Verein hat die Unzuständigkeit des den Bescheid erlassenden FA Wien 1/23 zur Folge, da nach – dem zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides anwendbaren – § 15 Abs 1 Z 1 AVOG 2010 Vereine iSd VerG 2002 explizit aus dem Zuständigkeitsbereich des FA Wien 1/23 ausgenommen sind.

Das BFG hob den angefochtenen Bescheid daher aufgrund der Unzuständigkeit der Bescheid erlassenden Behörde auf. Die Revision wurde für zulässig erklärt, da die Frage nach dem Zusammenspiel des RKG (oder eines Gesetzes mit vergleichbarem Regelungsgegenstand) und der Wahrnehmung von Aufgaben im öffentlichen Interesse für das (Nicht-)Vorliegen einer KöR in der Rsp des VwGH nicht abschließend geklärt ist. Zudem liege aufgrund der Auswirkung, insb auf andere Landesverbände, eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung vor.

Conclusio

Die vom BFG aufgegriffene, im Gesetz ausdrücklich vorgesehene Unzuständigkeit des FA Wien 1/23 für Vereine iSd VerG besteht seit der Neuorganisation der Finanzverwaltung durch das FORG (BGBl I 2019/104) nicht mehr. Ungeachtet dessen bleibt die Abgrenzung zwischen einer KöR und einem Verein aber auch pro futuro bedeutsam: So ist eine KöR eine beschränkt steuerpflichtige Körperschaft der zweiten Art iSd § 1 Abs 3 Z 2 KStG, bei der nach § 21 Abs 2 KStG nur bestimmte Kapitaleinkünfte und Erträge aus Grundstücksveräußerungen besteuert werden. Ein Verein iSd VerG 2002 unterliegt als juristische Person des Privatrechts demgegenüber der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht nach § 1 Abs 2 Z 1 KStG. Auch knüpfen umsatzsteuerrechtliche Folgen an diese Unterscheidung (vgl § 2 Abs 3 UStG).

In der vorliegenden Entscheidung orientiert sich das BFG an einer Rechtsprechungslinie des VwGH, die dieser in einem Erkenntnis aus dem Jahr 1970 begründete (VwGH 14. 9. 1970, 0137/70) und zuletzt im Jahr 2006 bestätigte (VwGH 27. 6. 2006, 2005/06/0392). Die dort genannten und kumulativ zu erfüllenden Kriterien bzgl des Vorliegens einer juristischen Person des öffentlichen Rechts (und somit einer KöR) bei fehlender ausdrücklicher gesetzlicher Anerkennung offenbaren ein recht enges Begriffsverständnis und gehen auf Antoniolli, Allgemeines Verwaltungsrecht (1951) 136 zurück.

In der Literatur finden sich dagegen verschiedene Ansichten zur Frage, wann vom Vorliegen einer KöR auszugehen ist, obwohl dies nicht ausdrücklich im Gesetz angeordnet wird. Achatz/Mang/Lindinger, KöR3 (2014) Rz 27, 29 sprechen sich etwa für eine eigenständige abgabenrechtliche Beurteilung aus, im Rahmen derer ausschließlich auf die Erfüllung öffentlicher Aufgaben abzustellen ist.

Die mittlerweile wohl herrschende Ansicht nimmt demgegenüber einen Typusbegriff für das Vorliegen einer juristischen Person des öffentlichen Rechts (und somit einer KöR) unter Zugrundelegung folgender Kriterien an, die in einer Gesamtschau zu beurteilen sind: „Errichtung durch Gesetz oder Verwaltungsakt, Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden über Organisationsfragen, Zwangsbestand, Zwangsmitgliedschaft, Erfüllung öffentlicher Aufgaben, Anteil an der Hoheitsverwaltung sowie organisatorische und kontrollrechtliche Verbindungen zur öffentlichen Hand“. Durch eine angepasste Gewichtung der Faktoren können auch vom Verwaltungsrecht abweichende Ergebnissen erzielt werden (siehe zB Hohenwarter-Mayr in Kofler/Lang/Rust/Schuch/Spies/Staringer [Hrsg], WU-KStG3 [2022] § 1 Rz 45 mwN).

Sollte die für zulässig erklärte Revision tatsächlich erhoben werden, hätte der VwGH zu entscheiden, ob er an seiner althergebrachten Rsp festhält oder sich einer der im Schrifttum anzutreffenden Ansichten anschließt.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 34405 vom 22.08.2023