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Abstract
Das BFG hatte über eine Beschwerde infolge eines abgewiesenen Antrags auf Bescheidaufhebung nach § 299 BAO zu entscheiden. Das BFG wies die Beschwerde ab und begründete dies mit der Verletzung der Mitwirkungspflichten und dem Nichterfüllen des für eine Aufhebung nach § 299 BAO notwendigen Beweismaßes („Gewissheit“).
BFG 17. 4. 2023, RV/7103463/2020
Sachverhalt
Im Jahr 2018 fand bei der Beschwerdeführerin (Bf) eine Außenprüfung betreffend Kraftfahrzeugsteuer 2016 und 2017 statt. Aufgrund unterlassener Mitwirkung der Bf (keine Übermittlung von Unterlagen und Nichtteilnahme an der Schlussbesprechung) sowie der damit verbundenen Unmöglichkeit der Feststellung der Bemessungsgrundlage für die Kraftfahrzeugsteuer führte das FA eine Schätzung durch und setzte die Kraftfahrzeugsteuer für 2016 und 2017 mit Bescheid fest. In der Folge erhob die Bf Beschwerde, legte jedoch weiterhin keine Unterlagen zum Nachweis der Bemessungsgrundlage vor. Die in der Folge ergangene abweisende Beschwerdevorentscheidung aus November 2018 erwuchs in Rechtskraft.
Im Juli 2019 brachte die Bf sodann Anträge zur Bescheidaufhebung nach § 299 BAO betreffend der Kraftfahrzeugsteuerbescheide 2016 und 2017 ein. Unterlagen zum Nachweis der strittigen Bemessungsgrundlage wurden nicht vorgelegt. Das FA wies die Anträge bescheidmäßig ab, wogegen die Bf (wiederum ohne Unterlagen zur Bemessungsgrundlage) Beschwerde erhob. Das FA wies auch diese Beschwerde mittels Beschwerdevorentscheidung ab. In der Folge begehrte die Bf Vorlage an das BFG — Unterlagen zum Nachweis der strittigen Bemessungsgrundlage der Kraftfahrzeugsteuer wurden nach wie vor nicht vorgebracht.
Entscheidung des BFG
Eine Aufhebung nach § 299 BAO setzt die Gewissheit der Rechtswidrigkeit voraus, die bloße Möglichkeit reicht nicht aus (Hinweis auf Ritz/Koran, BAO7 § 299 Tz 13). Zur Aufhebung nach § 299 BAO ist es (auch im Falle der Abweisung entsprechender Anträge) notwendig, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt zu ermitteln. Die belangte Behörde ist dieser Verpflichtung im Rahmen ihrer Möglichkeiten nachgekommen, da sie die Bf mehrfach zur Vorlage der Unterlagen aufgefordert hat. Jedoch liegt dem BFG zufolge im vorliegenden Fall eine eklatante Verletzung der Mitwirkungspflichten der Bf vor; so konnte trotz des mehrfachen Ersuchens der Bf in keinem Verfahren (Außenprüfungsverfahren, Beschwerdeverfahren gegen neue Sachbescheide, Verfahren zur Aufhebung nach § 299 BAO und Beschwerde gegen entsprechende Abweisungsbescheide) Nachweise zur Bemessungsgrundlage vorgelegt werden.
Darüber hinaus hätte die vom Bf behauptete Rechtswidrigkeit der Kraftfahrzeugsteuerbescheide 2016 und 2017 im Zuge des Außenprüfungsverfahrens oder im Rahmen des Beschwerdeverfahrens geklärt werden können. Dies ist aus Gründen, die einzig in der Sphäre der Bf liegen, nicht erfolgt. Zudem tritt die Verpflichtung der Behörde, den Sachverhalt über das von ihr als erwiesen erkannte Maß hinaus zu prüfen zurück, wenn die Partei ihrer Pflicht zur Mitwirkung an der Wahrheitsfindung nicht nachkommt (Hinweis auf Ritz/Koran, BAO7 § 115 Tz 9 mwN). Es kann nicht Sinn und Zweck des § 299 BAO sein, so das BFG, die einmonatige Beschwerdefrist „missbräuchlich auf (weit) über 1 Jahr“ auszudehnen.
Auch aufgrund der Verletzung der Mitwirkungspflichten war aus Ermessensüberlegungen dem Antrag auf Bescheidaufhebung nach § 299 nicht stattzugeben. Zusammenfassend lässt sich somit festhalten, dass „die für die Aufhebung gemäß § 299 BAO vorausgesetzte Gewissheit der Rechtswidrigkeit“ der Bescheide nicht vorlag — und zwar aus Gründen, die ausschließlich die Bf zu verantworten hat. Die Abweisung der Anträge nach § 299 erfolgte daher zu Recht. Die Revision ließ das BFG nicht zu.
Conclusio
Im Ergebnis – der Abweisung der Beschwerde – ist dem BFG in der vorliegenden Entscheidung zuzustimmen: Die Bf ist weder im Rahmen der Betriebsprüfung, im Beschwerdeverfahren gegen die neuen Sachbescheide, im beantragten Aufhebungsverfahren nach § 299 BAO noch im darauffolgenden Beschwerdeverfahren ihrer Mitwirkungspflicht nach § 115 BAO nachgekommen. Die amtswegige Ermittlungspflicht fand somit ihre Grenze, da nur die Bf Angaben zum strittigen Sachverhalt (hier: Nachweise zur Bemessungsgrundlage der Kraftfahrzeugsteuer) machen konnte (vgl Ritz/Koran, BAO7 [2021] § 115 Tz 9 mit Nachweis der Rsp des VwGH). Sohin bestand keine Verpflichtung der Behörde, den Sachverhalt über das als erwiesen angenommene Maß hinaus zu prüfen (wiederum Ritz/Koran, BAO7 [2021] § 115 Tz 9). Die auf dem festgestellten Sachverhalt basierende Abweisung der Beschwerde erfolgte somit zu Recht.
Fraglich erscheinen jedoch andere Aussagen des BFG zu § 299 BAO: So spricht ein Verschulden der Antragstellerin am Bestehen des (vermeintlich) rechtswidrigen Bescheides nicht gegen die Stattgabe des Antrags nach § 299 BAO (Ritz/Koran, BAO7 [2021] § 299 Tz 11, siehe auch Fiala in Rzeszut/Tanzer/Unger, BAO: Stoll Kommentar2.06 § 299 Rz 20). Der Vorwurf, die Bf hätte den – nach ihrer Ansicht – unrichtigen Bescheid bereits in einem früheren Verfahren bekämpfen können, steht einem (erfolgreichen) Antrag nach § 299 BAO somit nicht entgegen. Fraglich ist jedoch, inwiefern ein Verschulden der Antragstellerin einen Antrag nach § 299 BAO auf Ebene der Ermessensübung scheitern lässt. Entgegen der im vorliegenden Erk vertretenen Ansicht scheint es für die hM jedoch bedeutungslos für die Ermessensübung zu sein, ob die Rechtswidrigkeit auf ein Verschulden der Partei oder der Behörde zurückzuführen ist (Ritz/Koran, BAO7 [2021] § 299 Tz 59 mwN und Fiala in Rzeszut/Tanzer/Unger, BAO: Stoll Kommentar2.06 § 299 Rz 54).
Ebenso zu hinterfragen – wenn auch für den vorliegenden Fall nicht entscheidend – sind weiters die Aussagen des BFG zum für eine Aufhebung nach § 299 BAO notwendigen Beweismaß. So verlangt das BFG dafür die „Gewissheit der Rechtswidrigkeit“. Fiala hat jedoch mit Hinweis auf VwGH 7. 7. 2011, 2011/15/0060 herausgearbeitet, dass für Aufhebungen nach § 299 BAO kein von den allgemeinen Regeln des Ermittlungsverfahrens abweichendes Beweismaß zur Anwendung kommt (Fiala in Rzeszut/Tanzer/Unger, BAO: Stoll Kommentar2.06 § 299 Rz 23, siehe ausf Fiala, Beweismaß bei der Bescheidaufhebung nach § 299 BAO, AVR 2021, 190).