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BFG zur Aufhebung einer Sach-BVE ohne Erledigung der Beschwerde gegen die Wiederaufnahme

Bearbeiter: Franz Wallig

BAO: §§ 2a, 94, 264, 281a, 307

Abstract

Im vorliegenden Fall brachte der Beschwerdeführer Beschwerde gegen die Wiederaufnahmebescheide und neue Sachbescheide für mehrere Jahre ein. Das Finanzamt erlies nur eine Beschwerdevorentscheidung in Bezug auf die Sachbescheide, nicht jedoch in Bezug auf die Wiederaufnahmebescheide. Das BFG hob die Beschwerdevorentscheidung des Finanzamts nach einem Vorlageantrag des Beschwerdeführers als inhaltlich rechtswidrig auf, weil zunächst über die Beschwerden gegen die Wiederaufnahmebescheide zu entscheiden gewesen wäre.

BFG 1. 8. 2024, RV/5100008/2021

Sachverhalt und Verfahrensgang

Infolge einer Betriebsprüfung wurden die Einkommensteuerverfahren 2013, 2016 und 2017 des Beschwerdeführers (Bf) wiederaufgenommen und die Behörde erlies neue Sachbescheide sowie Bescheide über die Festsetzung von Anspruchszinsen für die betroffenen Jahre. Der Bf erhob Beschwerden gegen die Wiederaufnahmebescheide, die Einkommensteuerbescheide und die Anspruchszinsenbescheide. Das Finanzamt erlies abweisende Beschwerdevorentscheidungen zu den Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide, zu den restlichen Beschwerden wurden jedoch keine Beschwerdevorentscheidungen erlassen. Trotz der fehlenden Beschwerdevorentscheidungen brachte der Bf daraufhin einen Vorlageantrag hinsichtlich aller ursprünglich bekämpften Bescheide ein. Das Finanzamt legte dem BFG auch alle ursprünglich eingebrachten Beschwerden vor.

Entscheidung des BFG

Gem § 307 BAO ist mit dem die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheid unter gleichzeitiger Aufhebung des früheren Bescheids die das wiederaufgenommene Verfahren abschließende Sachentscheidung zu verbinden, wenn dieselbe Abgabenbehörde für die Erlassung beider Bescheide zuständig ist. Werden sowohl die Wiederaufnahme- als auch die Sachbescheide mit Beschwerde bekämpft, ist zunächst über die Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid zu entscheiden. Wird hingegen zuerst über den Sachbescheid abgesprochen, ist die entsprechende Entscheidung inhaltlich rechtswidrig (vgl VwGH 2. 9. 2009, 2005/15/0031; 22. 11. 2012, 2012/15/0193). Nach Ansicht des BFG waren die Beschwerdevorentscheidungen des Finanzamts über die Beschwerden gegen die Sachbescheide mangels Beschwerdevorentscheidung über Beschwerden gegen die Wiederaufnahmebescheide gem § 94 iVm § 2a BAO durch verfahrensleitenden Beschluss als rechtswidrig aufzuheben. Das Verfahren soll in der Folge von der belangten Behörde weitergeführt werden. Nach § 264 Abs 7 BAO scheidet der Vorlageantrag durch Aufhebung einer Beschwerdevorentscheidung aus dem Rechtsbestand aus. Es bedarf daher weder einer Erledigung noch einer Zurückweisung des Vorlageantrags als unzulässig.

Zudem verpflichtet § 281a BAO das Gericht dazu, die Parteien nach einem Vorlageantrag über die Tatsache in Kenntnis zu setzen, dass noch eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen ist oder ein Vorlageantrag nicht eingebracht wurde. Hinsichtlich der Sachbescheide mangelt es weder an einer Beschwerdevorentscheidung noch an einem Vorlageantrag. Die Beschwerdevorentscheidungen über die Beschwerden gegen die Sachbescheide sind damit (nur) als rechtswidrig aufzuheben, eine Verständigung der Parteien nach § 281a BAO ist nicht notwendig. Zu den Wiederaufnahme- und Anspruchszinsenbescheiden wurde allerdings keine Beschwerdevorentscheidung erlassen, weshalb das Gericht die Parteien gem § 281a BAO über diese Tatsache unverzüglich formlos in Kenntnis zu setzen hat.

Conclusio

Bereits nach der stRsp des VwGH ist eine Beschwerdevorentscheidung, die nur über die Beschwerde gegen den Sachbescheid, nicht aber gegen den Wiederaufnahmebescheid abspricht, als rechtswidrig einzustufen (vgl Ritz/Koran, BAO7 [2021] § 307 Rz 7 mwN). Dadurch ergibt sich das Problem, dass über die Sachbescheide nicht rechtmäßig entschieden werden kann, weil die Beschwerde gegen die Wiederaufnahme der Verfahren noch unerledigt ist. Gleichzeitig kann das BFG aber nicht über die Wiederaufnahme des Verfahrens entscheiden, weil dazu (noch) keine Zuständigkeit besteht (vgl Fischerlehner, BFGjournal 2018, 177 [178]). Das BFG löst dieses Problem durch einen verfahrensleitenden Eingriff gem § 94 iVm § 2a BAO. Demnach kann das BFG Verfügungen treffen, „die der Einleitung und Abführung eines Verfahrens sowie der bindenden Gestaltung der einzelnen Verfahrensabschnitte, der Anordnung deren Reihenfolge und Beendigung in einer Art dienen, daß die Behörden und Parteien gebunden sind, denen aber noch eine abschließende (verfahrensbeendende oder über die Angelegenheit des Verfahrens in der Sache absprechende) bescheidmäßige Erledigung nachfolgt“ (vgl Stoll, BAO-Handbuch, 225; Ritz/Koran, BAO7 [2021] § 94 Rz 3). Eine höchstgerichtliche Entscheidung, ob auch die Aufhebung eines Bescheides unter Zurückverweisung der Angelegenheit an die Abgabenbehörde durch eine verfahrensleitende Anordnung iSd § 94 BAO vorgenommen werden kann, gibt es jedoch nicht. Daher bleibt weiter abzuwarten, ob diese praxistaugliche Lösung vom VwGH akzeptiert wird.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35907 vom 30.09.2024