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*Ergebnis einer Umfrage unter 225 Steuerberater:innen und Rechtsanwält:innen (Mai 2024) durchgeführt von IPSOS im Auftrag von LexisNexis Österreich.
Wiener Baumschutzgesetz: § 4, § 6, § 9 Abs 3
Abstract
Das BFG hatte über die Ausgleichsabgabe gem § 9 Abs 3 Wiener Baumschutzgesetz zu entscheiden. Nach Ansicht des BFG ist die Höhe der Ausgleichsabgabe anhand des Einheitssatzes, der im Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruchs gilt, zu ermitteln. Dieser Abgabenanspruch entsteht mit der Rechtskraft des Bewilligungsbescheids. Somit ist die Höhe der Abgabe nicht anhand des geltenden Einheitssatzes zum Zeitpunkt der Antragstellung zu bemessen. Gegen die rückwirkende Anwendung der erhöhten Einheitssätze gem § 19 Abs 4 Wiener Baumschutzgesetz hatte das BFG keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
BFG 8. 5. 2025, RV/7400020/2025
Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin (Bf) ist Alleineigentümerin einer Liegenschaft und beantragte die Entfernung von insgesamt 30 auf dieser Liegenschaft befindlichen Bäume. Mit Bescheid vom 15. 10. 2024 bewilligte die zuständige Behörde gem § 4 Wiener Baumschutzgesetz die Entfernung dieser 30 Bäume und verpflichtete die Bf gem § 6 Wiener Baumschutzgesetz, eine Ersatzpflanzung im Ausmaß von 81 Bäumen vorzunehmen, wobei das Ausmaß der nicht erfüllbaren Ersatzpflanzung 57 Bäume betrug. Aufgrund dieser nicht erfüllbaren Ersatzpflanzung im Ausmaß von 57 Bäumen wurde der Bf eine Ausgleichsabgabe gem § 9 Abs 3 Wiener Baumschutzgesetz iHv 285.000 € vorgeschrieben. Nach Ansicht der Bf hätte die Ausgleichsabgabe aber nur 62.130 € betragen dürfen, weil die Rechtslage bei Antragstellung maßgeblich sei und zu diesem Zeitpunkt ein anderer Einheitssatz gegolten habe. Fraglich war somit, auf welchen Zeitpunkt für Zwecke der Berechnung der Ausgleichsabgabe abzustellen ist.
Entscheidung des BFG
Gem § 4 Abs 1 Wiener Baumschutzgesetz ist eine Entfernung von Bäumen nur mit behördlicher Bewilligung möglich. Eine Ausgleichsabgabe ist gem § 9 Abs 1 Wiener Baumschutzgesetz dann vorzuschreiben, wenn die im Bescheid angeordnete Ersatzpflanzung – wie im vorliegenden Fall – nicht in vollem Ausmaß vorgenommen werden kann (§ 6 Abs 5 Wiener Baumschutzgesetz). Gem § 4 Abs 1 BAO entsteht der Abgabenanspruch mit der Verwirklichung des Tatbestands, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft. Nach Ansicht des BFG entsteht für Zwecke des Wiener Baumschutzgesetzes die Abgabenschuld daher im Zeitpunkt der Rechtskraft des Bewilligungsbescheids zur Entfernung der Bäume. Der Bewilligungsbescheid wurde der Bf am 23. 10. 2024 zugestellt und erwuchs am 21. 11. 2024 in Rechtskraft, da sie kein Rechtsmittel dagegen erhob. Somit entstand der Abgabenanspruch am 21. 11. 2024 und die Bestimmungen über die Ermittlung der Höhe des Anspruchs waren zu diesem Zeitpunkt heranzuziehen. Daraus ergibt sich die Anwendbarkeit eines Einheitssatzes iHv 5.000 €, was insgesamt zu einer Ausgleichsabgabe iHv 285.000 € führt.
§ 19 Abs 4 Wiener Baumschutzgesetz sieht eine rückwirkende Anwendung der Bestimmungen des Wiener Baumschutzgesetzes mit Ausnahme der Strafbestimmungen zum 15. 1. 2024 vor. In der novellierten Fassung wurde ua der Einheitssatz erhöht, aus dem sich die Höhe der Ausgleichsabgabe ergibt. Die Bf hatte verfassungsrechtliche Bedenken zur rückwirkenden Anwendung der erhöhten Einheitssätze, die aber vom BFG nicht geteilt wurden: Der Abgabenanspruch entstand erst am 21. 11. 2024 mit Rechtskraft des Bewilligungsbescheids. Da die Verordnung jedoch bereits ordnungsgemäß am 16. 4. 2024 kundgemacht wurde, betrifft die von § 19 Abs 4 Wiener Baumschutzgesetz vorgesehene Rückwirkung nur den Zeitraum vom 15. 1. 2024 bis zum 16. 4. 2024 und ist daher für den vorliegenden Fall ohne Bedeutung. Auch die vorgebrachten Bedenken wegen einer Verletzung des Vertrauensschutzes teilte das BFG nicht: Das bloße Vertrauen auf den unveränderten Fortbestand der Rechtslage genießt keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz (VfSlg 16.687/2002). Die bloße Tatsache, dass der Gesetzgeber mit der Novellierung des Wiener Baumschutzgesetzes auch den Einheitssatz und damit die Höhe der Ausgleichsabgabe erhöht hat, begründet keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz. Wirken sich getroffene Dispositionen aufgrund einer für die Zukunft geltenden Änderung der Rechtslage anders als erwartet aus, so liegt keine Verletzung des Vertrauensschutzes vor (VfGH 9. 10. 2017, E 2536/2016).
Das BFG wies daher die Beschwerde als unbegründet ab und teilte die verfassungsrechtlichen Zweifel der Bf nicht.
Conclusio
Mit der Novelle des Wiener Baumschutzgesetzes wurde die Ausgleichsabgabe gem § 9 Abs 3 Wiener Baumschutzgesetz von 1.090 € auf 5.000 € stark erhöht. Sinn dieser Erhöhung war ua, der seit der letzten Erhöhung im Jahr 1998 eingetretenen Inflation Rechnung zu tragen (Erläut zur Nov des Wiener Baumschutzgesetzes – Klimaschutznovelle 2024, LGBl 2024/1 S 5). Durch die neuen Bestimmungen in den § 9 Abs 3a–3c Wiener Baumschutzgesetz kann zudem eine jährliche Anpassung an den Verbraucherpreisindex vorgenommen werden, die vom Magistrat im ABl der Stadt Wien kundzumachen ist. Die Valorisierung wird jährlich zum 30. 6. vorgenommen und tritt mit dem 1. 1. des Folgejahres in Kraft.
Die von der Bf vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken sind im Wesentlichen auf ein vom BFG abweichendes Verständnis der Entstehung des Abgabenanspruches zurückzuführen. Während die Bf in der von § 19 Abs 4 Wiener Baumschutzgesetz angeordneten Rückwirkung eine Verletzung des Vertrauensschutzes geltend machte, sah das BFG im vorliegenden Fall noch nicht einmal einen Anwendungsfall dieser Rückwirkung. Das liegt daran, dass das BFG die Verwirklichung des Abgabenanspruchs (hier: der Ausgleichsabgabe nach § 9 Wiener Baumschutzgesetz) erst mit der Rechtskraft des Bewilligungsbescheids annimmt (hier: am 21. 11. 2024). Die Bf ging jedoch offenbar davon aus, dass die Anhängigkeit des Antrags maßgeblich sei, die bereits vor dem Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens mit 15. 1. 2024 bestand. Im Ergebnis ist dem BFG wohl zuzustimmen, weil der Tatbestand der Ausgleichsabgabe gem § 9 Abs 1 Wiener Baumschutzgesetz eindeutig an die behördliche Bewilligung anknüpft. Hingegen ist dem Wiener Baumschutzgesetz eine Anknüpfung an die Antragstellung nicht zu entnehmen.