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DBA Malta: Art 15 Abs 3, Art 23 Abs 1, Art 23 Abs 2
Abstract
Das BFG hatte zu beurteilen, ob die in Art 23 Abs 1 DBA Malta vorgesehene Befreiungsmethode auch dann zur Anwendung kommen kann, wenn zu besteuerndes Einkommen unter eine offene Verteilungsnorm fällt. Obwohl Art 23 Abs 1 DBA Malta in seiner deutschen Sprachfassung für die Anwendung der Befreiungsmethode vorsieht, dass das Einkommen „nur“ im Quellenstaat besteuert werden kann, ist unter Bezugnahme der englischen Sprachfassung deren Anwendung nach Ansicht des BFG auch dann möglich, wenn der Ansässigkeitsstaat ebenfalls ein Besteuerungsrecht am Einkommen hat.
BFG 24. 7. 2024, RV/7102502/2024
Sachverhalt
Der Bf war Pilot im internationalen Luftverkehr und bezog im Jahr 2022 Einkommen von einer Fluggesellschaft mit Sitz und Ort der Geschäftsleitung in Malta. Wohnsitz und Mittelpunkt der Lebensinteressen hatte der Bf in Österreich. Auf seinem Jahreslohnzettel 2022 wurde eine einbehaltene Lohnsteuer ausgewiesen.
Infolgedessen stellte der Bf einen Antrag auf Rückzahlung der Lohnsteuer, welchen das FA unter Berufung auf die EAS-Rechtsauskunft 3448 mit Bescheid abwies. Dagegen erhob der Bf Beschwerde. Infolge einer abweisenden BVE hatte das BFG zu entscheiden.
Entscheidung des BFG
Das BFG gibt zunächst die Rechtsansicht des FA wieder, die sich iW auf die zu diesem SV ergangene EAS-Rechtsauskunft 3448 und eine nicht näher bezeichnete Stellungnahme des BMF stützt. Nach EAS 3448 erlaubt Art 15 Abs 3 DBA Malta dem Quellenstaat (Malta), die Einkünfte des Piloten zu besteuern, jedoch nicht in ausschließlicher Weise. Österreich muss die Einkünfte nicht nach Art 23 Abs 1 DBA Malta nicht freistellen, da in dessen deutscher Sprachfassung eine Anwendung der Befreiungsmethode in den Fällen vorgesehen ist, in denen das DBA Malta ein ausschließliches Besteuerungsrecht zuweist. Das ist aber bei der offenen Verteilungsnorm Art 15 Abs 3 DBA Malta nicht der Fall. Die Anwendung der Anrechnungsmethode hält das BMF jedoch infolge einer teleologischen Interpretation für möglich, um der Zielsetzung der DBA Rechnung zu tragen, wobei es aufgrund der durch das MLI geänderten Präambel von der Beseitigung der Doppelbesteuerung, als auch der doppelten Nichtbesteuerung ausgeht.
Dementsprechend wird in der nicht näher bezeichneten Stellungnahme des BMF ausgeführt, dass DBA Ziel und Zweck verfolgen, Doppelbesteuerung und doppelte (ungerechtfertigte) Nichtbesteuerung zu vermeiden (VwGH 10. 5. 1972, 1637/70). Das ist nach Art 31 Abs 1 WVK bei der Auslegung zu berücksichtigen. Außerdem sind gem Art 33 Abs 1 WVK der deutsche und der englische Wortlaut des Art 23 Abs 1 DBA Malta in gleicher Weise maßgeblich. Die Befreiungsmethode kann nicht angewendet werden, weil gem Art 15 Abs 3 DBA Malta sowohl der Ansässigkeits- als auch der Quellenstaat und somit nicht „nur“ der Quellenstaat die Einkünfte des Piloten besteuern dürfen. Im Ergebnis ist nach Ansicht des FA Österreichs Besteuerungsanspruch an den Einkünften des Piloten nicht eingeschränkt.
Neben der Ansicht des FA setzt sich das BFG auch ausführlich mit in der Literatur vertretenen Ansichten zu EAS 3448 (insb Lang, SWI 2024, 10; bekräftigend auch Bendlinger/Rosenberger, SWI 2024, 383; Waser, PV-Info 2024, 22; Kudert/Höppner/Steinhauser, ÖStZ 2024, 75) auseinander. Hier wurde kritisiert, dass nach EAS 3448 die Befreiungsmethode des DBA Malta nur bei geschlossenen Verteilungsnormen zur Anwendung kommen kann, allerdings nur wenige geschlossene Verteilungsnormen bestehen und bei diesen zudem ein Rückgriff auf den Methodenartikel ohnehin nicht erforderlich ist. Außerdem begründet EAS 3448 eine Abkehr von der bisherigen Ansicht der FinVw und den Gesetzesmaterialien.
Außerdem ergibt sich die Einschränkung des Anwendungsbereichs der Befreiungsmethode auf Einkünfte, die unter geschlossene Verteilungsnormen fallen, nur aus der deutschen, nicht aber der – ebenfalls authentischen – englischen Fassung des Art 23 Abs 1 DBA Malta. Nach Ansicht des BFG spricht für die sich aus dem englischen Wortlaut ergebende Interpretation – also der Anwendung der Befreiungsmethode auf alle Einkünfte, für die nicht in Art 23 Abs 2 DBA Malta die Anrechnungsmethode vorsieht, und somit auch Art 15 Abs 3 DBA Malta – insb die andernfalls bestehende Einschränkung des Anwendungsbereichs der Befreiungsmethode auf die wenigen geschlossenen Verteilungsnormen. Denn für diese geschlossenen Verteilungsnormen wäre die Anwendung der Befreiungsmethode „völlig überflüssig“.
Im Ergebnis schließt sich das BFG daher der in der Literatur vertretenen Ansicht an und führt die Unterschiede zwischen der deutschen und der englischen Sprachfassung auf ein Redaktionsversehen zurück. Die Revision an den VwGH erklärt das BFG für zulässig, da der VwGH – soweit ersichtlich – bislang Art 15 Abs 3 und Art 23 Abs 1 DBA Malta nicht auszulegen hatte.
Conclusio
Die vorliegende Entscheidung des BFG demonstriert, dass rechtspolitischen Einflüssen nur bedingt Relevanz bei der Interpretation von DBA beizumessen ist. Das verdeutlicht sich zusätzlich vor dem Hintergrund der Zielsetzung der Interpretation, nämlich „zu ermitteln, was der Autor der Äußerung/Rechtsnorm als von ihm behauptet, gewollt oder – ganz allgemein ausgedrückt – als von ihm gemeint gegen sich gelten lassen muß“ (Rill, ZfV 1986, 461 [466]). Im vorliegenden Fall legen die in der Literatur hervorgebrachten und vom BFG angewendeten Argumente eine Anwendung der Befreiungsmethode als vom Abkommensrechtssetzer gemeint nahe.
Diese Interpretation führt im vorliegenden Fall zu einem rechtspolitisch möglicherweise nicht zufriedenstellenden Ergebnis. Denn Malta erhält das Besteuerungsrecht an den Einkünften, übt dieses aber nicht aus. Österreich muss infolge der Anwendung der Befreiungsmethode die Einkünfte von der Besteuerung freistellen, sodass im Ergebnis eine doppelte Nichtbesteuerung der Einkünfte entsteht. Diese Problematik könnte jedoch auch im Verhandlungsweg gelöst werden. Einer solchen Lösung im Verhandlungsweg ist wohl gegenüber einer dogmatisch mitunter nicht überzeugenden Interpretation der Vorzug zu geben. Sollte sich eine Lösung nicht im Verhandlungsweg ergeben, ist nach Art 29 DBA Malta auch die Kündigung des DBA als ultima ratio zur Vermeidung der doppelten Nichtbesteuerung eine Option.