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*Ergebnis einer Umfrage unter 225 Steuerberater:innen und Rechtsanwält:innen (Mai 2024) durchgeführt von IPSOS im Auftrag von LexisNexis Österreich.
BewG 1955: § 10
Abstract
Im vorliegenden Fall ist strittig, ob eine potenzielle zukünftige Steuerbelastung – konkret die im Falle der Ausschüttung anfallende KESt – bei der Ermittlung des gemeinen Werts gem § 10 BewG für Zwecke der Bemessungsgrundlage der Stiftungseingangssteuer mindernd zu berücksichtigen ist. Nach Auffassung des BFG kann die KESt, die bei der Ausschüttung zwingend anfällt und, nach Ansicht der Beschwerdeführerin typischerweise Voraussetzung für den tatsächlichen Zugriff auf das Vermögen der GmbH ist, bei der Festsetzung der Bemessungsgrundlage der Stiftungseingangssteuer als bewertungsrelevanter Abzugsposten nicht anerkannt werden, weil § 10 BewG an objektiven Maßstäben zu messen ist.
BFG 27. 3. 2025, RV/2100569/2017
Sachverhalt
Bei der Beschwerdeführerin (Bf) handelt es sich um eine Privatstiftung, deren Stiftungszweck vorwiegend in der Verwaltung, Sicherung und Vermehrung des Stiftungsvermögens, sowie der Vornahme von Zuwendungen an Begünstigte besteht. Im Jahr 2008 wurden der Stiftung im Rahmen einer unentgeltlichen Zuwendung 75 % der Anteile an einer nicht mehr operativ tätigen GmbH gestiftet. Die Selbstberechnung der Stiftungseingangssteuer erfolgte auf Grundlage des Wiener Verfahrens. Im Rahmen einer Außenprüfung gelangte das Finanzamt (FA) zur Auffassung, dass das Wiener Verfahren im vorliegenden Fall aufgrund des Fehlens eines Ertragswertes nicht anwendbar sei. Stattdessen setzte das FA den gemeinen Wert der Anteile auf Basis der Differenz zwischen Aktiva und Rückstellungen sowie Verbindlichkeiten an. Gegen den die Stiftungseingangssteuer festsetzenden Bescheid erhob die Bf Beschwerde und brachte vor, dass bei der Berechnung des Anteilswerts nach dem gemeinen Wert gem § 10 BewG die Kapitalertragsteuer zu berücksichtigen sei, die bei einer späteren Gewinnausschüttung aus der GmbH anfällt. Im Falle einer nicht mehr aktiven Kapitalgesellschaft stelle die Ausschüttung des Vermögens an die Anteilseigner den typischen Zugangsweg zum Gesellschaftsvermögen dar, weshalb die bei einer solchen Ausschüttung anfallende KESt als wertmindernd bei der Bewertung zu berücksichtigen sei.
Entscheidung des BFG
Der Stiftungseingangssteuer unterliegen unentgeltliche Zuwendungen an eine privatrechtliche Stiftung, wobei die Steuerlast gem § 2 Abs 1 StiftEG 2,5 % der unentgeltlich zugewendeten Vermögenssubstanz beträgt. Die Bewertung richtet sich gem § 1 Abs 5 StiftEG nach dem Wert des zugewendeten Vermögens nach Abzug von Schulden und Lasten, die im wirtschaftlichen Zusammenhang zum zugewendeten Vermögen stehen. Die Wertermittlung selbst wird aufgrund der expliziten Anordnung in § 1 Abs 5 Satz 3 StiftEG auf Basis des ersten Teiles des BewG durchgeführt. Maßgeblich ist in diesem Fall somit der gemeine Wert des zugewendeten Vermögens zum Zeitpunkt der Zuwendung.
Das BFG verneinte die Anwendung des Wiener Verfahrens, das eine Methode zur Schätzung des gemeinen Wertes gem § 13 Abs 2 BewG darstellt, weil die Voraussetzung dafür ein Ertragswert ist, der bei der im gegenständlichen Fall nicht mehr aktiven GmbH nicht vorhanden ist. Infolgedessen war § 10 BewG heranzuziehen. Der gemeine Wert gem § 10 Abs 2 BewG bestimmt sich stets nach dem im gewöhnlichen Verkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes zu erzielenden Veräußerungserlös. Persönliche oder außergewöhnliche Umstände sind dabei außer Acht zu lassen.
Der Abzug einer potenziell anfallenden Steuerlast ist nach Ansicht des BFG aufgrund des Abzugverbotes persönlicher Verhältnisse nicht möglich. Der gemeine Wert ist aus der Perspektive des Verkäufers zu bestimmen, wobei individuelle Umstände des Erwerbers außer Betracht zu bleiben haben. Die Entscheidung über die künftige Verwendung der Gesellschaftserträge – insb, ob thesauriert oder ausgeschüttet wird, – liegt im Einflussbereich des Käufers und entzieht sich damit einer objektiven, marktbezogenen Bewertung. Ebenso wenig ist eine Berücksichtigung als Schuld oder Last iSd § 10 Abs 2 BewG geboten, weil gem § 1 Abs 5 Satz 2 StiftEG der Zeitpunkt des Entstehens der Steuerlast für die Wertermittlung maßgeblich ist. Zum Zeitpunkt der Zuwendung des Vermögens an die Privatstiftung stellt die zukünftige KESt-Belastung keine Schuld oder Last dar.
Eine, wie es das BFG formuliert, „wann-auch-immer“ anfallende KESt kann somit nicht bei der Bemessungsgrundlage der Stiftungseingangssteuer berücksichtigt werden. Weder dem Gesetzestext noch der Judikatur oder der Literatur ist eine derartige Anrechnung zu entnehmen. Da es bislang keine hg Rsp zu der Rechtsfrage gibt, ob für die Höhe der Bemessungsgrundlage der Stiftungseingangsteuer eine allenfalls später anfallende KESt zu berücksichtigen ist, wurde die ordentliche Revision zugelassen.
Conclusio
Zentraler Aspekt in der vorliegenden Entscheidung ist die Auslegung des Begriffs des gemeinen Wertes gem § 10 BewG. Nach stRsp des VwGH handelt es sich bei dem gemeinen Wert um eine fiktive Größe, die mithilfe der Preisschätzung bei Veräußerung zu ermitteln ist, und sich an einem objektiven Maßstab orientiert (VwGH 17. 2. 1992, 90/15/0155 und VwGH 16. 12. 2014, 2013/16/0168.). Idealerweise sollte ein möglichst objektiver allgemeiner Wert das Resultat sein, bei dem subjektive Gegebenheiten des jeweiligen Beteiligten unberücksichtigt bleiben (Twaroch/Wittmann/Frühwald, Bewertungsgesetz [29. Lfg 2019] § 10 BewG Rz 31.)
Entsprechend wird auch die Ausnahme der persönlichen Umstände gem § 10 Abs 2 BewG sehr restriktiv ausgelegt, zumal bspw selbst eine eingeräumte Hypothek oder ein eingeräumtes Wohnrecht zu den nicht zu berücksichtigenden persönlichen Umständen gehören, auch wenn dadurch der Wert oft sehr stark gemindert wird. Der Wert ist so anzusetzen, als ob diese Umstände nicht existieren würden (Twaroch/Wittmann/Frühwald, Bewertungsgesetz [29. Lfg 2019] § 10 BewG Rz 39 f; siehe dazu auch VwGH 26. 4. 1969, 1984/59 und 30. 3. 2017, Ra 2016/16/0037). Folgt man der Meinung der Literatur und Judikatur, ist somit folgerichtig anzunehmen, dass ein Wahlrecht, den Gewinn zu thesaurieren oder auszuschütten, den individuellen Umständen gem § 10 Abs 2 BewG zuzuordnen ist und die potenziell anfallende KESt als nicht objektiver Bewertungsfaktor nicht abzugsfähig ist.
Beim gemeinen Wert sind allerdings alle äußeren Umstände zu berücksichtigen, die den Wert beeinträchtigen, wie zB beschränkte Verwertungsmöglichkeiten, die sich durch auf Gesetz beruhende Verfügungsbeschränkungen ergeben können (Twaroch/Wittmann/Frühwald, Bewertungsgesetz [29. Lfg 2019] § 10 BewG Rz 25). Im vorliegenden Fall könnte argumentiert werden, dass die eingeschränkte Zugriffsmöglichkeit auf das Vermögen der nicht aktiven GmbH eine solche wertrelevante Beschränkung im Sinne äußerer objektiv feststellbarer Umstände darstellt. Der Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen wäre demnach im vorliegenden Fall mangels laufender Erträge typischerweise im Wege einer Ausschüttung realisierbar, wodurch er zwangsläufig mit einer Kapitalertragsteuerbelastung iHv 25 % einherginge. Vor diesem Hintergrund könnte die damit verbundene, steuerlich determinierte Einschränkung als funktionale Zugangsbeschränkung interpretiert werden, die die Verwertbarkeit der Beteiligung beschränkt.
Dieses Argument scheint jedoch nicht tragfähig genug, weil diese Sichtweise zu einer Überstrapazierung des objektiven Bewertungsbegriffes führen würde. Andernfalls müsste man, wie das FA in seiner Beschwerdevorentscheidung anmerkt, jede unentgeltliche Zuwendung an eine Stiftung pauschal mit einem Abschlag von 25 % bewerten, da im Zeitpunkt einer späteren Ausschüttung an Begünstigte KESt anfallen könnte. Da gem § 1 Abs 5 Satz 2 StiftEG der Zeitpunkt der Zuwendung für die Bewertung relevant ist, ist die Entscheidung des BFG somit als sachlich und rechtlich zutreffend anzusehen. Eine hypothetische, zukunftsabhängige Steuer kann den gemeinen Wert eines GmbH-Anteils nicht mindern.