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BFG zur Berechnung von Aussetzungszinsen bei mehreren Aussetzungsanträgen und -bescheiden

Bearbeiter: Kilian Posch

BAO: § 212a

Abstract

Im vorliegenden Fall hatte das BFG über die Beschwerde gegen einen Aussetzungszinsenbescheid abzusprechen, mit dem die Aussetzungszinsen gem § 212a Abs 9 BAO für mehrere, nunmehr abgelaufene Aussetzungen der Abgabeneinhebung festgestellt wurden. Die Abgabenaussetzungen waren zuvor in getrennten Bescheiden aufgrund von verschiedenen Anträgen genehmigt worden. Das BFG hatte sich dabei insb mit der in der Rsp bisher unbehandelten Frage zu befassen, ob die Freigrenze nach § 212a Abs 9 BAO dem Bf mehrmals zusteht, wenn der Aussetzungszinsenbescheid aufgrund mehrerer Aussetzungsanträge- und bescheide ergangen ist.

BFG 20. 6. 2023, RV/5100329/2022

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (Bf) beantragte im Zuge der Beschwerden gegen den Anspruchszinsenbescheid 2013 und die Einkommensteuerbescheide der Veranlagungsjahre 2013, 2015, 2016 und 2018 die Aussetzung der Abgabeneinhebung gem § 212a BAO. Die Bescheidbeschwerden sowie die Aussetzungsanträge bezogen sich dabei jeweils auf die einzelnen Veranlagungsjahre. Das FA genehmigte die Aussetzung mit jeweils nach Anträgen getrennten Bescheiden im Zeitraum von 2016 bis 2019. Nachdem über die den Aussetzungsanträgen zugrunde liegenden Beschwerden in einem BFG-Erkenntnis entschieden worden war, verfügte das FA den Ablauf der Aussetzung der Einhebung der Einkommensteuern und der Anspruchszinsen mit einem Bescheid. Mit einem Aussetzungszinsbescheid setzte es daraufhin im Jahr 2022 die Aussetzungszinsen für alle genehmigten Aussetzungen für den Zeitraum des ersten Aussetzungsbescheids 2016 bis zum Aussetzungszinsbescheid fest. Dem Bescheid war eine nach Zeiträumen aufgeschlüsselte Berechnung der Aussetzungszinsen angehängt, aus der herausgelesen werden konnte, dass die Zinsen nicht für alle Aussetzungsanträge die Festsetzungsfreigrenze von 50 € gem § 212a Abs 9 BAO überstiegen. Das FA hatte diese jedoch mit den Aussetzungszinsen der anderen Anträge addiert und somit für alle zugrundeliegenden Aussetzungssachverhalte eine gemeinsame Zinsschuld von über 50 € festgesetzt. Der Bf legte daher gegen den Bescheid über den Ablauf der Aussetzung sowie gegen den darauffolgenden Aussetzungszinsbescheid Beschwerde ein und begründete dies auch damit, dass die Festsetzungsfreigrenze vom FA missachtet worden sei.

Entscheidung des BFG

Nach § 212a Abs 9 BAO sind ab dem Zeitpunkt des Einlangens eines Antrages auf Aussetzung der Einhebung bis zu dessen Abweisung, Zurückweisung oder bei Bewilligung für die Dauer des Zahlungsaufschubes Aussetzungszinsen iHv 2 % über dem jeweils geltenden Basiszinssatz pro Jahr zu entrichten. Erreichen diese Aussetzungszinsen jedoch nicht einen Betrag iHv 50 €, sind sie nicht festzusetzen. Bei der Berechnung der Aussetzungszinsen stellt sich die Frage, ob die 50 € als Freigrenze für jede ausgesetzte Abgabe oder für jeden Aussetzungsantrag zu verstehen sind. Das BFG verweist hierbei zunächst auf ein Erkenntnis des VwGH, demgemäß die Festsetzungsfreigrenze nur unter dem Zweck der Verfahrensökonomie zu verstehen ist und diese auch bei mehreren betroffenen Abgabenschuldverhältnissen nur einmal für einen Aussetzungsantrag berücksichtigt werden kann (vgl VwGH 26. 1. 2017, Ra 2015/15/0005). Im Gegensatz zum zitierten VwGH-Erkenntnis lagen im vorliegenden Fall jedoch mehrere Aussetzungsanträge vor, weshalb aus der VwGH-Rsp nicht abgeleitet werden kann, dass die Festsetzungsfreigrenze nicht mehrmals für verschiedene Aussetzungsanträge anzuwenden ist ‒ auch wenn in weiterer Folge bloß ein gemeinsamer Aussetzungszinsbescheid erlassen wurde. Verschiedene Aussetzungsanträge allein reichen allerdings nach Ansicht des BFG noch nicht, um mehrmals in den Genuss der Festsetzungsfreigrenze zu gelangen: Vielmehr muss über diese auch in verschiedenen Aussetzungsbescheiden (nicht: Aussetzungszinsbescheiden) abgesprochen worden sein, damit der Freibetrag für jeden einzelnen Antrag berücksichtigt werden kann. Dies gilt unabhängig davon, ob die Zinsen schließlich in einem einzigen oder in mehreren Aussetzungszinsbescheiden festgesetzt werden. Da in diesem Fall sowohl mehrere Anträge als auch jeweils getrennte Aussetzungsbescheide vorlagen, gab das BFG der Beschwerde in diesem Punkt statt. Aufgrund der fehlenden Rsp des VwGH zur mehrmaligen Anwendung des Festsetzungsfreibetrags bei verschiedenen Aussetzungsanträgen ist die Revision diesbezüglich zulässig.

Conclusio

Das BFG zitiert in seinem Erkenntnis die Rechtsmeinung, dass die Festsetzungsfreigrenze „freilich“ für jeden Antrag getrennt zur Anwendung kommt (vgl Ellinger/Sutter/Urtz BAO3 [2020] § 212a Rz 87a). Dieser Grundsatz wird durch die vorliegende Entscheidung in einem wesentlichen Punkt relativiert, da – wie das BFG selbst anmerkt – mehrere Aussetzungsanträge in knapper Abfolge in einem Bescheid abgehandelt werden können. Der Antragsteller ist dennoch vor einer gemeinsamen Abhandlung mehrerer Anträge über längere Zeit geschützt, da die Abgabenbehörden gem § 85a BAO dazu verpflichtet sind, über Anbringen der Parteien ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden. Das Erfordernis mehrerer Aussetzungsbescheide für eine mehrmalige Anwendung der Freigrenze nach diesem BFG-Erkenntnis ist wohl wiederum der Interpretation des § 212a Abs 9 im Lichte der Verfahrensökonomie entsprungen: Der Grund für die Ablehnung der abgabenorientierten Anwendung der Freigrenze liegt darin, dass die verwaltungsaufwendige Zerteilung der Zinsen nach einzelnen Abgabenansprüchen verhindert werden soll (vgl Capek in Rzeszut/Tanzer/Unger, BAO: Stoll Kommentar – Digital First2.06 [2023] § 212a BAO Rz 76). Es ist nur konsistent, wenn aus dem gleichen Grund eine Zinsverteilung nach Anträgen im selben Bescheid verneint wird. Das BFG liefert jedoch selbst keine detaillierte Begründung für die Ausdifferenzierung der im Erkenntnis zitierten Rechtsmeinung.

Es ist fraglich, warum der Verfahrensökonomie nicht am meisten geholfen wäre, wenn auf die Anzahl der Aussetzungszinsbescheide anstatt auf die Aussetzungsanträge und -bescheide abgestellt würde. Die Aussetzungsbescheide enthalten noch keine Zinsberechnungen, weshalb der Verwaltungsaufwand erst beim später folgenden Aussetzungszinsbescheid entsteht. Wenn die Festsetzungsfreigrenze nicht der Begünstigung des Antragstellers dient, sondern lediglich nach dem Zweck der einfachen Verwaltung auszulegen ist, wäre mit einer Anwendung der Freigrenze je Aussetzungszinsbescheid das angestrebte Ziel erreicht. Der Antragsteller wäre auch in diesem Fall aufgrund des § 85a BAO vor Verwaltungswillkür geschützt – und hätte weiters keinen Anreiz, Abgabenaussetzungen in der Hoffnung auf mehrere Aussetzungsbescheide zeitlich möglichst versetzt zu beantragen.

Es bleibt zu erwähnen, dass § 212a Abs 9 BAO seit 1. 1. 2023 in der Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 2022 in Kraft ist. Unverändert ist jedoch die Freibetragsgrenze von 50 € geblieben, weshalb weder die hier zitierten Erkenntnisse noch die erwähnte Fachliteratur etwas an ihrer Relevanz eingebüßt haben.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 34748 vom 17.11.2023